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Mittelstandsanleihen: „Weitere Explosionen werden kommen“

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Auch Air Berlin-Mittelstandsanleihen könnten noch in Turbulenzen geraten.
airberlin

Nur die wenigsten Beobachter sind von der Windreich-Pleite überrascht worden – höchstens der Zeitpunkt des Insolvenzantrags von Windreich kam unerwartet, nachdem sich in den vergangenen Wochen die Lage bei Windreich zu entspannen schien. Das erratische Agieren von Windreich-Chef Willi Balz und der hohe Verschleiß an Top-Managern wie Karl-Gerhard Eick und Walter Döring warfen indes  stets mehr Fragen auf, als das Unternehmen Antworten zu geben in der Lage war. Die Insolvenz war für viele eine Frage der Zeit. Für den Markt für Mittelstandsanleihen ist das Ende von Windreich dennoch bitter: Der Ausfall der Bonds über 125 Millionen ist fraglos die prominenteste Pleite bei den Mittelstandsanleihen.

Fakt ist: Die Windreich-Pleite wird nicht die letzte bleiben. „Weitere Explosionen werden kommen“, sagt Lutz Weiler, CEO der Investmentbank Equinet zu FINANCE. Unsichere Kantonisten finden sich zuhauf, etwa bei den vielen Markenartiklern und Bekleidungsherstellern, die in der Anfangsphase des Segments vor allem von Retailinvestoren gezeichnet wurden, aber auch bei Großemitttenten wie Air Berlin und dem Schrottverarbeiter Scholz, der bereits die Tilgung seiner Bankkredite ausgesetzt hat.

Mittelstandsanleihen: Privatanleger auf dem Rückzug

Privatanlegern steht in nahezu jedem Insolvenzfall ein böses Erwachen bevor,  schließlich ist die Nachrangigkeit der Mittelstandsanleihen ein strukturelles Problem: „Am Ende sind die Mittelstandsanleihen Inhaberschuldverschreibungen, bei denen die Gläubiger ganz hinten in der Reihe stehen“, sagt Anlegeranwalt Klaus Nieding zu FINANCE.

Er erwartet, dass der Markt für Mittelstandsanleihen durch das neue Insolvenzverfahren ESUG einen weiteren Vertrauensverlust erfahren wird: „Hier entsteht verbrannte Erde wie am Neuen Markt. Die Privatinvestoren werden am Ende nicht unterscheiden, ob es um Erneuerbare Energien oder um normale Mittelständler geht“, sagt Nieding. Er gibt Banken dafür eine Mitschuld, dass sie ihren Kunden, denen sie selbst keinen Kredit gewähren wollen, die spekulativen Mittelstandsanleihen als vermeintlich sichere Anlagen empfohlen hätten. Mit einer derartigen Klage muss sich aktuell zum Beispiel die Schweizer Bank J. Safra Sarasin auseinandersetzen – im Zusammenhang mit Windreich. Nieding empfiehlt von der Windreich-Pleite betroffenen Anlegern, sich im Fall Windreich zu organisieren. Der Banker Lutz Weiler warnt: „Wir müssen aufpassen, dass wir keinen zweiten Mezzanine-Markt bekommen.“

Neue Börsenstandards sollen Mittelstandsanleihen retten

Die Verunsicherung bei Privatanlegern zeigt sich ist in deren sinkendem Anteil an den jüngeren Emissionen. Auch dies erklärt das Scheitern einiger Bondplatzierungen wie Rena, Karlie oder Metalcorp im Frühsommer, die offenbar gehofft hatten, viele Privatinvestoren mit günstigem Kupon an Bord nehmen zu können.

Banken, Intermediäre und Emissionsbegleiter konzentrieren sich inzwischen zunehmend auf institutionelle Investoren, Privatanleger sind nur noch die Sahne auf dem Kuchen. „Wir achten in der Vorbereitung und Strukturierung von Anleihen darauf, Institutionelle zu überzeugen“, sagt Lutz Weiler. „Wenn Privatanleger noch dazu kommen, ist das schön, aber keine Bedingung.“ Dieser Trend zu institutionellen Investoren zeigte  sich auch in der von Steubing vor wenigen Tagen begleiteten Anleiheemission des Fertighausherstellers Helma. Trotz eines Kupons von unter 6 Prozent verkaufte sich die Mittelstandsanleihe schnell und problemlos. 88 Prozent gingen an professionelle Investoren.

Viele Marktteilnehmer sind der Meinung, dass nur die Professionalisierung der Marktstandards für Mittelstandsanleihen das langfristige Überleben dieses Marktes sichern kann. Eines der Themen, das die Investoren beschäftigt, ist das Rating. Insbesondere die Ratingagentur Scope hat Kritik vieler Emittenten und weiterer Marktteilnehmer auf sich gezogen, indem sie nicht beauftragte Ratings mit Ergebnissen im tiefen Non-Investmentbereich angefertigt hat. „Die ersten offiziellen, beauftragten Ratings, die Scope selbst vorgelegt hat, waren aber alle A“, sagt Andreas Wegerich von dem Finanzierungsspezialisten Youmex. Fragwürdig war insbesondere das A-Rating der MS Deutschland, das Scope in der letzten Woche gleich um vier Notches absenken musste.

Fragwürdige Ratings: Neue Agenturen versprechen Besserung

Mit der auf die Bewertung institutioneller Produkte spezialisierten Agentur Feri ist jüngst eine weitere Ratingagentur in den Mittelstandsmarkt eingestiegen. Feri hat den als Privatplatzierung emittierten Mifa-Bond bewertet hat. Auch mit S&P seien  neue Gespräche aufgenommen worden, sagte Weiler. S&P hatte sich vor ein paar Jahren bewusst gegen einen Eintritt in den Mittelstandsmarkt entschieden. Marktteilnehmer hoffen, dass ein möglicher Einstieg von S&P mehr Druck auf den  Marktführer Creditreform erzeugen würde als die Manöver von Scope.

Auch die Börsenstandards sollen erhöht werden, berichtet der Kapitalmarktexperte Weiler  aus Diskussionen mit der Frankfurter Börse. Emittenten sollen zukünftig ihre Kapitalmarktreife durch eine anwaltlich angefertigte Legal Opinion sowie einen Letter of Comfort  aus der Feder eines Wirtschaftsprüfers nachweisen. Das verursacht für Emittenten Zusatzkosten von rund 100.000 Euro könnte aber die Professionalisierung vorantreiben.

Inzwischen bildet sich ein breiter werdender Konsens heraus: Wer dem Markt für Mittelstandsanleihen eine Zukunft wünscht, fordert höhere Eintrittshürden: „Es wäre besser, wenn einige Emissionen nicht kämen“, sagt Equinet-Chef Weiler. Es zeichne sich schon ab, dass weitere Anleihen ihre Fälligkeit nicht erleben werden. Dabei rollen die als Wall of Debt bezeichnete Hauptfälligkeitsjahre  für den Großteil der Mittelstandsanleihen erst 2016/2017 an.

marc-christian.ollrog[at]finance-magazin.de

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Weitere Artikel finden Sie in unserem ausführlichen Dossier zum Thema Mittelstandsanleihen.