Paukenschlag in der Wirtschaftsprüferszene: EY Global prüft offenbar eine Aufspaltung in zwei separate Einheiten: Das Prüfungs- und Beratungsgeschäft. Sollte es dazu kommen, hätte es weltweite Gültigkeit.
Zuerst hatte darüber die „Financial Times“ berichtet. Auf FINANCE-Anfrage heißt es seitens EY: „Als multi-disziplinäres Unternehmen im Bereich Professional Services analysieren wir regelmäßig, ob wir bestmöglich aufgestellt sind, um höchste Qualität in der Wirtschaftsprüfung und sämtlichen nicht-prüfungsbezogenen Geschäftsbereichen anbieten zu können.“ Im Rahmen dieser Analyse habe das Big-Four-Haus alternative Strukturen und Geschäftsmodelle evaluiert, mit denen das Big-Four-Haus sein Beratungsangebot langfristig stärken könnte. „So wollen wir unserem Anspruch, in allen Bereichen höchste Qualität anzubieten, langfristig gerecht werden“, lautet das globale Medienstatement.
Entscheidungen über Veränderungen seien bislang aber noch nicht getroffen worden, heißt es weiter – wesentliche strukturelle Änderungen seien ohnehin nur mit Zustimmung der EY-Partner weltweit und nach Abstimmung mit den für EY zuständigen Regulatoren und politischen Entscheidungsträgern umsetzbar.
Wirtschaftsprüfung ist nach Wirecard stark reguliert
Das Motiv für eine mögliche Aufspaltung liegt auf der Hand: Nach diversen Bilanzskandalen in der Vergangenheit ist das Wirtschaftsprüfungsgeschäft inzwischen in vielen Ländern derart reguliert, dass es immer weniger Sinn ergibt, Prüfung und Beratung unter einem Dach anzubieten.
2016 gab es die erste Welle an gesetzlicher Regulatorik: Damals wurde die gleichzeitige Beratung bei einem Prüfkunden bereits deutlich eingeschränkt. Bestimmte Beratungsleistungen für kapitalmarktorientierte Unternehmen (PIEs) wurden komplett verboten, andere wurden an eine Honorar-Obergrenze gekoppelt. Das hat bereits dazu geführt, dass die international agierenden Prüfungs- und Beratungsgesellschaften komplexe interne Systeme einführen mussten, um genau zu prüfen, welche Beratungsleistungen sie bei welchen Kunden weltweit noch anbieten dürfen und welche nicht – ein großer Aufwand.
Nach dem Bilanzskandal bei Wirecard wurde die Regulierung in Deutschland durch das FISG noch einmal deutlich verschärft: Inzwischen darf man bei einem Prüfkunden gar keine Steuerberatung mehr anbieten, was dazu geführt hat, dass sich viele Großkonzerne zuletzt nach einem neuen Steuerberater umschauen mussten. Diese weitere Regulierung macht es für die Big Four nun noch schwieriger, Unabhängigkeitskonflikte zu vermeiden.
EY hat stark unter Wirecard gelitten
Diskussionen um eine mögliche Trennung von Prüfung und Beratung gab es daher schon länger, in Großbritannien waren diese Überlegungen schon weiter vorangeschritten. Marktbeobachter hatten außerdem bereits spekuliert, dass EY einem solchen Schritt zuvorkommen könnte, um die finanziellen Folgen und auch den Image-Schaden aus dem Wirecard-Skandal von dem Beratungsgeschäft fernzuhalten.
Kurz nachdem bekannt wurde, dass EY Aufspaltungsszenarien durchspielt, meldete sich denn auch die Kanzlei Schirp & Partner, die Anleger bei Klagen vertritt, mit einem Statement zu Wort: „Ist es Zufall, dass diese jahrealten Pläne bei EY jetzt wieder auf den Tisch kommen? Will EY die Verantwortlichkeit für das Wirecard-Desaster eingrenzen und geschädigte Anleger ins Leere laufen lassen?“, so Rechtsanwalt Wolfgang Schirp.
Aus Branchenkreisen heißt es allerdings, die Überlegungen von EY zu einer Aufspaltung hätten nichts mit Wirecard zu tun. Vielmehr könnten zwei unabhängige Gesellschaften freier am Markt agieren und für sich mehr Wachstum erreichen, wenn sie keine Unabhängigkeitskonflikte vermeiden müssten.
Was würden KPMG, PwC und Deloitte tun?
Würde es tatsächlich zu einer Aufspaltung von EY kommen, könnte der Schritt eine Blaupause für die anderen Big-Four-Häuser KPMG, PwC und Deloitte sein. Das Prüfungsgeschäft der Vier Großen macht derzeit jeweils etwa ein Drittel des Umsatzes aus – die übrigen zwei Drittel entfallen auf Steuer- und Unternehmensberatung.
In der Vergangenheit war immer wieder spekuliert worden, dass die Beratungsumsätze eine Quersubvention für das Prüfungsgeschäft darstellen würden – sie würden es den Big Four auch ermöglichen, ihre Prüfungsdienstleistungen zu niedrigeren Preisen anzubieten und so die Konkurrenz der mittelständischen Prüfer („Next Six“) auszustechen, hörte man aus dem Markt. Sollte es zu einer Aufspaltung kommen, wäre denkbar, dass die Prüfhonorare ansteigen.
julia.schmitt[at]finance-magazin.de
Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.