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Restrukturierer: Digitalisierung birgt Sprengkraft

Die Digitalisierung betrifft viele Zweige der Wirtschaft - und kann Unternehmen auch in Schieflage bringen.
cofotoisme/iStock/Thinkstock/Getty Images

Solarworld ist pleite, die Reederei Rickmers wankt, Jack Wolfskin steht vor einem Schuldenschnitt – trotz exzellenter Rahmenbedingungen gibt es sie noch, die Krisenfälle. Allerdings sind diese momentan die Ausnahme, was auch das zehnte Restrukturierungsbarometer bestätigt, in dem FINANCE in Zusammenarbeit mit der Struktur Management Partner Spezialisten aus Workout-Abteilungen von Banken und Kreditversicherern befragt.

Befragt nach dem allgemeinen Restrukturierungsumfeld, zeichnen die Banker ein weitgehend gleichbleibendes Bild. Zwar gaben 22 Prozent (Herbst 2016: 19 Prozent) der befragten Experten an, in den vergangenen sechs Monaten mehr neue Krisenfälle zur Bearbeitung auf den Tisch bekommen zu haben). Doch der Anteil derer, die sinkende Zahlen gemeldet haben, liegt mit 38 Prozent noch immer deutlich darüber.

„Weiterhin sehen wir kaum neue Zugänge bei den Restrukturierungsfällen“, Georgiy Michailov, Managing Partner bei Struktur Management Partner. „Die Fälle, die reinkommen sind vom Umsatz her relativ klein, jedoch nicht einfach zu lösen.“ Auf Branchen heruntergebrochen, hat der Sektor „Handel und E-Commerce“ den Bereich „Textil und Bekleidung“ von der Spitze verdrängt.

Positive Aussichen für Restrukturierungsfälle

Anhaltend positiv stellen sich die Erfolgsaussichten von Restrukturierungsfällen dar. Im Vergleich zur vorangegangenen Befragung blieb das Lager derer, die mehr Engagements aus der „Intensivstation“ wieder in den Marktbereich zurückgeführt haben, mit 42 Prozent konstant – und damit erneut über dem Durchschnittswert der vergangenen Jahre.

Hinzu kommt, dass nur 7 Prozent der Experten einen Anstieg der Insolvenzzahlen bei den von ihnen betreuten Krisenfällen gemeldet haben. Bei der vorangegangenen Befragung waren das mit 15 Prozent noch mehr als doppelt so viele.

In das Bild eines unter dem Strich freundlicheren Restrukturierungsumfelds passen die Erwartungen der Umfrageteilnehmer für die kommenden sechs Monate: Nur noch 20 Prozent rechnen mit zunehmenden oder deutlich zunehmenden Zahlen neuer Restrukturierungsfälle.

Das ist noch einmal deutlich weniger als in den vorangegangenen Befragungen (29 Prozent) und lässt – zusammen mit dem auf 22 Prozent angestiegenen Lager der Optimisten (Herbst 2016: 9 Prozent), die von abnehmenden bzw. deutlich abnehmenden Restrukturierungsfällen ausgehen – auf eine positive Einschätzung der konjunkturellen Lage schließen.

Sorge um den Bestand der Euro-Zone

Brexit und den neuen US-Präsidenten Trump sehen die Restrukturierer relativ gelassen. Deutlich größere Sprengkraft haben nach Ansicht der Sanierungsexperten andere exogene Faktoren. Auf die Frage, welche Gefahren derzeit als am wichtigsten für die betreuten Portfoliounternehmen eingeschätzt würden, rangiert an erster Stelle die Digitalisierung. 72 Prozent der Befragten messen diesem Thema auf einer Skala von 1 (sehr wichtig) bis 5 (unwichtig) die höchste Bedeutung bei.

Auch der Bestand der Euro-Zone ist angesichts der zahlreichen anstehenden Wahlen für viele Workout-Banker ein Punkt mit erheblichem Gefahrenpotential (für 59 Prozent der Befragten sehr wichtig), gefolgt von den zahlreichen politischen Konflikten wie im Nahen Osten, der Türkei oder der Ukraine (für 45 Prozent der Befragten sehr wichtig).

Dagegen scheint die Bankenkrise aus Sicht der Restrukturierungsexperten an Dramatik zu verlieren: Für nur noch 30 Prozent der Befragten geht davon eine erhebliche Gefahrenquelle für die von ihnen betreuten Sanierungsfälle aus (Herbst 2016: 42 Prozent). Das mag auch damit zusammenhängen, dass wichtige europäische Häuser wie die Deutsche Bank und die Hypovereinsbank/Unicredit vor kurzem ihre Bilanz durch große Kapitalerhöhungen gestärkt haben.

redaktion[at]finance-magazin.de

Info

Das 10. Restrukturierungsbarometer

Im Rahmen des Restrukturierungsbarometers befragt FINANCE in Zusammenarbeit mit dem Beratungshaus Struktur Management Partner regelmäßig die Professionals aus dem Intensive-Care-Bereich von Banken. An der zehnten Auflage mit dem Schwerpunkt ESUG haben sich 74 Befragte beteiligt. Zum Archiv geht es hier.