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Wie PwC Unternehmen einem Stresstest unterziehen will

PwC sieht Stresstests auch für Unternehmen als sinnvoll an. Bringt das CFOs wirklich etwas?
PwC

Immer, wenn die Regulierer Stresstests durchführen, wartet die Finanzbranche gespannt auf die Ergebnisse. Wie robust sind die Bankbilanzen, wenn die Märkte einbrechen, die Ausfallquote bei Krediten steigt oder die Währungen Achterbahn fahren? Welche Banken schneiden gut ab, welche müssen ihr Eigenkapitalpolster stärken? Für einige Banken ist das eine reine Zitterpartie, manche – wie die US-Einheit der Deutschen Bank – erhalten klare Hinweise auf gravierende Schwachstellen in ihrer Organisation.

Doch es sollte nicht nur für Banken solche Stresstests geben, findet Ulrich Störk. „Auch Unternehmen aus der Industrie sind erheblichen Risiken ausgesetzt. Dies zeigen die aktuellen Diskussionen zu den Auswirkungen des Klimawandels, Konjunktureinbrüche oder die fortschreitende Digitalisierung“, glaubt der Deutschlandchef von PwC. „Ein Stresstest liefert eine Indikation in die Zukunft, wie robust die Geschäftsmodelle bei bestimmten Szenarien noch wären.“

CFOs sollen Investitionen besser abschätzen

Eine solche Szenarioanalyse als weitere Dienstleistung eines Wirtschaftsprüfers und Beraters bietet PwC seit etwa einem halben Jahr an. Dazu hat PwC Anfang des Jahres auch Nicole Röttmer als Partnerin verpflichtet. Die Gründerin von CO-Firm hat mit ihrem Unternehmen IT-Tools entwickelt, die unter anderem Chancen und Risiken aus dem Klimawandel für Unternehmen und Finanzdienstleister analysieren.

„Wenn es um das Thema Klima geht, sind historisch vor allem Versicherer und Energieversorger daran interessiert, welche Folgen zum Beispiel Wetterextreme für die eigenen Finanzkennzahlen hätten. Aber auch Autokonzerne können vom Klimawandel betroffen sein, wenn beispielsweise der Gesetzgeber neue Richtlinien für den CO2-Ausstoß vorschreibt oder die Quote für Elektroautos in China neuen Wettbewerb schafft“, so Röttmer.

Ganz konkret könnte ein solcher Stresstest so aussehen, dass ein Unternehmen beispielsweise wissen will, welche Folgen eine gewisse Erderwärmung für die Entwicklung des eigenen Gewinns vor Zinsen und Steuern (Ebit) hätte. Dazu würde man drei Szenarien für die nächsten 50 Jahre hochrechnen: Eines, bei dem das Unternehmen einen aktiven Part einnimmt und noch vor dem Wettbewerb eine Investition vornimmt, eines, bei dem man erst abwartet und danach nachzieht und eines, bei dem man gar nichts unternimmt.

Das IT-Tool zeigt die Entwicklung des Ebits abhängig vom Szenario im Zeitverlauf graphisch an. „Die Unternehmen können so evaluieren, wie robust ihr Geschäftsmodell wäre, je nachdem, welche Handlungsoption sie wählen“, sagt Röttmer. CFOs könnten so besser abschätzen, welche Investitionen sich tatsächlich lohnen, glaubt sie.

PwC will Peer-Vergleiche ermöglichen

Fraglich ist allerdings, wie exakt Prognosen für einen so langen Zeitraum tatsächlich sind. „Natürlich können wir nicht ganz genau sagen, wie es in 50 Jahren sein wird, nur für die nächsten zehn Jahre können wir relativ gute Aussagen machen. Aber auch bei dem 50-Jahres-Szenario wird der vorhergesagte Trend in die richtige Richtung gehen und Unternehmen zum Nachdenken anregen“, beschwichtigt PwC-Deutschlandchef Störk.

Außerdem könne man die Entwicklung der eigenen Kennzahlen im Vergleich zur Konkurrenz betrachten. Dazu nutzt PwC öffentliche Szenariodaten, zum Beispiel von Forschungseinrichtungen, sowie Anbieter, die Übersichten über Standorte, Technologieeinsatz oder Investitionsplanungen von Unternehmen auf Basis öffentlich verfügbarer Informationen zusammentragen. „Erst in der Arbeit mit einem Klienten nutzen wir deren Daten und überführen sie in keiner Weise in unseren Datenbestand“, betont Störk.

Digitalisierung macht Stresstest möglich

Möglich machen solche Analysen die technologischen Entwicklungen der vergangenen Jahre, allen voran Analytics-Software, die riese Datenmengen (Big Data) ausliest, miteinander in Verbindung bringt und Muster erkennt. PwC hat viel Geld in solche Tools investiert. So sollen beispielsweise in Zukunft Voll- statt nur Stichpunktprüfungen möglich sein, wenn Maschinen automatisiert große Datenmengen des Unternehmens auslesen und der Mensch dann nur noch von der Software gefundene Auffälligkeiten genauer unter die Lupe nimmt.

Gleichzeitig soll es auch dem Beratungsgeschäft nutzen, wenn bei der Analyse Bereiche ausfindig gemacht werden, die optimiert werden können. In die gleiche Richtung geht auch das im Jahr 2017 eröffnete Experience Center im PwC-Tower in Frankfurt am Main, wo Unternehmen in hippen Räumlichkeiten auf großen Bildschirmen Analysen fahren können.

Ähnliche Angebote hat auch die Konkurrenz. So betreibt KPMG das Insights Center am Frankfurter Flughafen. Für die großen WP- und Beratungshäuser KPMG, PwC, Deloitte und EY („Big Four“) sind die neuen technischen Möglichkeiten eine Chance, ihr Geschäftsmodell breiter aufzustellen und im Beratungsgeschäft zu wachsen.

PwC muss Kundenverluste kompensieren

Die Stresstests sieht Deutschlandchef Störk denn auch als Möglichkeit, den bisherigen Prüfkunden weitere Leistungen anzubieten: „Wenn wir bei einem Mandanten aus der Prüfung herausrotieren müssen, könnten wir ihn danach beim Stresstest begleiten. Wir haben den Vorteil, dass wir das Unternehmen und dessen Geschäftsmodell im Detail kennen.“

Auch bei bestehenden Prüfkunden ist ein Stresstest machbar, sagt Störk: „In einem gewissen Ausmaß machen wir das ja auch schon in der Prüfung. Dort muss der Prüfer nachvollziehen, ob beispielsweise die Szenarioplanung für die Beurteilung von Firmenwerten oder Beteiligungen stimmig ist.“

Da ein Stresstest als prüfungsnahe Leistung gewertet werden würde, wäre er auch unter dem Gesichtspunkt der Trennung von Prüfung und Beratung beim selben Mandanten in der Regel unproblematisch, meint der Deutschlandchef.

Ob ein Stresstest am Ende wirklich eine Prüfungs- oder eine Beratungsleistung ist, hängt wohl von der konkreten Ausgestaltung ab. Die kritischen Stimmen, die bei den Big Four eine zunehmende Vermischung und Prüfung und Beratung zu beobachten glauben, dürften sich dann aber mehren.

Die Nachfrage nach dieser Art der Dienstleistung jedenfalls hat in den letzten Monaten sehr stark zugenommen, sagt Störk: „Ich bin überzeugt, dass das Momentum sogar noch stärker zunehmen wird. Zum einen fordern Aktionäre, dass vorhandene technischen Möglichkeiten genutzt werden, zum anderen fordern Überwachungsgremien wie Aufsichts- und Beiräte relevante Unterlagen zur Ausübung ihrer Überwachungs- und Kontrolltätigkeiten an.“

julia.schmitt[at]finance-magazin.de

Info

Der Wettbewerb unter PwC, KPMG, Deloitte und EY ist enorm. Lesen Sie mehr zu der Entwicklung der einzelnen Geschäftsfelder auf unserer Themenseite zu den Big Four.

Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.