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5 Jahre danach

Illustration Sascha Duis

Man kann sich lange darüber streiten, wie sinnvoll es war, Lehman Brothers in die Pleite zu schicken. Am gestrigen Sonntag jährte sich der spektakuläre Schritt bereits zum fünften Mal. Doch das Problem des Moral Hazards in der Finanzindustrie ist bis heute nicht überzeugend gelöst. Viele Finanzchefs und Treasurer hätten auf die „Lehman-Erfahrung“ liebend gerne verzichtet. Mit Schrecken erinnern sie sich daran, dass namhafte Banken drohten, zugesagte Kreditlinien nicht auszuzahlen. Selbst DAX-Adressen konnten sich zeitweise überhaupt nicht oder nur sehr teuer an den Märkten finanzieren. Die Staatsbank KfW musste beherzt einspringen, weil Banken sich bei Restrukturierungsfällen zurückzogen. Letztlich führte ein großes Maßnahmenpaket dazu, dass der Schaden für die deutsche Wirtschaft überschaubar blieb.

Viele Unternehmen haben ihre Lehren gezogen und ziehen Finanzierungssicherheit seither der kurzfristigen Zinsoptimierung vor. Langfristfinanzierungen über Anleihen und Schuldscheine haben ab 2009 eine starke Konjunktur erlebt. Über eine maßvolle Dividendenpolitik und Working-Capital-Programme haben viele Gesellschaften ihre Innenfinanzierung gestärkt. Auch das Verhältnis mit den Banken hat sich adjustiert: Die Geldinstitute haben den Mittelstand und ihr Brot- und Buttergeschäft Cash Management/Zahlungsverkehr wieder entdeckt. Offen spricht man heute darüber, wie das begehrte Zusatzgeschäft verteilt wird.

Wie gut ist unser Gedächtnis?

Dennoch sind neue Übertreibungen nicht ausgeschlossen. Schon stehen wieder große, möglicherweise riskante M&A-Deals im Raum, die größte Anleiheplatzierung ging erst dieser Tage beim US-Telekommunikationsunternehmen Verizon über die Bühne. PE-Investoren nutzen Recaps, um sich selbst stärker aus dem Risiko zu ziehen. Die PIK-Anleihen in diesem Jahr könnten ein Vorgeschmack auf weitere riskante Finanzierungen sein. Fünf Jahre nach der drohendenden Kernschmelze des Finanzsystems wäre es eine schlechte Nachricht, wenn der Lehman-Schock bereits wieder aus den Köpfen der Marktteilnehmer verschwunden wäre. Auszuschließen ist es nicht.

markus.dentz[at]finance-magazin.de

Markus Dentz ist Chefredakteur von FINANCE und der Fachzeitschrift DerTreasurer. Seine journalistischen Schwerpunktthemen sind Unternehmensfinanzierung, Restrukturierung und Treasury. Nach dem Studium und dem Volontariat beim F.A.Z.-Institut stieß Dentz zur FRANKFURT BUSINESS MEDIA GmbH, einer Tochter der F.A.Z.-Verlagsgruppe und Herausgeberin von DerTreasurer und FINANCE. Mehrfach wurden seine Artikel aus den Bereichen Private Equity und M&A mit Journalistenpreisen ausgezeichnet.