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„Banken droht Ertragsschwund im Kapitalmarktgeschäft“

BCG-Partner Patrick Uhlmann warnt die europäischen Universalbanken, dass sie bis zur Hälfte ihres Gewinns im Kapitalmarktgeschäft verlieren könnten, wenn sie ihr Geschäftsmodell nicht hinterfragen.
Boston Consulting Group

Herr Uhlmann, viele Banken suchen weiter nach einem Geschäftsmodell. Warum müssen sie insbesondere ihren Ansatz im Kapitalmarktgeschäft überdenken, wie ein White Paper aus Ihrem Haus nahelegt?

Die Kosten und Investitionen für regulatorische Compliance und die Kapitalunterlegung steigen weiter signifikant an und können nicht mehr einfach etwa durch einen größeren Risikoappetit in Form eines größeren Handelsbuchs kompensiert werden. Gleichzeitig droht den Banken im Kapitalmarktgeschäft durch neue Wettbewerber ein Ertragsschwund. Bleiben die Häuser untätig, können sie 20 bis 50 Prozent ihres Ergebnisbeitrags des Kapitalmarktgeschäfts einbüßen. Europäische Universalbanken mit Kapitalmarktgeschäft sollten daher ihr gesamtes Geschäfts- und Operating-Modell in diesem Geschäftsfeld auf den Prüfstand stellen.

Wen trifft das besonders?

Man diskutiert und liest derzeit zwar sehr viel über die großen Investmentbanken und Universalbanken. Aber was ist mit den Häusern in der zweiten oder dritten Reihe und deren Kapitalmarktgeschäft? Vor allem diese Banken können sich in Zukunft nicht mehr auf die frühere Ertragskraft ihres Kapitalmarktgeschäfts verlassen.

Ertragspool im Kapitalmarktgeschäft schrumpft

Warum bröckeln die Erträge in dem einstigen Renditebringer?

„Der Ertragspool im deutschen Kapitalmarktgeschäft ist seit 2010 um 1 bis 2 Milliarden Euro auf aktuell rund 9 Milliarden Euro gesunken.“

Das hat mehrere Gründe: Zunächst beobachten wir, dass der Ertragspool im deutschen Kapitalmarktgeschäft seit 2010 um 1 bis 2 Milliarden Euro auf aktuell rund 9 Milliarden Euro gesunken ist. Für die kommenden Jahre gehen wir von einer Seitwärtsbewegung aus.

Gleichzeitig drängen andere und alternative Anbieter auf diesen attraktiven Markt, und das Kapitalmarktgeschäft wird für Banken aufgrund der Regulierung und erforderlichen Technologieinvestitionen immer teurer. Darunter leiden vor allem die mittelgroßen Anbieter, mit im Vergleich zu den führenden Investmentbanken deutlich kleineren Kapitalmarkteinheiten und geringeren Skaleneffekten. 

Welche alternativen Anbieter setzen die deutschen Banken genau unter Druck?

Die Konkurrenz kommt meistens aus dem angelsächsischen Raum. Das sind unter anderem sogenannte Principal-Trading-Firms, Börsen, Datenanbieter, Fintechs und Abwicklungsdienstleister, die sich in die bisher von den Banken abgedeckte Wertschöpfungskette einklinken. 

Kurzfristig relevanter werden jedoch in Großbritannien ansässige Auslandsbanken sein, die im Zuge des Brexits Vertriebseinheiten etwa nach Paris oder Frankfurt verlagern und damit den regionalen Wettbewerb zusätzlich anheizen. Diese neuen Anbieter werden Banken vor allem im Geschäft mit Firmenkunden und institutionellen Kunden unter Druck setzen. 

Das Kapitalmarktgeschäft ist in Deutschland dennoch stark von Banken dominiert. Warum sollen sie Angst vor neuer Konkurrenz haben?

Von Angst würde ich nicht sprechen. Es ist richtig, dass in Deutschland die alternativen Anbieter bisher nur wenige Prozent am Gesamtmarkt haben. In den USA kontrollieren solche Anbieter bereits 10 bis 20 Prozent des Markts. Der Trend zeigt auch hierzulande in diese Richtung, weswegen ihn die hiesigen Banken im Auge behalten sollten. Die Banken sollten diese wertvolle Zeit nutzen und sich fragen, wie sich die Anforderungen ihrer Firmenkunden und institutionellen Kunden mit der Industrie 4.0 oder der Digitalisierung verändern werden. 

Banken müssen Kapitalmarktmodelle neu rechnen

Auch ohne den Druck alternativer Anbieter haben einige Banken im Kapitalmarktgeschäft dieses Jahr Federn gelassen. Die Deutsche Bank schwächelte im Handelsgeschäft und die Commerzbank machte mit mehr Firmenkunden weniger Ertrag. Wie können die Banken diesen Ertragsschwund stoppen?

Wichtiger als die Ergebnisse einzelner schwankungsanfälliger Quartale ist die mittelfristige Betrachtung. Die schlechte Nachricht ist: Es gibt keine einheitliche Blaupause für ein erfolgreiches Kapitalmarktgeschäft. Die gute ist, dass es sehr wohl einen strukturierten Prozess gibt, um die individuell beste Lösung für ein Haus zu finden.

„Es gibt keine einheitliche Blaupause für ein erfolgreiches Kapitalmarktgeschäft.“

Banken sollten ihr komplettes Kapitalmarktgeschäftsmodell neu durchrechnen, dabei die Annahmen zum Ertragspool konservativ, die Kosten für Regulatorik, IT sowie die erforderlichen Kapitalressourcen dagegen höher ansetzen. Dadurch schafft sich eine Bank eine realistische und analytische Grundlage und kann überlegen, ob es umsetzbare Maßnahmen gibt, um ein profitables Zukunftsbild zeichnen zu können. 

Sie fordern von den Banken also eine strengere Selbstkritik. Wo sollten die Häuser den Finger in die Wunde legen?

Die wichtigsten Fragen lauten: Wie kann ich künftig meine wichtigsten und profitabelsten Kunden umfassend betreuen, und wie bediene ich weniger profitable Kunden? Wie muss der Vertrieb folglich organisiert sein, wie effizient muss er arbeiten und wie ist das Zusammenspiel mit Plattformangeboten? Auch gilt es zu klären, welche Lösungen zukünftig für meine Kundengruppen relevant seien werden und ob ich diese Produkte gesamthaft profitabel herstellen kann. 

Die Analyse könnte ergeben, dass eine Bank bestimmte Produkte nicht mehr oder nicht mehr alleine anbieten sollte. Sehen Sie die Banken hier unter Zugzwang?

Ja, denn ein Ergebnis der Ertrags-, Kosten- und Ressourcenanalyse kann sein, dass eine Bank das Geschäftsfeld komplett oder teilweise aufgeben muss, und ihre Kunden dann von einem anderen Anbieter bedient werden. Insbesondere die Analyse der Kundenbedürfnisse kann aber auch nachhaltig profitable Wachstumsfelder offenbaren, in die die Bank dann investieren und für die sie ihre spezifischen Ressourcen gezielt einsetzen kann. 

Bankenkonsolidierung im Kapitalmarktgeschäft

Eine weitere Konsolidierung des Kapitalmarkgeschäfts unter den Banken könnte die Folge sein, richtig?

„Neben einem Anstieg von Outsourcing- oder Insourcing-Deals sind auch Verkäufe einzelner Produktsparten von Banken zu erwarten.“

Ja, die Frage lautet aber: Auf welche Weise findet die erwartete Konsolidierung statt? Neben einem Anstieg von Outsourcing- oder Insourcing-Deals sind auch Verkäufe einzelner Produktsparten von Banken zu erwarten. Die Konsolidierung wird aber auch organisch erfolgen, wenn etwa Firmenkunden zu einer anderen Bank abwandern, weil ihre bisherige Bank ein Kapitalmarktprodukt aufgeben muss.

Mehr Effizienz, weniger Ressourcen und Konsolidierung: Droht den Bankmitarbeitern die nächste Entlassungswelle?

Wir haben zuletzt bereits Stellenstreichungen bei europäischen Universalbanken beobachtet. Im angelsächsischen Bereich wurde zudem an der Vergütungsschraube gedreht. Die Umsetzung einer ergebnisoffenen Analyse des Kapitalmarktgeschäfts wird jedoch noch einen weiteren Stellenabbau erfordern, vor allem im Produktvertrieb und in Abwicklungseinheiten. Gleichzeitig steigt aber auch der Bedarf an neuen Qualifikationen wie analytischen Fähigkeiten und ganzheitlicher Lösungskompetenz.

philipp.habdank[at]finance-magazin.de

Info

Patrick Uhlmann ist Partner und Managing Director der Boston Consulting Group. Sein Beratungsfokus liegt auf CFO- und Finance-Themen, der strategischen Banksteuerung und Capital Markets.