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Deutschlands Banken müssen sich radikal neu erfinden

Mehr Schatten als Licht: Deutschlands Banken verlieren im internationalen Wettbewerb den Anschluss.
iStock/Thinkstock/Getty Images

Die internationalen Wettbewerber haben Deutschlands Banken abgehängt: Die durchschnittliche Eigenkapitalrendite nach Steuern der hiesigen Geldhäuser lag zwischen 2012 bis 2015 bei mageren 2 Prozent. Zum Vergleich: Beim Spitzenreiter USA waren es 9 Prozent. Selbst der seit Jahrzehnten von Niedrigzinsen gebeutelte japanische Bankenmarkt schloss mit durchschnittlich 4 Prozent Eigenkapitalrendite deutlich besser ab.

Das ist das Ergebnis einer Studie der Unternehmensberatung Bain & Company, die die deutsche Bankenlandschaft mit Frankreich, Großbritannien, der Schweiz, USA und Japan vergleicht. In Deutschland hat Bain die Bilanz- und GuV-Strukturen von mehr als 1.700 Kreditinstituten ausgewertet.

Auch auf Einzelbasis ist das Fazit erschreckend: Gerade einmal 5 Prozent der deutschen Banken verdienen ihre Eigenkapitalkosten. „Uns hat selbst überrascht wie sehr deutsche Banken hinterherhinken“, sagt Wilhelm Schmundt, Co-Autor der Studie und Partner bei Bain im Interview bei FINANCE-TV.

Hohe Cost-Income-Ratio: Sparprogramme greifen nicht

Schmundt sieht vier Ursachen für die chronische Renditeschwäche der deutschen Banken. Ursache 1: Trotz diverser Sparprogramme bekommen die deutschen Banken ihr Kostenproblem nicht in den Griff. Die durchschnittliche Cost-Income-Ratio von 69 Prozent wird nur noch von Großbritannien mit 70 Prozent getoppt. Bei Spitzenreiter Japan liegt das Verhältnis von Kosten zu Erträgen bei gerade mal 54 Prozent.

Schmundt fordert deshalb radikale Einschnitte: Deutsche Geldhäuser könnten 30 Prozent ihrer Kostenbasis von insgesamt 90 Milliarden Euro reduzieren. Der Aderlass beginnt gerade erst: „In den kommenden zehn Jahren werden 100.000 der insgesamt 600.000 Stellen verschwinden“, prognostiziert der Berater. Ein Sechstel der Bankjobs würde damit ausradiert.

Bain: Ein Drittel der deutschen Banken wird verschwinden

Ursache 2: Die hohe Abhängigkeit der deutschen Banken vom Zinsüberschuss. Im Schnitt lag der Anteil des Zinsgeschäfts am Rohertrag der deutschen Banken im vergangenen Jahr bei 73 Prozent. In Zeiten, in denen die EZB Strafzinsen erhebt und auch Unternehmensanleihen negative Renditen aufweisen, ist diese Abhängigkeit fatal.

Die Schweizer Institute, die schon länger mit einem ausgeprägten Niedrigzinsumfeld zu kämpfen haben, sind deutlich besser aufgestellt: Bei ihnen macht der Zinsüberschuss gerade einmal 44 Prozent des Rohertrags aus.

Die deutschen Banken haben das Problem erkannt. Seit Jahren arbeiten sie daran, ihr Provisionsgeschäft auszubauen. Doch das scheitert auch am brutalen Wettbewerb – Ursache 3 für die Renditeschwäche. „Es braucht mehr Preisdisziplin in Deutschland“, sagt Berater Schmundt. Eine Konsolidierung der Bankenbranche sei deshalb zwingend notwendig. Bis 2025 werde ein Drittel der heute 1.700 Banken in Deutschland verschwinden. Das gelte nicht nur für Sparkassen und Genossenschaftsbanken: „Auch internationale Zusammenschlüsse sind notwendig“, so Schmundt.

Der deutsche Bankenmarkt ist laut der Bain-Auswertung so fragmentiert wie kein anderer der analysierten Staaten: Der Anteil der Bilanzsumme der Top-5-Banken liegt hierzulande bei 44 Prozent, in den international führenden Bankenmärkten sind es dagegen 75 bis 85 Prozent. Deutsche CFOs freut der hohe Wettbewerb, der im Firmenkundengeschäft zusätzlich durch ausländische Player getrieben wird: Sie haben gegenüber ihren Banken eine immense Verhandlungsmacht.

Nischenplayer mit höheren Eigenkapitalrenditen

Ursache 4: Die mangelnde Fokussierung der Geschäftsmodelle. „Vielen deutschen Banken fehlt ein klares Profil, um sich vom Wettbewerb abzugrenzen“, sagt Schmundt. Zwar werde es weiterhin Universalbanken geben, doch auch diese müssten Schwerpunkte setzen. Als Vorbild für deutsche Institute nennt er etwa den Fokus einiger Schweizer Häuser auf das Asset Management sowie großer französischer Universalbanken auf das Kapitalmarktgeschäft.

Die Forderung der Fokussierung wird auch dadurch untermauert, dass Nischenanbieter innerhalb des deutschen Bankenmarktes am besten abschneiden. Nach den zwei inzwischen fusionierten genossenschaftlichen Zentralbanken WGZ Bank und DZ Bank, die 2015 eine durchschnittliche Eigenkapitalrendite von 7,3 Prozent auswiesen, folgen die Direktbanken (7,1 Prozent), die Automobilbanken (6,6 Prozent) und die Spezialfinanzierer (6,5 Prozent). Letztere umfassen Anbieter von Konsumentenkrediten, Factoring-Lösungen sowie Absatz- und Mittelstandsfinanzierung.

Nun kann eine Großbank kein Nischenplayer werden. Dennoch können Deutschlands Bankchefs von diesen Anbietern lernen, wenn sie international den Anschluss nicht komplett verlieren wollen.

desiree.backhaus[at]finance-magazin.de