Herr Beumer, nach ihrem kurzen Gastspiel bei der Privatbank Oddo BHF hat es Sie wieder in eine Großbank gezogen. Hatten Sie noch Kontakte aus Ihrem ersten Engagement bei der Hypovereinsbank, das Mitte 2005 endete?
Damals habe ich noch nicht im Firmenkundengeschäft, sondern im Private Banking gearbeitet. Aber nicht nur deshalb gab es kaum noch Kontakte aus dieser Zeit, die mir jetzt hätten helfen können. Die Bank hat sich in den vergangenen vierzehn Jahren extrem verändert.
Inwiefern ist die Bank heute anders als damals?
Die Hypovereinsbank hat sich sehr positiv entwickelt und ist als Teil der Unicredit heute viel internationaler und auch jünger. Sehen Sie sich nur einmal den Vorstand an: Dort sind vier Nationalitäten vertreten, und mit 54 Jahren bin ich sogar einer der Ältesten (lacht). Das prägt auch die Art, wie wir arbeiten. Der Kundenfokus etwa ist heute noch stärker als früher.
Wie verlief Ihr neuerlicher Start bei der Hypovereinsbank?
Ich habe zunächst einmal viel Zeit investiert, um in allen Regionen persönliche Gespräche mit Mitarbeitern, Führungskräften und Kunden zu führen. Darauf aufbauend, haben wir ein Stärken-Schwächen-Profil für das Firmenkundengeschäft erstellt und daraus einige Maßnahmen abgeleitet, um unser Geschäft weiter auszubauen. Diese sind eingebettet in die gruppenweite Strategie der Unicredit, die wir sehr erfolgreich umsetzen. Nach nur 70 Tagen konnten wir bereits mit der Umsetzung unserer Initiativen beginnen.
Markus Beumer will Prozesse bei der HVB verbessern
Das ging ja schnell. Uns interessieren natürlich die Schwächen.
Zuerst zu den Stärken: Neben qualitativ hochwertigen Produkten haben wir sehr viele hochqualifizierte Mitarbeiter: nicht nur auf der Produkt-, sondern auch auf Kundenberaterseite. Erfahrene Spezialisten, die täglich komplexe Probleme für Kunden lösen. Allerdings können wir auf der Prozessseite noch effizienter und schneller werden. Denken Sie etwa an Themen wie die Kontoeröffnung oder schlanke Kreditprozesse.
Können Sie ein konkretes Projekt nennen?
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ein wichtiger Meilenstein für uns war die Einführung der digitalen Unterschrift. Dadurch können Unternehmer künftig online Konten eröffnen und Kredite abschließen. Wir haben das in den vergangenen Monaten aufgesetzt und beginnen nun mit der Einführung.
Die Hypovereinsbank deckt trotz mehrerer Initiativen in der Vergangenheit Deutschland nicht flächendeckend ab. Richtig?
Bei den Marktanteilen haben wir noch ein Ungleichgewicht: Wir sind stark im Süden, stark im Norden, aber dazwischen noch nicht so präsent. Das betrifft speziell den klassischen und den gehobenen Mittelstand. In diesem Bereich haben wir in einigen Gegenden noch eine relativ niedrige Marktdurchdringung.
„Bei den Marktanteilen haben wir noch ein Ungleichgewicht.“
Und wie wollen Sie das ändern?
Zunächst stärken wir dort unsere Präsenz. Unser Wachstumsfokus liegt auf den Regionen rund um das nördliche Hessen bis runter nach Baden sowie auf Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Dort prüfen wir deshalb gerade die Möglichkeit, unser Niederlassungsnetz auszuweiten. Wir werden auch nach Bremen zurückkehren, wo wir nach dem Verkauf unserer ehemaligen Tochter Bankhaus Neelmeyer an die Bremer Kreditbank im Jahr 2016 nicht mehr vor Ort sind.
Wer soll diese Ziele erreichen? Das geht sicher nicht nur mit bestehendem Personal, oder?
Richtig. Wir stellen insbesondere in den Wachstumsregionen auch neue Firmenkundenberater ein. Und wir verstärken das Führungsteam. Beispielsweise sind zum 1. Juli Daniel Dalter und Stephan Hemmerich von der Deutschen Bank zu uns gewechselt. Dalter hat die Leitung der Region West und damit von Nordrhein-Westfalen Anfang Juli von André Zentsch übernommen. Zudem verantwortet Stephan Hemmerich die Region Ost, so dass sich Jörg Frischholz künftig ausschließlich der Region Nord und damit Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bremen widmen kann.
Allerdings hat die Hypovereinsbank im Geschäftssegment Commercial Banking in den vergangenen Jahren auch massiv Stellen abgebaut. Aus 8.800 im Jahr 2014 wurden 6.100 im Jahr 2018. Wie passt das mit einer Wachstumsoffensive zusammen?
Effizienz wird auch im Firmenkundengeschäft natürlich weiterhin ein Schlüssel zum Erfolg sein. Selbst wenn wir neue Mitarbeiter einstellen, würde ich nicht sagen, dass die Mitarbeiteranzahl insgesamt wächst. Vieles, was jahrelang manuell gemacht wurde – vom Bearbeiten der Überweisungsträger über die Kontoeröffnung bis zur Dokumentenprüfung im Trade-Finance-Bereich – läuft heute in Teilen automatisiert. Entsprechend fand der Stellenabbau im Rahmen unserer Strategie Transform 2019 vor allem in Bereichen ohne direkten Kundenkontakt statt.
Markus Beumer: Absage an Commerzbank-Übernahme
Ihr Haus wurde zuletzt immer wieder mit der Commerzbank oder dem Firmenkundengeschäft der BayernLB in Verbindung gebracht. Die Neukundenziele könnten Sie durch die Übernahme einer größeren Bank schneller erreichen. Zudem kennen Sie die Commerzbank als ehemaliger Vorstand sehr gut …
Unser gruppenweiter Strategieplan basiert auf organischem Wachstum. Das hat auch Unicredit-CEO Jean Pierre Mustier mehrfach betont. Mit Blick auf Deutschland kann ich sagen, dass wir mit unserer 150-jährigen Tradition im deutschen Markt in einer starken Position sind, um aus eigener Kraft weiterzuwachsen. Dabei sind wir hochprofitabel.
Alleine steht die Hypovereinsbank auch nicht so schlecht da. In unserem aktuellen Banken-Survey, für den wir rund 170 Finanzentscheider aus Unternehmen befragt haben, belegt die HVB im Firmenkundengeschäft den dritten Platz, mit etwas Abstand zu Commerzbank und Deutscher Bank. Geben Sie sich mit dem dritten Platz mittelfristig zufrieden?
Unsere Wachstumsinitiativen zielen in erster Linie auf den breiten Mittelstand ab. Da Sie in Ihrer Umfrage hauptsächlich größere Mittelständler und Konzerne befragen, wird sich dieses Ranking kurzfristig vermutlich nicht ändern. Da wir in den genannten Expansionsgebieten derzeit noch nicht so präsent sind wie in unseren Stammgebieten, ist der dritte Platz aktuell in Ordnung, zumal er zeigt, dass für uns noch Potential besteht, unsere Marktposition weiter auszubauen. Langfristig wollen wir deutschlandweit ganz nach vorne. Dafür müssen wir das Geschäft mit bestehenden Kunden ausbauen und natürlich auch neue Kunden von den Stärken der Bank überzeugen und für uns gewinnen.
„Wir wollen auf der Prozessseite noch effizienter und schneller werden.“
Mehr Kunden bedeuten nicht automatisch mehr Profit, wie man bei anderen Banken sehen kann. Was wollen Sie anders machen?
Viele Mittelständler brauchen etwa im Zahlungsverkehr oder im internationalen Geschäft heute einen viel umfangreicheren Service als früher. Natürlich gehen wir auch den klassischen Weg mit dem Ziel, uns mittelfristig als stabiler und verlässlicher Bankpartner zu etablieren: Das heißt, wir vergeben einen Kredit und sind dann zur Stelle, wenn etwa ein Kapitalmarktgeschäft oder eine M&A-Transaktion ansteht. Das kann manchmal Jahre dauern. Der Ansatz erfordert Geduld und Durchhaltevermögen, was wir in der Unicredit aber mitbringen.
Im Fremdkapitalmarktgeschäft und der M&A-Beratung wurde Ihr Haus nicht als Top-Adresse genannt. Überrascht Sie dieses Ergebnis?
Es deckt sich nicht zu 100 Prozent mit meiner Wahrnehmung. Bei Anleihen und Schuldscheinen gehören wir im deutschen Markt definitiv zu den Marktführern. Und auch bei M&A sind wir zumindest nach der Zahl der begleiteten Transaktionen nahezu durchgängig in den Top 5. Aber wir müssen die Ergebnisse natürlich ernst nehmen. Eine mögliche Erklärung für das Umfrageergebnis wäre, dass wir in den Wachstumsregionen tendenziell mehr Kunden haben, die bisher kaum Kapitalmarktgeschäft nutzen. Vielleicht sind wir dort deshalb noch nicht so sichtbar.
Die befragten Finanzentscheider attestierten der HVB eher gute Noten bei klassischen Unternehmenskrediten oder im Cash Management.
Ja, das bestärkt uns auf unserem Weg. Das Kreditgeschäft ist und bleibt eines unserer Kerngeschäftsfelder, und im breiten Mittelstandsgeschäft ist der Profitabilitätstreiber ohnehin weniger das Kapitalmarktgeschäft. Viel wichtiger sind häufig klassische Produkte wie der Zahlungsverkehr oder auch die Handelsfinanzierung. Dort lassen sich auch stabile Erträge und eine gewisse Rendite generieren.
Markus Beumer betont Risikodisziplin im Kreditgeschäft
Trotzdem hat die HVB wie alle Banken auf den Margenverfall im Kreditgeschäft auch mit einer milliardenschweren Ausweitung des Kreditbuchs reagiert, vor allem im Commercial Banking. Verschlechtert sich dadurch nicht Ihre Portfolioqualität?
Nein, denn wir halten auch weiter an unserer strikten Risikodisziplin fest. Ein Teil des Kreditwachstums im Commercial Banking kommt zudem aus der besicherten Immobilienfinanzierung, vor allem mit Privatkunden.
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Auch bei Ihnen in der Unternehmerbank?
Nein, hier kommt das stärkste Wachstum durch klassische Unternehmenskredite. Es gibt Sektoren wie die Gesundheitsbranche, in denen das organische Wachstum relativ hoch ist. Ein wichtiger Wachstumstreiber ist außerdem die Nachfolgefinanzierung, sowohl über Strategen als auch Private Equity. Wir haben für dieses Thema in allen Regionen Spezialisten etabliert und begleiten viele Unternehmen in Nachfolgesituationen – auch bei einem möglichen Verkauf des jeweiligen Unternehmens. Dann stellen wir oft auch die Finanzierung bereit. Das hat das Kreditwachstum schon stark getrieben.
Wir haben für Sie zum Abschluss noch eine Frage mit der Bitte um eine kurze Antwort. Was sind für Sie die drei wichtigsten Ziele, die Sie im Firmenkundengeschäft verfolgen wollen?
Mehr Neukunden für uns gewinnen, bestehende Kunden weiter vertrauensvoll und langfristig auf ihrem Weg begleiten und noch mehr Schnelligkeit und Effizienz in unseren Prozessen.
Info
Markus Beumer
Der 54-jährige Firmenkundenbanker ist seit Dezember 2018 Chef der Unternehmerbank der Hypovereinsbank und damit verantwortlich für deren deutsches Firmenkundengeschäft. Zuvor leitete er viele Jahre lang die Mittelstandsbank der Commerzbank, ehe er das Geldhaus 2016 verließ und bei der deutsch-französischen Privatbank Oddo-BHF anheuerte. Seine Karriere begann Beumer 1991 bei der Deutschen Bank.