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Senior Unsecured Debt bald nicht mehr Senior?

Stehen die Investoren von unbesicherten Bankanleihen bald mit leeren Taschen da? Ein neues Gesetz soll Senior Unsecured Debt künftig im Rang hinter klassische Bankeinlagen und Derivate stellen.
Kenishirotie / iStock / Thinkstock / Getty Images

Der Bundestag plant in Kürze ein neues Gesetz auf den Weg zu bringen, das den Markt für unbesicherte Bankforderungen (englisch: Senior Unsecured Debt) grundlegend verändern könnte. Laut der Ratingagentur Scope soll dieses Gesetz Investoren von unbesicherten Bankforderungen im Rang hinter Kundeneinlagen und Derivate stellen.

Sollte eine Bank künftig in Schieflage geraten, müsste nicht der Steuerzahler mit seinen Ersparnissen, sondern zuerst die Investoren mit ihren nachrangigen Bankanleihen bluten. Der Gesetzgeber spricht in diesem Zusammenhang vom sogenannten „Bail-in“. Das Gesetz würde aber auch Unternehmen zu Gute kommen, da deren Bankeinlagen dann besser geschützt wären. Zwar müsste die höhere Sicherheit nach der Kapitalmarktlogik zu einer niedrigeren Verzinsung führen. Angesichts des anhaltend niedrigen Zinsumfeldes dürfte sich für Unternehmen an den Konditionen aber wenig ändern.

Für Investoren steigt das Risiko

Bei den Bankanleihen sieht das ganz anders aus: Für Investoren würden diese Anleihen mit einem Schlag riskanter werden. „Investoren müssten damit rechnen, dass ihre Papiere bei einem Bail-in betroffen sein können“, sagt der leitende Bankenanalyst bei Scope, Sam Theodore. Im Gegensatz zu den Einlagen dürfte hier nach den üblichen Kapitalmarktregeln gespielt werden. Sprich: Die Investoren lassen sich das höhere Risiko mit einer höheren Prämie entschädigen. Und der Markt war hier offenbar schnell: „Es scheint, dass der Großteil der Preisanpassungen bereits erfolgt ist“, sagt Theodore.

Die Reaktionen der Ratingagenturen erfolgen üblicherweise zeitversetzt. Ein Scope-Sprecher sagte gegenüber FINANCE, dass Rating-Herabstufungen „grundsätzlich möglich sind“, jedoch könne derzeit keine pauschale Aussage über die Wahrscheinlichkeit getroffen werden. Sollten Bankanleihen das Investmentgrade-Rating verlieren – was angesichts der zuletzt erfolgten umfangreichen Downgrades der Bankenratings keine Überraschung wäre – würde sich dadurch der Investorenkreis verkleinern, da bestimmte Investoren wie zum Beispiel Versicherer durch ihre Statuten nur in bestimmte Risikoklassen investieren dürfen.

Für Banken wird die Refinanzierung teurer

Die Bail-in-Initiative kommt den deutschen Banken ungelegen, wie ein Blick auf die aktuellen Preise von Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps) für Bankenanleihen wirft. Laut Angaben des Deutschen Derivate Verbands (DDV) sind die CDS-Spreads vieler deutscher Banken im europäischen Vergleich bereits hoch. Höhere Spreads würden noch höhere Refinanzierungskosten bedeuten und die deutschen Banken im europäischen Wettbewerb schwächen. Gerade in Zeiten eines harten Wettbewerbs im Firmenkundengeschäft wäre das für die deutschen Banken ein herber Dämpfer.

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Credit Default Swaps und Ratings der Banken

Quelle: Deutscher Derivate Verband, Stand 05.10.2015

Das neue Gesetz würde den Banken freilich auch einen großen Vorteil bei den neuen EU-Mindestkapitalvorschriften (MREL) bringen. Diese fordern von Banken, dass das Eigenkapital und bestimmte Fremdkapitalinstrumente in der Summe mindestens 8 Prozent der Bilanzsumme ausmachen müssen. Laut Scope dürfen nach dem neuen Gesetz die dann nachrangigen Bankanleihen der MREL-Masse angerechnet werden.

Gleichzeitig würden durch die strikte Trennung die Einlagen nicht unter die MREL-Masse fallen und damit im Falle eines Bail-in auch nicht angerührt werden. Laut Scope sei das entscheidend, um die Geschäftsbeziehung zu den Unternehmen nicht zu stören.

Sollte das Gesetz in dieser Form beschlossen werden, würde Deutschland eine Vorreiterrolle einnehmen, an der sich laut Scope die anderen europäischen Länder und Regulierer orientieren werden. Es sei zu erwarten, dass „die Planungssicherheit für Banken und Investoren in den kommenden Wochen und Monate weiter zunimmt“.

Neue Kernkapitalquoten für europäische Banken?

Unsicherheit besteht derweil auch bei einem weiteren aufsichtsrechtlichen Thema – den von der Europäischen Zentralbank (EZB) geforderten Zuschlägen auf die Kernkapitalquoten wichtiger Banken. Laut einem Bericht der Wirtschaftswoche muss sich ein Großteil der großen europäischen Geldhäuser auf höhere Mindestquoten beim harten Kernkapital einstellen. Das Blatt bezieht sich auf mit der Sache vertraute Personen, laut denen die EZB bereits Quoten für das harte Kernkapital zwischen 9 und 12 Prozent beschlossen hätte. Die EZB will dies derzeit nicht kommentieren.

Sam Theodore hält neue Kapitalauflagen in dieser Größenordnung für durchaus realistisch, sieht für die meisten europäischen Banken dadurch aber wenig bis gar keine Probleme, da viele Geldhäuser inzwischen dank der strengen Bankenregulierung in deutlich besserer Verfassung seien als noch vor Krisenzeiten – sowohl auf Kapital- als auch auf Liquiditätsseite. „Zudem sind die Geschäftsmodelle ausgeglichener, und die Risikokultur ist konservativer geworden“, sagt Theodore und ergänzt: „Die Älteren unter uns möchten manchmal ‚Beruhigt-euch-Nachrichten‘ aussenden: Der Himmel stürzt nicht ein – jedenfalls nicht, weil europäische Banken wegen unzureichender Kapitalausstattung von ihren Regulierern dicht gemacht werden.“

philipp.habdank[at]finance-magazin.de