Mitten in die Fusionsverhandlungen der Deutschen Bank und der Commerzbank platzt offenbar ein dritter Player: Berichten der „Financial Times“ und Reuters zufolge soll die italienische Unicredit Interesse an einer Übernahme der Commerzbank bekundet haben. Financial Times und Reuters berufen sich bei ihren Informationen jeweils auf mit der Angelegenheit vertraute Personen.
Zu den Gerüchten wollten sich die Unicredit und die Commerzbank FINANCE gegenüber nicht äußern. Den Berichten zufolge soll die Unicredit für die Commerzbank ein Übernahmeangebot in Milliardenhöhe vorbereiten. Ziel sei es, eine Beteiligung aufzubauen, die der Unicredit die Kontrolle über die Commerzbank sichere, aber nicht in einer Komplettübernahme der Bank münde.
Der Sitz der fusionierten Bank solle in Deutschland sein, während der Mutterkonzern Unicredit seine Zentrale in Mailand behalten würde, heißt es weiter. Die Unicredit, die 2005 die Hypovereinsbank übernommen hat, könnte die Commerzbank demnach mit ihrer deutschen Tochter verschmelzen.
Unicredit wohl schon länger an Commerzbank interessiert
Es ist nicht das erste Mal, dass Berichte über ein Interesse der italienischen Großbank an der Commerzbank kursieren: Bereits 2017 liebäugelte sie Medienberichten zufolge mit einer Übernahme. Die Italiener dementierten die Gerüchte damals mit dem Verweis darauf, dass eine solche Übernahme nicht gegen den Widerstand der Bundesregierung durchzuführen sei. Der Bund hält seit der Finanzkrise 2009 rund 15 Prozent an der Commerzbank.
In die laufenden Fusionsgespräche zwischen Commerzbank und Deutsche Bank wolle sich die italienische Großbank aber nicht einmischen, so die Insider. Falls diese allerdings scheitern sollten und es nicht zu einer wie auch immer ausgestalteten Fusion der beiden deutschen Banken käme, stünde die Unicredit den Insidern zufolge mit einer Offerte bereit.
Deutsche Bank und Commerzbank vor Entscheidung
Und das könnte dann schon bald der Fall sein: Ursprünglich wollten die beiden deutschen Banken Ende April bekannt geben, ob die Fusionsgespräche intensiviert oder doch wieder abgebrochen werden. Aber einem Bericht der „Wirtschaftswoche“ zufolge, die sich unter anderem auf ein Vorstandsrundschreiben der Commerzbank beruft, werden die Banken schon am kommenden Dienstag eine Aussage dazu machen. Laut „Süddeutsche Zeitung“ könnte es sogar schon dieses Wochenende soweit sein. Seit Mitte März führen die beiden deutschen Großbanken offiziell ergebnisoffene Gespräche über einen eventuellen Zusammenschluss.
Die Gespräche stocken aber offenbar immer wieder: Zuletzt war durchgesickert, dass die beiden Institute unterschiedliche Ansichten über Dringlichkeit und Geschwindigkeit des möglichen Zusammenschlusses haben. Während die Deutsche Bank sich offenbar mehr Zeit nehmen will, drückt die Commerzbank aufs Tempo.
HVB und Commerzbank würden sich gut ergänzen
Für die Deutsche Bank wäre ein Zusammenschluss der HVB und der Commerzbank ein schwerer Schlag, würde sie auf dem Heimatmarkt dann doch eine neue große Konkurrenz erhalten. Fraglich ist außerdem, welche Alternativen die Deutsche Bank sonst hätte, um aus der Krise zu kommen.
Für die Unicredit wäre eine Übernahme hingegen ein wichtiger Schritt, um die Position in Deutschland zu stärken. Nach dem Kauf der HVB hatte die Bank das Filialnetz eingedampft und zahlreiche Jobs gestrichen. Die HVB konzentriert sich inzwischen vor allem auf die Regionen Bayern und Hamburg. Daher würden sich die Geschäfte der HVB und der Commerzbank gut ergänzen, sagten Insider gegenüber der Financial Times. Die Geschäfte der Commerzbank und der Deutschen Bank hingegen überschneiden sich stärker, was auch zu einem großen Stellenabbau nach einer Fusion führen dürfte.
Auch dürfte eine Übernahme für die Unicredit leichter zu stemmen sein. Mit einer Marktkapitalisierung von rund 27 Milliarden Euro ist sie rund 11 Milliarden Euro schwerer als die Deutsche Bank. Der Börsenwert der Commerzbank beläuft sich aktuell auf rund 9 Milliarden Euro. Ob Berlin aber einen Verkauf der Commerzbank nach Italien nebst einem damit verbundenen Stellenabbau positiv begleiten würde, steht auf einem anderen Blatt.
Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.