Vor rund einem Monat hatte die „Wirtschaftswoche“ Bastei Lübbe „kreative Bilanzierung“ vorgeworfen. Die Redakteure des Magazins hatten detailliert ausgeführt, an welchen Stellen des Jahresabschlusses der Kölner Verlag dank eines umstrittenen M&A-Deals Millionengewinne aufdeckte, deren Substanz das Wirtschaftsmagazin anzweifelte.
Bastei Lübbe hatte sich heftig gewehrt und Bilanzierungsfehler abgestritten – jetzt muss CEO und CFO Thomas Schierack sie doch zugeben. Der Vorstand habe wegen eines geänderten Bilanzierungsansatzes beschlossen, den vor kurzem veröffentlichten Konzernabschluss zu ändern, schreibt Bastei Lübbe in einer Ad-Hoc-Mitteilung.
M&A-Deal mit Blue Sky ermöglicht Bastei Lübbe Sondergewinn
Konkret geht es um Folgendes: Im Juli schrieb die „Wirtschaftswoche“, dass Bastei Lübbe durch den Verkauf von Anteilen an den Tochterunternehmen Oolipo und Daedalic Entertainment an die Firma Blue Sky Tech Ventures seine Bilanz geschönt habe.
Bastei Lübbe erklärte, dass hinter Blue Sky externe Investoren stehen, die in Technologie-Beteiligungen investieren. Doch den Recherchen des Magazins zufolge soll es sich bei Blue Sky um eine Briefkastenfirma mit Sitz in London handeln, die erst wenige Tage vor dem Deal gegründet wurde. In ihrem Portfolio befänden sich nur die zwei Bastei-Lübbe-Beteiligungen.
Für Bastei Lübbe hatte der Deal aber erhebliche positive Folgen: Durch den Teilverkauf konnte der börsennotierte Verlag die Anteile zum Fair-Value-Ansatz neu bewerten und so Sondererträge verbuchen. Der Magazinbericht suggerierte aber, dass Bastei Lübbe die Beteiligungen faktisch an sich selbst verkauft habe. Nach diesen Anschuldigungen stürzte die Aktie ab.
Bastei Lübbe beherrscht Blue Sky Tech Ventures
Bastei Lübbe hatte die Vorwürfe vehement zurückgewiesen: „Sämtliche Bilanzierungsmaßnahmen sind durch die internationalen Bilanzierungsvorschriften IFRS verbindlich vorgeschrieben und werden darüber hinaus kontinuierlich von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG geprüft und testiert“, sagte der Konzern. Auch Vorstandschef Schierack wies die Vorwürfe in Interviews zurück.
Doch jetzt muss das Unternehmen zurückrudern: Nach Erscheinen des Artikels schaute KPMG sich die Transaktion noch einmal an – und änderte seine Meinung. Nach Ansicht von KPMG beherrscht Bastei Lübbe den Käufer Blue Sky Tech Ventures nun doch. „Es handelt sich dabei aber nur um eine rein bilanzielle Verfügungsgewalt, denn Bastei Lübbe hält keinerlei Anteile an der Firma“, erklärte Schierack heute Mittag gegenüber FINANCE.
Diese bilanzielle Verfügungsgewalt komme aufgrund einer speziellen Vertragsausgestaltung zustande. So hat sich Bastei Lübbe laut Schierack diverse Rechte vertraglich zusichern lassen, zum Beispiel das Recht, neue Käufer für den von Blue Sky erworbenen Anteil abzulehnen sowie die Zusage, dass nach einem Weiterverkauf Mehrerlöse an Bastei Lübbe abgeführt werden müssen. Welcher Anteil an den Mehrerlösen Bastei Lübbe zusteht, konnte der Konzern nicht sagen. Die Vorwürfe, wonach Bastei Lübbe die beiden Beteiligungen faktisch an sich selbst verkauft habe, weißt Schierack auch gegenüber FINANCE erneut zurück.
Laut IFRS 10 führen derartige Bedingungen in der Regel dazu, dass von einer Beherrschung die Rede ist. Trotzdem hat KPMG in den Prüfungen der beiden jüngsten Jahresabschlüsse von Bastei Lübbe jeweils testiert, dass keine Beherrschung vorliegt.
Bastei Lübbe prüft Schadensersatzansprüche gegen KPMG
Die späte Kehrtwende von KPMG hat große bilanzielle Folgen: Da Bastei Lübbe Blue Sky Tech Ventures nun scheinbar doch beherrscht, müssen die beiden Beteiligungen wieder voll konsolidiert werden. Sie dürfen nicht mehr nach Fair Value bewertet werden, sondern nach Anschaffungskosten.
Und das drückt die Zahlen von Bastei Lübbe: Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) für die Geschäftsjahre 2014/2015 und 2015/2016 dürfte insgesamt um etwa 13 bis 15 Millionen Euro niedriger ausfallen, kalkuliert Schierack. Konkret bliebe für das Geschäftsjahr 2014/2015 ein Ebitda von schätzungsweise 10 bis 11 statt bisher 17,7 Millionen Euro übrig. Für 2015/2016 dürfte das Ebitda von 14,9 auf nur noch 7 bis 9 Millionen Euro zurückgehen.
Laut KPMG sei die Komplexität der Bilanzierungsregeln Schuld. Tatsächlich gilt die Bilanzierung nach IFRS als komplex und führt nicht selten zu Fehlern. Allerdings erscheint es angesichts der umfangreichen Rechte, die sich Bastei Lübbe vertraglich zugesichert hatte, verwunderlich, dass KPMG eine Beherrschung lange Zeit nicht zu erkennen glaubte. KMPG, mit dem fehlgeschlagenen Verkauf des Flughafens Hahn sowie einem angeblich fehlerhaften Sanierungsgutachten bei den P+S-Werften derzeit ohnehin schwer unter Beschuss, droht nun der nächste öffentlich brisante Streit mit einem Klienten. KPMG wollte keine Stellungnahme abgeben.
Schierack bezeichnet die zwei falschen Testate von KPMG als großes Ärgernis. “Wir hätten KPMG auf die Erteilung des Testats verklagen können, haben uns aber dagegen entschieden“, gibt er gegenüber FINANCE zu Protokoll. Offenbar will Schierack so schnell wie möglich einen Schlussstrich unter die Angelegenheit ziehen. Aus dem Schneider ist KPMG damit aber nicht. Stattdessen werde Bastei Lübbe aber prüfen, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, so Schierack.
Die Investoren reagieren erstaunlich gelassen auf die Bilanzierungsproblematik: Sowohl die Aktie als auch die in Kürze auslaufende Mittelstandsanleihe von Bastei Lübbe erleiden nur leichte Verluste. Die Kursabschläge nach dem Erscheinen des WiWo-Artikels waren deutlich größer gewesen.
julia.schmitt[at]finance-magazin.de
Info
Alles über die Karriere des Bastei-Lübbe-Vorstands finden Sie in unserem FINANCE-Köpfe-Steckbrief zu Thomas Schierack.
Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.