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EY will rund 1 Milliarde Euro in Digitalisierung pumpen

Ernst & Young ist mit Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung groß geworden – inzwischen ist die Unternehmensberatung der größte Wachstumstreiber.
Ernst & Young

Herr Waldersee, Sie waren seit 2002 im Vorstand von Ernst & Young, seit 8 Jahren leiten Sie die Region Deutschland, Schweiz und Österreich, in den letzten fünf Jahren waren Sie Vorsitzender der Geschäftsführung in Deutschland. Ende Juni geben Sie die Posten ab und wechseln in den Aufsichtsrat. Ihre Nachfolge werden mit Julie Teigland und Hubert Barth gleich zwei Personen antreten. War der Job alleine nicht mehr zu schaffen?
Auf EY kommen in Zukunft große Aufgaben zu. Sie ergeben sich aus den gewaltigen Herausforderungen, die die digitale Wirtschaft nicht nur unseren Kunden, sondern auch unserem eigenen Berufsstand abverlangt.  Hinzu kommt das in allen Bereichen veränderte regulatorische Umfeld, dazu gehört auch die Pflicht zur Prüferrotation. Hubert Barth ist als Country Managing Partner das Gesicht im deutschen Markt. Er ist auch der Garant, dass wir unsere Marktführerschaft im Mittelstand weiter ausbauen. Julie Teigland hingegen verantwortet als Regional Managing Partnerin der Dach-Region die Entwicklung und operative Umsetzung der regionalen Strategie. Hier geht es in besonderer Weise um die weitreichenden Aufgabenstellungen angesichts der rasanten digitalen technologischen Entwicklungen – Stichwort Digitalisierung – aber auch um den weiteren Ausbau unserer Branchenkompetenzen und Sektor-Strukturen in der Region.

Von der Digitalisierung spricht im Moment jeder, doch viele scheuen sich vor Veränderungen. Wie will EY das Thema konkret anpacken?
EY beleuchtet zur Zeit in allen Bereichen, welche Veränderungen sich aus der Digitalisierung auch für das eigene Geschäftsmodell ergeben. Auf globaler Ebene investieren wir jenseits der Milliardengrenze. Wir investieren beispielsweise in neue Analysetools, mit denen wir große Datenmengen anstatt nur Stichproben in kurzer Zeit prüfen können. Das Geld fließt in Digital Labs, die über große Rechenkapazitäten verfügen, aber auch in die Rekrutierung von Spezialisten, die die entsprechenden Technologien beherrschen. Gleichzeitig qualifizieren wir durch intensive Schulungen auch die Mitarbeiter, die bereits an Bord sind. Jeder Prüfer und Berater muss am Ende das entsprechende Know-How besitzen.

Waldersee: „EY ist breiter aufgestellt als McKinsey, BCG oder Bain“

Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung machen derzeit 70 Prozent des Umsatzes aus, doch das zweistellige Wachstum kommt aus der Transaktions- und Managementberatung. Ist die Digitalisierung auch hier Wachstumstreiber?
Ja, auf jeden Fall. Die digitale Transformation der Geschäftsprozesse ist für viele Unternehmen eine Mammutaufgabe, bei der unsere Berater sie unterstützen – und zwar kompetenzübergreifend.

Auf diesem Feld stehen Sie in starker Konkurrenz mit den großen Unternehmensberatungen wie McKinsey, BCG oder Bain.
McKinsey, BCG oder Bain sind vorwiegend Strategieberater. EY ist in ihrer Beratungskompetenz sehr viel breiter aufgestellt. Und genau dieser Breite bedarf es, um die Unternehmen in ihren Transformationsprozessen zu unterstützen. Das beginnt mit der Überprüfung der jeweiligen Unternehmensstrategie und führt zur Unterstützung bei der Transformation des Geschäftsmodells und der Wertschöpfungsketten. Hinzu kommt in der Regel die Anpassung der IT Infrastruktur und die Neuausrichtung des Datenmanagements. Da sind Kenntnisse und Erfahrungen gefragt, die sie bei uns nicht nur in der Advisory Praxis, sondern quer über alle Servicebereiche finden. Die Digitalisierung zwingt außerdem viele Unternehmen, sich neu aufzustellen. Deshalb beobachten wir heute auch eine große Belebung des M&A und Transaktionsgeschäftes.

Da stehen Sie wiederrum in Konkurrenz zu den kleinen, aber spezialisierten M&A-Beratungen.

Was uns von diesen spezialisierten Beratungen klar unterscheidet, ist, dass wir ganzheitlich beraten können. Es geht in den diskutierten Transformationsprozessen nicht um isolierte Beratungsprodukte, sondern um vielschichtige und komplexe Lösungen. Lassen Sie mich kurz ausholen. EY ist traditionell in vier Service-Lines organisiert: Wirtschaftsprüfung und prüfungsnahe Beratung, Steuer- und Rechtsberatung, Transaktionsberatung und Managementberatung. In den vergangenen Jahren haben wir darauf hingewirkt, dass über die Grenzen der Bereiche sehr eng zusammengearbeitet wird. Dadurch können wir zu den Kunden Beratungsteams bieten, die aus Spezialisten all unserer vier Bereiche und der verschiedenen Branchenteams bestehen, und so die beste Beratungsleistung anbieten. Weder die kleineren spezialisierten Unternehmensberatungen, noch die großen Strategieberatungen können solche Beratungsteams stellen.

Georg Waldersee glaubt an die Zukunft des Wirtschaftsprüfer-Jobs

Um den Kunden die besten Beratungsteams schicken zu können, müssen Sie aber den besten Nachwuchs rekrutieren – und das trotz des Fachkräftemangels. Diesen spürt bestimmt auch EY.
Über Nachwuchsmangel können wir bei EY nicht klagen. Aber es ist richtig, dass die Attraktivität des Wirtschaftsprüferberufs in der Wahrnehmung zuletzt gelitten hat. Dabei hat sich das gesuchte Profil des Wirtschaftsprüfers, seitdem ich bei EY beziehungsweise früher Arthur Andersen bin – also seit rund 35 Jahren – stark gewandelt. Früher waren die Wirtschaftsprüfer eher generalistisch geprägt. Inzwischen sind die Fragestellungen im Bereich der internationalen Rechnungslegung, der Prüfung von Geschäftstransaktionen oder der Beurteilung von Risikomanagementsystemen, mit denen sich die Wirtschaftsprüfer auseinander setzen, sehr viel anspruchsvoller und erfordern ein viel spezialisierteres  Wissen. Und das auch mit Blick auf die Besonderheiten in unterschiedlichen Branchen. Jetzt kommt noch die Digitalisierung hinzu, die die IT-Themen nach vorne bringt. Das alles macht die Arbeit der Wirtschaftsprüfer herausfordernder, die Arbeit im Team aber auch spannender. Auf kurz oder lang wird das den Nachwuchs überzeugen.

julia.schmitt[at]finance-magazin.de

Info

Wie Ernst & Young sich gegen McKinsey, Bain & Co behaupten will und welche Rolle die Digitalisierung dabei spielt, können Sie hier im ersten Teil des Interviews mit EY-Chef Georg Waldersee nachlesen.

Auf unserer Themenseite Big Four können Sie außerdem nachlesen, mit welchen Strategien KPMG, PwC und Deloitte die besten Dax-Mandate gewinnen wollen.

Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.