Der Trend, dass viele Wirtschaftsprüfungsgesellschaften außerhalb der klassischen Abschlussprüfung wachsen, ist ungebrochen: Vor allem in den Bereichen Steuerberatung, Rechtsberatung und Business Consulting sehen deutsche WP-Gesellschaften viel Wachstumspotential in den nächsten zwei bis drei Jahren, so eine aktuelle Studie des Marktforschungsunternehmens Lünendonk (siehe Grafik).
Fast 90 Prozent der befragten WP-Häuser (siehe Infobox) waren der Ansicht, dass das Segment Steuerberatung „sehr große Wachstumschancen“ hat, das gilt vor allem für die Themen Internationale Steuerberatung, Spezialberatung, Nachfolgeberatung und Steuergestaltung. Rund 85 Prozent sahen das Segment „Legal“ als besonders attraktiv an. Als besonders große Umsatzlieferanten dienen dabei Dienstleistungen wie Handels- und Gesellschaftsrecht, Nachfolgeberatung und M&A.
IT-Beratung wird immer wichtiger
Erstaunlich ist, welche Perspektiven die Befragten der Nachfolgeberatung einräumen, an die fast so viel Wachstumserwartungen geknüpft sind wie an die Internationalisierung vieler Mandanten. „Mittelständische Unternehmen und damit auch viele Familienunternehmen in Deutschland stehen vor großen Herausforderungen der Unternehmensnachfolge“, sagt Jörg Hossenfelder, geschäftsführender Gesellschafter bei Lünendonk.
Im Bereich des Business Consulting, in dem drei Viertel der Befragten großes und sehr großes Wachstumspotential sehen, ist vor allem die IT-Beratung stark im Kommen: „Unter anderem auf Grund des hohen Sicherungsbedürfnisses in Form von IT-Security und unternehmensweiter Compliance bauen WP-Gesellschaften ihre Kompetenzen im Segment Business Consulting aus“, erklärt Lünendonk.
Die WP-Häuser stellen sich dafür auch mit Hilfe von Zukäufen im IT-Bereich auf. So hat beispielsweise KPMG vor wenigen Wochen die P3 Consulting+Software, eine auf Cyber-Security spezialisierte Unternehmensberatung, übernommen, um sich in diesem Segment stärker aufzustellen.
Der traditionelle Kernbereich „Audit“ hingegen verliert immer mehr an Dynamik und findet sich – was die Wachstumserwartungen angeht – sogar auf dem letzten Platz wieder: Nur 42 Prozent der Befragten sehen dort noch große Wachstumschancen.
Brüssel treibt das Wachstum im Beratungsgeschäft
Mit verantwortlich für die hohe Dynamik des Beratungsgeschäfts ist auch Brüssel: Die Reform der EU für die Abschlussprüfung, die im April beschlossen wurde und bis Juni 2016 umgesetzt werden muss, hat den WP-Häusern deutlich weniger Fessel beim Ausbau ihres Beratungsgeschäfts angelegt als ursprünglich befürchtet. So wurde die zunächst befürchtete Trennung von Prüfung und Beratung doch nicht durchgesetzt. Und auch die Prüferrotation ist wesentlich milder ausgefallen als erwartet.
Doch nicht nur die Zukunft, auch die Gegenwart stellt sich für die Wirtschaftsprüfer positiv dar. Zuletzt konnten die deutsche WP-Gesellschaften mit einem stabilen Wachstum punkten: Um 5,4 Prozent sind die Umsätze 2013 im Schnitt gestiegen, erwartet wurden zuvor nur 4,5 Prozent. Die „Big Four“ PricewaterhouseCoopers (PwC), KPMG, Ernst & Young (EY) und Deloitte sind immer noch mit Abstand die größten, aber ihr Wachstum verlangsamte sich 2013 gegenüber dem Jahr davor: Die Großen Vier wuchsen 2013 um 4,4 Prozent, 2012 waren es noch 6,5 Prozent gewesen.
julia.becker[at]finance-magazin.de
Info
Für die Lünendonk-Untersuchung „Führende Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-Gesellschaften in Deutschland“ wurden 25 führende sowie 69 mittelgroße und kleinere WP-Gesellschaften zu ihren Erwartungen für die nächsten zwei bis drei Jahre befragt.