Die zweitgrößte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers sorgt gerade mit einer kuriosen Geschichte für Ärger in Australien – und gefährdet dabei ihren Ruf als unabhängiger Dienstleister. Dabei geht es allerdings nicht etwa um gravierende Bilanzierungsfehler oder komplizierte Steuererklärungen, sondern um ein völlig fachfremdes Gebiet: Die Heirat von Schwulen und Lesben.
Derzeit wird in Australien erbittert darüber diskutiert, ob es einen Volksentscheid zu dieser Frage geben soll oder lediglich eine Entscheidung durch das Parlament. Jetzt hat PwC eine Studie zu dem kontroversen Thema veröffentlicht. In der untersucht die WP-Gesellschaft, wie viel diese Abstimmung die australische Volkswirtschaft kosten würde. Das Ergebnis: Die „gesamten volkswirtschaftlichen Kosten“ würden bei 525 Millionen Australischen Dollar liegen (354 Millionen Euro).
Ungewöhnlich ist dabei nicht nur, dass ausgerechnet PwC als vermeintlich unpolitische Prüfgesellschaft sich dieses Themas angenommen hat. Auch die Erklärung, wie die Analysten auf die Gesamtsumme kommen, hat viele irritiert. Laut PwC würde die Abstimmung an sich, also die Erstellung von Plakaten, Wahlkampagnen und ähnliches, 158 Millionen Dollar kosten. 281 Millionen Dollar kommen hinzu, weil die Wähler wirtschaftliche Potentiale nicht nutzen würden, wenn sie am Samstag rund eine Stunde für den Gang zur Urne aufwenden würden, anstatt etwa zu arbeiten.
PwC als Verfechter der Homo-Ehe?
Der abseitigste Posten: 20 Millionen Dollar muss die Volkswirtschaft dafür zahlen, dass die Abstimmung die „mentale Gesundheit“ der Schwulen und Lesben gefährden würde, was zu häufigeren Besuchen bei Psychologen führen würde. Luke Sayers, der CEO von PwC in Australien, sagte laut der Zeitung „Guardian“, eine Abstimmung wäre demnach eine „massive Verschwendung von Zeit und Geld”. Die Entscheidung durch das Parlament alleine würde nur 17 Millionen Dollar kosten und wäre daher der bessere Weg.
Die konservativen Eliten Australiens, allen voran die Christliche Vereinigung Australiens (ALC), haben eine Theorie zur Frage, warum PwC die Studie überhaupt in Auftrag gegeben hat: Es sei bekannt, dass die Prüfgesellschaft ein öffentlicher Befürworter der gleichgeschlechtlichen Ehe ist. PwC könnte die Kosten absichtlich hoch gerechnet haben, um eine Abstimmung abzuwenden.
Die Konservativen setzen sich für die Abstimmung ein, weil sie offenbar erwarten, dass das Ergebnis zu ihren Gunsten ausfällt. Die Befürworter der gleichgeschlechtlichen Ehe stehen der Abstimmung hingegen kritisch gegenüber und rechnen sich bei einer Entscheidung im Parlament höhere Chancen aus.
Die konservativen Kritiker verhöhnen jetzt das Ergebnis der PwC-Studie und schlagen polemisch vor, die Demokratie vielleicht sogar ganz abzuschaffen, weil Wahlen allgemein offensichtlich zu teuer seien. Klar ist zumindest eines: PwC ist gerade zum besten Arbeitgeber Australiens für Lesben und Schwule gekürt worden, zum zweiten Mal nach 2012. Der Vorwurf einer mangelnden Unabhängigkeit sitzt also. Für eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die sozusagen mit Objektivität handelt, ist es ein empfindlicher.
Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.