In den Chefetagen steht ein Generationenwechsel bevor. Für junge Führungskräfte wird eine ausgeglichene Balance zwischen Beruf und Familie immer wichtiger. „Dies hat erhebliche Konsequenzen auf die Unternehmensführung“, sagt Stephan Gemkow, Vorstandsvorsitzender bei Haniel. Unternehmen müssen sich heute verändern, glaubt der Ex-Lufthansa-CFO, sei es im Bereich der Kommunikation, der Rekrutierung bis zu Karrieremodellen oder Vergütungs- und Anreizsystemen. Doch konkrete Schritte hat man bei Haniel noch nicht unternommen.
Laut einer aktuellen Studie, die das Duisburger Familienunternehmen Haniel gemeinsam mit der Personalberatung Kienbaum durchgeführt hat, haben junge Führungskräfte deutlich andere Vorstellungen als ihr Vorgänger. Befragt wurden 76 Führungskräfte aus der DACH-Region, darunter auch 11 CFOs. Die sogenannten Young CXOs haben spätestens mit 44 Jahren die erste Führungsebene eines Unternehmens erreicht und waren zum Zeitpunkt der Befragung höchstens 49 Jahre alt.
Young CXOs sind Familienmenschen
Heutige junge Führungskräfte sind Familienmenschen. Fast alle Befragten beschreiben geordnete Familienverhältnisse als sehr wichtig für ihre Karriere: 83 Prozent von ihnen sind verheiratet, elf Prozent leben in einer Partnerschaft und fast 90 Prozent der Führungskräfte haben Kinder. Auch in ihrer Freizeit steht die Familie für die Mehrheit der CXOs an erster Stelle. So arbeiten immerhin 38 Prozent der Top-Manager in der Regel nicht am Wochenende. Ein knappes Viertel arbeitet höchstens ein Wochenende im Monat und lediglich 6 Prozent gaben an, bis zu zwei Wochenenden pro Monat zu arbeiten.
Anders als ihre Vorgänger sind junge Führungskräfte heute daher auch nicht mehr bereit, ihre Familie ständig aus ihrem Umfeld zu reißen, beobachtet Haniel-Personalchef Peter Sticksel. „Ich glaube, den Wunsch nach Stabilität und Sicherheit gab es schon immer, er wird heute nur offener geäußert“, sagt er.
Jungmanager haben weniger Unternehmensbindung
Eine weitere Veränderung ist die geringere Bereitschaft zur Langzeitbindung an ein Unternehmen. So haben bereits fast 80 Prozent der Studienteilnehmer mindestens einmal das Unternehmen gewechselt. Im Durchschnitt arbeiteten sie für zwei bis drei verschiedene Unternehmen. Fast ebenso viele haben mindestens einmal die Branche gewechselt. „Diese Art von Loyalität ist der jungen Generation nicht mehr so wichtig“, sagt Sticksel.
Im Umkehrschluss ist nur etwa jeder fünfte CXO bislang seinem ersten Unternehmen treu geblieben. Ein Beispiel für einen solchen loyalen CXO ist Haniel-CFO Florian Funck. Er startete direkt nach dem Studium bei der Haniel Holding. Nach einem Wechsel zur Tochter TAKKT, wurde der heute 43-Jährige im September 2011 CFO von Haniel.
Doch auch wenn für die meisten die Familie ganz oben auf der Prioritätenliste steht, schaffen viele Führungskräfte die angestrebte Balance zwischen Karriere und Familie nicht immer. Ein knappes Drittel ist laut Studie mit ihrer persönlichen Work-Life-Balance unzufrieden. 40 Prozent glauben, dass ihre Partner unzufrieden mit der Situation sind.
Work-Life-Balance nicht immer ausgeglichen
Denn Familienmensch und Arbeitstier zur gleichen Zeit zu sein, schließt sich nicht aus. Der Großteil der Topmanager arbeitet 60 Stunden pro Woche, ist beruflich viel unterwegs und bereit viel für die Karriere zu geben – wenn auch nicht alles. So sind trotz der Prioritätenverschiebung in Richtung Familie und Freizeit viele CXOs davon überzeugt, dass nur außergewöhnliches persönliches Engagement eine steile Karriere ermöglicht. In dieser Hinsicht unterscheiden sie sich nicht von vorangegangenen Managergenerationen.
Nach wie vor ist der Frauenanteil bei den Top-Führungskräften gering. Laut Daten von Kienbaum sind Frauen in Unternehmen des DAX, SMI und ATX kaum auf Vorstandsebene vertreten. Mit Stand vom Dezember 2012 gibt es in den 20 SMI-Unternehmen 2 Prozent weibliche Young CXO, im DAX beträgt der Anteil 4 Prozent und in Österreich 8 Prozent.
Auch bei Haniel steht das Thema Frauenförderung im mittleren Management derzeit besonders im Blick. „Und da sind die Gedanken bei uns noch nicht weit genug“, räumt Haniel-Personalchef Sticksel ein. Konkrete Angebote zu qualifizierten Teilzeitstellen und die Begleitung in der Elternzeit seien ein Thema.
anne-kathrin.meves[at]finance-magazin.de
Info
Die vollständigen Ergebnisse der Young CXO-Studie 2014 stehen in unserer White Paper Library zum Download bereit.