Leon A. ist guter Dinge: Heute fängt er einen neuen Job in der Controlling-Abteilung bei einem großen Mittelständler in Schwaben an. Er freut sich auf die neue Aufgabe, hat er sich doch aus mehreren vorliegenden Angeboten für den Autozulieferer entschieden.
Der erste Enthusiasmus verfliegt jedoch schnell: Sein Chef weiß gar nicht, dass er anfängt, begrüßt ihn nur im Vorbeigehen. Niemand kümmert sich um eine Einarbeitung. Auch in den Folgetagen fühlt er sich allein gelassen. Unzufriedenheit breitet sich bei Leon A. aus. Er beginnt sich nach einem neuen Job umzuschauen. Dabei hat sein Arbeitgeber Wochen damit verbracht, ihn davon zu überzeugen, zum Unternehmen zu kommen.
CFOs müssen angenehmes Umfeld schaffen
Das Beispiel Leon A. ist zwar ein fiktives – doch keineswegs ein unrealistisches, weiß Michael Baier, Executive Director bei dem Personalberater Page Group. Denn der Arbeitsmarkt für Finanzexperten ist exzellent: „Selbst wenn Kandidaten sich nicht aktiv umschauen, werden sie einmal im Monat von Headhuntern angeschrieben“, sagt er. Das gelte auch für neue Mitarbeiter: „Jeder Mensch fühlt sich da geschmeichelt und hört sich das Angebot an“, so Baier.
Umso wichtiger ist es, dass CFOs sich bemühen, Neu-Ankömmlingen gleich zu Beginn ein angenehmes Umfeld zu bieten. „Doch gerade hier machen Unternehmen noch viele Fehler“, erklärt Baier. Denn vermeintliche Kleinigkeiten können eine große Wirkung entfalten.
Page-Berater Baier hat einige Tipps, worauf CFOs und andere Personalverantwortliche während des sogenannten Onboardings achten können: „Man kann dem neuen Mitarbeiter vor seinem Dienststart etwa eine Willkommensmail schicken, in der man beschreibt, was am ersten Tag auf ihn zukommt.“ Das signalisiert, dass man den neuen Kollegen erwartet und weiß, was er in der ersten Zeit machen soll.
Speziell bei CFOs gibt es Verbesserungsbedarf
Wichtig ist an den ersten Tagen zudem, dass der Neu-Ankömmling allen Mitarbeitern vorgestellt wird und auch der Chef persönlich zur Begrüßung vorbeikommt. „Das klingt selbstverständlich. Im Alltagsstress geht das aber in vielen Unternehmen unter“, so Baier.
„CFOs fällt es schwerer, auf die Beziehungsebene zu kommen.“
Der Personalexperte rät insbesondere in den ersten Wochen zu einer intensiven Betreuung neuer Mitarbeiter. „Der Vorgesetzte ist hier sehr gefordert. Er muss ein Umfeld des Vertrauens kreieren.“ Der Mentor sollte sich einmal in der Woche mit dem neuen Kollegen austauschen – auch abseits des Büros. Dafür bietet sich etwa ein Mittagessen im Restaurant an. Denn nur so wird sich der neue Mitarbeiter bei ersten Problemen anvertrauen.
Baier sieht hier speziell bei CFOs Verbesserungsbedarf: „Tendenziell fällt es Finanzchefs schwerer, auf die Beziehungsebene zu kommen, als Marketing- oder Vertriebsmanagern.“
Junge Finanzexperten wissen um ihren Wert
Dass das Einfühlungsvermögen immer wichtiger wird, liegt auch an der nun in die Finanzabteilung strömenden Generation. Sie ist fordernder, glaubt Baier: „Kandidaten wollen eine Stimme haben.“ Er ergänzt: „Die klassische Stempelkarte hat ausgedient. Einige talentierte Finanzexperten wollen mit dem Laptop im Park arbeiten.“
Das mag für einige CFOs nach Wunschkonzert klingen. Doch der Kampf um die besten Talente wird mit harten Bandagen geführt. Und gut ausgebildete Finanzexperten wissen genau, was sie wert sind und sind entsprechend nicht bereit, lange auf Veränderung zu warten. Je mehr Wohlfühlfaktoren CFOs schaffen, desto unwahrscheinlicher ist es, dass neue Mitarbeiter schnell wieder abwandern.
Jakob Eich ist Redakteur der Fachzeitungen FINANCE und DerTreasurer des Fachverlags F.A.Z Business Media, bei dem er auch sein Volontariat absolviert hat. Eich ist spezialisiert auf die Themen Digitalisierung im Finanzbereich und Treasury. Durch seine Zwischenstation bei der Schwesterpublikation „Der Neue Kämmerer“ ist der 1988 geborene Journalist auch versiert beim Thema Kommunalfinanzen. Erste journalistische Erfahrungen hat der gebürtige Schleswig-Holsteiner in den Wirtschaftsmedien von Gruner+Jahr sowie in der Sportredaktion der Hamburger Morgenpost gesammelt.