Bei Morphosys geht eine Ära zu Ende: Der langjährige Finanzvorstand Jens Holstein will das Biotech-Unternehmen zum Ende des Jahres verlassen. Wie der MDax-Konzern in der Nacht zum Donnerstag mtteilte, hat die Suche nach einem Nachfolger bereits begonnen. Der Rückzug des Finanzchefs kommt überraschend: Eigentlich lief Holsteins Vertrag noch bis 2023.
„Nach so vielen Jahren, in denen ich als Teil des Unternehmens zum Wachstum und Wandel von Morphosys beitragen durfte, ist es für mich an der Zeit, neue Herausforderungen anzugehen", begründete Jens Holstein seinen Schritt. Wie es mit ihm weitergeht, ist noch nicht offiziell bekannt. Bei dem mit 3,5 Milliarden Euro bewerteten Antikörperspezialisten verantwortet er die Ressorts Accounting & Tax, Controlling, Corporate Communications & Investor Relations, Corporate Finance & Corporate Development, IT, Purchasing & Logistics und Technical Operations.
CFO Holstein ist seit 2011 bei Morphosys
„Ich respektiere den Wunsch von Jens Holstein, neue Herausforderungen anzugehen, und möchte ihm im Namen des Aufsichtsrats für seinen hervorragenden Beitrag danken und ihm für die Zukunft alles Gute wünschen“, lässt sich Morphosys-Aufsichtsratschef Marc Cluzel zitieren. Holstein habe den Aufbau von Morphosys hin zu einem voll integrierten Biopharma-Unternehmen entscheidend mitgeprägt, so Cluzel. Jean-Paul Kress, der erst vor einem Jahr als CEO antrat, lobte indes das exzellente technisches Wissen und das tiefgreifende Verständnis des Geschäfts seines Vorstandskollegen.
Der dreifache Familienvater ist seit Mai 2011 CFO bei Morphosys. Er kam seinerzeit von der Tochter Kabi des Medizinkonzerns Fresenius. Dort war er unter anderem als CFO für die Region Europa/Mittlerer Osten sowie Deutschland-Geschäftsführer. Seine berufliche Karriere startete der gelernte Industriekaufmann schon während seines BWL-Studiums bei der Unternehmenberatung Roland Berger.
FINANCE-Köpfe
Holstein hinterlässt ein bestelltes Feld
Anfang August hatte Holstein noch die Zahlen für das erste Halbjahr 2020 vorgestellt, die von einer Vorauszahlung des neuen Kooperationspartner Incyte geprägt waren. Dadurch explodierte der Quartalsumsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 48 auf knapp 270 Millionen Euro, während der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) auf 163 Millionen Euro anstieg – nach einem Verlust von 29 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2019.
Holstein hinterlässt ein gut bestelltes Feld und eine prall gefüllte Kasse. Die Liquidität lag laut Unternehmensangaben Ende Juni 2020 bei 1,06 Milliarden Euro. Weil Morphosys für den Rest des Jahres keine weiteren nennenswerten Partnerzahlungen mehr erwartet, geht das Biotech für das Gesamtjahr weiterhin von einem Umsatz zwischen 280 und 290 Millionen Euro aus, während das Ergebnis vor Zinsen und Steuern zwischen einem Verlust von 15 Millionen Euro und einem Gewinn von 5 Millionen Euro liegen soll. Die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung im Jahr 2020 beziffert das Unternehmen aus Planegg bei München mit 130 bis 140 Millionen Euro.
An der Börse löste Holsteins Rückzug wenig Handelstätigkeit aus: Die Aktie verharrte bis zum späten Vormittag in etwa auf dem Vortagsniveau von 108 Euro. Seit Beginn der Coronavirus-Pandemie in Europa konnte das Papier um 54 Prozent zulegen, liegt aber immer noch deutlich unter dem Höchststand von 136 Euro, den es im Januar erreicht hatte.
martin.barwitzki[at]finance-magazin.de
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