Bis heute ist Seidensticker zu 100 Prozent in Familienbesitz. In der operativen Führung holt sich der Hemdenhersteller nun aber externe Unterstützung mit Finanzhintergrund. Das Unternehmen richtet die Führungsspitze neu aus – und richtet dabei den Fokus insbesondere auf Prozessoptimierung.
Das Urgestein der Firma, der langjährige Vorstand Detlef Adler, der bislang mit den geschäftsführenden Gesellschaftern Frank und Gerd Oliver Seidensticker das Führungsgremium bildete, wird das Unternehmen noch im laufenden Geschäftsjahr, das am 30. April 2015 endet, verlassen. Bereits zum September nimmt das Familienunternehmen dafür den 47-jährigen Martin Friedrich als CFO und COO in die Unternehmensleitung auf.
Mit der Neubesetzung des Vorstands geht bei Seidensticker eine Epoche zu Ende. Der nun scheidende Vorstand Adler kam vor 20 Jahren von Goldwell zu Seidensticker und wurde nach einiger Zeit als CFO im Jahr 1996 zum CEO ernannt. Heute teilte das Unternehmen mit, Adler werde Seidensticker „im Rahmen seiner langfristigen Lebensplanung“ und planmäßig verlassen, um sich neuen Herausforderungen zu stellen. Frank und Gerd Oliver Seidensticker, die den Hemdenhersteller in der dritten Generation führen, dankten Adler für seine Kompetenz und sein Engagement.
Seidensticker setzt auf CFO mit Beratungshintergrund
Die entstehende Lücke in der Unternehmensleitung füllen soll der Wirtschaftsingenieur Martin Friedrich. Der zweifache Vater bringt zehn Jahre Erfahrung in Unternehmensberatungen mit, arbeitete bereits als CEO für das Textilunternehmen Ploucquet Holding und war seit 2008 CFO der Ostendorf Beteiligungs-GmbH, wo er die Bereiche Finanz- und Rechnungswesen, Controlling, Personal, Recht, Customer Service, Organisation und IT verantwortete.
Friedrich wird künftig an die Gesellschafter Frank und Gerd Oliver Seidensticker berichten. Die Familiengesellschafter deuten an, dass Friedrichs finanzielle Expertise für die Zukunftsfähigkeit des Modehauses von Bedeutung ist. „Mit Martin Friedrich gewinnen wir einen Fachmann, gerade auf dem Gebiet der Prozessoptimierung. Wir freuen uns, gemeinsam mit ihm die Zukunft unseres Unternehmens zu gestalten“, heißt es in einem Statement.
Konzernfinanzierung um Mittelstandsanleihe erweitert
Der designierte CFO Martin Friedrich wird im Finanzierungsmix von Seidensticker als Eckpfeiler eine Mittelstandsanleihe vorfinden. Das Papier über 30 Millionen Euro wurde im März 2012 begeben, hat eine Laufzeit bis 2018 und ist mit 7,25 Prozent verzinst. Die Anleihe notiert zurzeit bei rund 106 Prozent. Im März dieses Jahres gelang es Seidensticker, seinen finanziellem Spielraum zu vergrößern, als ein auslaufendes Schuldscheindarlehen über 5 Millionen Euro getilgt werden konnte, ohne neue Verbindlichkeiten aufzunehmen.
Allerdings belasten Investitionen in den Retailkanal und der Wegfall von Lizenzerlösen die Ertragskraft des Unternehmens. Die jüngsten verfügbaren Zahlen beziehen sich auf den Halbjahresabschluss des Geschäftsjahres 2013/2014 und umfassen den Zeitraum von Mai bis Oktober 2013. In dieser Periode schrumpfte der Konzernumsatz gegenüber dem Vorjahreszeitraum um fast 10 Prozent auf 76 Millionen Euro, und Seidensticker wies nach einem Überschuss von 1 Million Euro im Vorjahreszeitraum einen Konzernjahresfehlbetrag von 1,2 Millionen Euro aus. Die Eigenkapitalquote lag bei nur rund 10 Prozent.
Im dritten Quartal lobte das Unternehmen den Umsatzanstieg im Retailsegment, nannte jedoch keine konkreten Umsatz- oder Ertragszahlen. Der Geschäftsbericht für das Gesamtjahr soll im Oktober präsentiert werden.