Der Führungsstreit zwischen den beiden rivalisierenden Familienstämmen beim Oetker-Konzern ist zu Ende. Er endet überraschend mit der Beförderung von Finanzchef Albert Christmann an die Konzernspitze. Christmann gilt zwar schon lange als Favorit des einen Lagers im Oetker-Clan. Der andere Teil der Familie wehrte sich aber lange gegen den Aufstieg Christmanns.
Christmann ist der erste familienfremde Manager, der an die Spitze des Bielefelder Unternehmens aufsteigt. Schon sein Wechsel an die Spitze des Finanzressorts Anfang 2014 war ein Bruch mit einer langen Tradition: Damals löste er Ernst F. Schröder ab. Das Urgestein war zuvor 23 Jahre lang CFO gewesen und galt als graue Eminenz des Familienunternehmens.
Auch Christmann ist ein Eigengewächs: 1991 startete der promovierte Wirtschaftsingenieur seine Konzernkarriere im Controlling und wurde später Chef der Sektsparte Henkell und der Brauereitochter Radeberger. Dort soll Christmann in Preisabsprachen verwickelt gewesen sein und auch persönlich an dem so genannten Bierkartell mitgewirkt haben. Gegen die im vorigen Jahr verhängte Kartellstrafe in zwei- bis dreistelliger Millionenhöhe kämpft Oetker immer noch juristisch an.
Christmann stemmte die Übernahme von Coppenrath & Wiese
In seinen nur drei Jahren als Konzern-CFO spielte Christmann eine prägende Rolle. Dies lag auch an der Konstellation an der Unternehmensspitze. Der jetzt abtretende Konzernchef Richard Oetker, den Christmann zum Jahresende ablösen wird, galt als Kompromisskandidat zwischen den beiden Familienstämmen. Wegen den Spätfolgen einer Entführung, deren Opfer Richard Oetker im Jahr 1976 wurde, ist der Unternehmer gesundheitlich angeschlagen. An die Konzernspitze hatte es ihn nicht gedrängt.
Richard Oetkers Interregnum traf in den zurückliegenden Jahren auf die Problematik, dass im Familienkonzern wichtige Entscheidungen getroffen werden mussten. Diese Gemengelage führte dazu, dass Christmann mehr Verantwortung übernehmen und seinen Einfluss im Konzern ausweiten konnte. So präsentierte Christmann schon im Sommer die Jahresbilanz, weil Oetker erkrankt fehlte.
Wegweisende Entscheidungen gab es zuletzt einige: So verkaufte Oetker mangels Einflussmöglichkeiten seine 28,5-Prozent-Beteiligung an dem Parfümhändler Douglas an den Finanzinvestor Advent. Den Verkaufserlös steckten die Bielefelder im März 2015 in einen teuren M&A-Deal, die Übernahme des Tortenproduzenten Coppenrath & Wiese. Das Familienunternehmen aus Osnabrück – in unmittelbarer Nachbarschaft zum Oetker-Stammsitz – war eine perfekte Ergänzung für die Nahrungsmittelsparte und die seit langem größte M&A-Chance, die sich Oetker in Deutschland bot. Aber weil diverse Finanzinvestoren ebenfalls mitboten, musste Christmann preislich bis an die Grenze des für das konservative Familienunternehmen Vertretbaren gehen, um bei Coppenrath & Wiese zum Zug zu kommen.
Verkauf von Hamburg Süd an Maersk entlastet die Finanzlage
Weniger Entschlossenheit zeigte das Management bei der Reedereitochter Hamburg-Süd, deren Probleme lange Zeit ungelöst blieben. Weil Oetker auf deren Eigenständigkeit pochte und Fusionsavancen immer wieder ausschlug, blieb Hamburg Süd bei der rasanten Konsolidierung der Container-Reedereien außen vor. Mangels kritischer Masse trübten sich die Aussichten, die angeblich horrenden Verluste einzudämmen, immer weiter ein.
Erst vor knapp zwei Wochen zog Oetker die Notbremse und verkaufte Hamburg Süd an den dänischen Weltmarktführer Maersk. Damit verliert das Familienunternehmen zwar die Hälfte seines Umsatzes von zuletzt 12,2 Milliarden Euro, gewinnt aber neue Handlungsspielräume, die Lebensmittelgeschäfte mit Kuchen, Pizza, Bier und Sekt auszubauen, weil es die hohen Verluste im Schifffahrtsgeschäft nicht mehr ausgleichen muss.
Der Verkaufserlös, den Christmann voraussichtlich Mitte des kommenden Jahres verbuchen kann, dürfte stattlich sein. Laut Branchendiensten verfügt Hamburg Süd über Assets im Wert von 2,2 Milliarden US-Dollar und ist praktisch schuldenfrei. Zwischenzeitlich wurde kolportiert, dass Oetker 5 Milliarden Dollar gefordert habe. Der tatsächlich erzielte Kaufpreis dürfte aber darunter liegen.
Albert Christmann wird auch Chef der Lebensmittelsparte
Als Konzernchef könnte der 52-jährige Christmann mindestens so mächtig werden wie sein Vorgänger Richard Oetker, schließlich übernimmt der Finanzfachmann von diesem nicht nur den CEO-Posten, sondern auch noch die Verantwortung für die Lebensmittelsparte – allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt, der noch nicht feststeht. Den frei werdenden CFO-Posten will Oetker mit einem hauseigenen Manager nachbesetzen. Wer das sein wird, ist noch offen.