Familienunternehmen akzeptieren bei einem Börsengang im Durchschnitt einen um zehn Prozentpunkte höheren Preisabschlag als andere Gesellschaften. Das geht aus einer gemeinsamen Studie der WHU Otto Beisheim School of Management und PwC hervor. Untersucht wurden dafür insgesamt 153 IPOs deutscher Unternehmen, die in den Jahren 2004 bis 2011 ihre Aktien an der Frankfurter Wertpapierbörse haben notieren lassen. Als Familienunternehmen wurden dabei Firmen klassifiziert, in denen mindestens 25 Prozent der Stimmrechte in der Hand der Firmengründer dessen Familie oder der Nachfahren liegen. Den Abschlag definieren die Studienautoren als die Differenz zwischen Ausgabepreis und Schlusskurs am ersten Handelstag. Die Kapitalisierung am Ende des ersten Handelstages wurde dabei vereinfachend als fairer Marktwert angenommen.
Angst vor Kontrollverlust
„Das Underpricing sorgt für eine Überzeichnung und damit für eine Rationierung und breitere Streuung der Aktien unter den neuen Anteilseignern. Familienunternehmen behalten so die Kontrolle über ihr Unternehmen – auch nach dem Gang an den Kapitalmarkt“, schlussfolgert Sabine Rau, Ko-Autorin der Studie. In Gesprächen mit Familienunternehmern zum Thema IPO habe sich immer wieder herausgestellt, dass es den Eignern vor allem darum geht, eine Konzentration von Stimmrechten bei Dritten zu verhindern, so Rau. Darüber hinaus reduziere ein größerer Abschlag auf den fairen Wert die Risiken, mit dem IPO zu scheitern oder sich juristische Auseinandersetzungen einzufangen etwa wegen strittiger Bewertungsfragen. „Reputationsverluste werden in Familienunternehmen besonders hoch gewichtet, da damit in der Regel auch ein Gesichtsverlust der Familie einhergeht“, sagt Rau. Aus Sicht eines Familienunternehmens sei ein Underpricing daher rational.
Ein gutes Beispiel dafür ist der IPO des Lichttechnikspezialisten Hess. Das Unternehmen musste im Vorfeld der Platzierung im vergangenen Jahr seine Erwartungen deutlich zurückschrauben. Den IPO ganz absagen wollte Hess aber nicht: „Die Vorbereitungen haben uns schon viele Ressourcen gekostet. Eine Absage würde tiefe Spuren in der GuV hinterlassen“, erklärte ein Unternehmenssprecher gegenüber FINANCE damals.
Weitere Erklärungen für den hohen Preisabschlag beim IPO von Familienunternehmen ist den Studienautoren zufolge der Versuch, die Sekundärmarktperformance zu unterstützen. Das mache Sinn, wenn der Ausstieg der Familie oder eines Ankerinvestors über die Börse in mehreren Tranchen erfolgen soll, so Rau. Und natürlich hänge vieles auch davon ab, wie dringend die Unternehmen die Erlöse aus dem IPO beispielsweise für Akquisitionen oder für die Wachstumsfinanzierung benötigten. CFOs von Familienunternehmen rät Rau, bei einem IPO nur einen kleinen Teil der Aktien an den Markt zu bringen, und diesen dann peu á peu zu erhöhen. Das reduziere die entgangenen Erlöse gegenüber einer Strategie, bei der gleich zu Beginn ein großes Aktienpaket mit einem entsprechend hohen Abschlag auf den fairen Wert am Markt platziert werde.