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Hess-Restrukturierung: Standort Löbau wird geschlossen

Hess treibt die Restrukturierung voran: Der Standort Löbau wird geschlossen.
Hess

Die gute Nachricht zuerst: Die operative Auftragslage des insolventen Leuchtenherstellers Hess aus Villingen-Schwenningen zieht an. Die zumeist öffentlichen Kunden von Hess geben ihr Misstrauen nach dem verheerenden Bilanzskandal und der daran anschließenden Schlammschlacht langsam auf  und arbeiten wieder mit dem Leuchtenhersteller.  Hess hat dadurch etwas mehr Luft zum Atmen nach dem Auslaufen des Insolvenzgeldes. Für 2013 peilt der Leuchtenhersteller nun einen Umsatz von rund 32 Millionen Euro an.

Hess-Restrukturierungskonzept wirkt

Das ist genug Geschäft für einen einzigen Standort, nicht aber für zwei. Ende vergangener Woche erfuhren die Mitarbeiter von Hess Lichttechnik am erzgebirgischen Standort Löbau von der Schließung Ende August. Bis zum Jahresende wird die Belegschaft dann von rund 400 Mitarbeitern vor der Insolvenz auf 170 bis180 Mitarbeiter geschmolzen sein. Ohne neuen Investor, so zeichnete es sich ab, könnte Hess zwar kurzfristig den operativen Betrieb aufrecht erhalten, aber nicht die langfristig notwendigen Investitionen in die zukunftsweisende LED-Technik stemmen.

Auch die Börsengeschichte wird nach nur wenig mehr als einem Jahr schon wieder vorbei sein. Das De-Listing hat Hess beantragt. Zunächst wechselt Hess wieder vom Prime Standard in den General Standard. Im November wird Hess wieder von der Börse verschwunden sein. Die Überführung der AG in eine GmbH soll auch den M&A-Prozess erleichtern.

Eine weitere Belastung für potenzielle Hess-Investoren  ist vom Tisch. So war über Monate unklar, wie verlässlich die von den Hess-Altvorständen Christoph Hess und CFO Peter Ziegler hinterlassenen Bilanzen und Bücher wirklich waren. Nun herrscht Gewissheit. Mitte Juni bezifferte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ebner Stolz den Korrekturbedarf auf Basis des Ergebnisses nach Steuern (Jahresüberschuss) für die Jahre 2007 bis 2012 auf insgesamt 26,4 Millionen Euro. Allein für 2011 sei der Jahresüberschuss um 10,3 Millionen Euro  zu hoch ausgewiesen worden, seit 2009 war Hess defizitär und verlor Geld – die Börsenwachstumsstory entpuppt sich als eine einzige Lüge.

Grub: Überschuldung von 72 Millionen Euro

Geradezu verheerend fiel die Vermögensbilanz von Insolvenzverwalter Volker Grub aus. Grub bezifferte die Höhe der Hess-Verbindlichkeiten auf rund 105 Millionen Euro, denen nur noch knapp 33 Millionen Euro an Vermögensgegenständen gegenüber stehen. Die Überschuldung betrug damit 72 Millionen Euro. Noch Ende April sahen die Relationen nach Fortführung der Buchwerte der früheren Vorstände fast komplett invers aus. Ende April standen bilanzierte Vermögenswerte von 74 Millionen Euro auf dem Papier, denen angeblich nur knapp 34 Millionen Euro Schulden gegenüberstanden, so dass sich ein Eigenkapital von gut 40 Millionen Euro errechnete. Das diametrale Kippen der Rechnung sei weitgehend auf die Schadensersatzansprüche der IPO-Aktionäre und Wertberichtigungen auf Tochter- und Beteiligungsgesellschaften der „Hess-Schattenwelt“ zurückzuführen, erklärte Grub.

Für die Gläubiger stellte Insolvenzverwalter Grub eine Insolvenzquote  von rund 16 Prozent in Aussicht. Dazu wären am Ende rund 16,8 Millionen Euro nötig. Voraussetzung dafür sei ein erfolgreicher Abschluss des M&A-Prozesses zu einem attraktiven Kaufpreis und desweiteren ein solider Geschäftsverlauf.

Der kritische Punkt der Verkaufsverhandlungen ist angesichts der überschaubaren Vermögenswerte von Hess die Bewertung der immateriellen Vermögenswerte – allen voran die Bewertung der Marke Hess. Doch selbst die ist beschädigt. Mehr als einen Notverkauf wird Grub bei Hess kaum realisieren können.

Erstaunlich ist die Wertvernichtung  für die Aktionäre des Hess-IPO in nur einem Jahr und für Holland Private Equity. 2012 hatte Hess mit dem Börsengang von rund 40 Prozent des Konzerns rund 36 Millionen Euro erlöst, bei IPO-Kosten von 6 Millionen Euro. Ein großer Teil dieser vermeintlichen Werte stand, wie die Aktionäre schmerzlich erfahren, nur auf dem Papier.

marc-christian.ollrog[at]finance-magazin.de