Wer Fintechs partout noch immer als wagniskapitalfinanzierte Start-ups abstempelt, die mit einer kreativen Idee die Finanzwelt neu erfinden möchten, vom Geldverdienen aber noch weit entfernt sind, wird dem Fintech-Markt nicht mehr gereicht. Das sagen die Berater, die Fusionen und Übernahmen rund um die disruptiven Finanzunternehmen einfädeln. „Viele Fintechs sind reifer geworden“, meint etwa Arne Laarveld, der als Partner bei der M&A-Beratung Capitalmind für den Sektor zuständig ist.
Das hat Auswirkungen auf die Deals im Sektor. Je nach Produkt oder Unternehmensphase ist statt Wagniskapital jetzt auch Konsolidierung angesagt. „Banken und Private-Equity-Investoren haben die strategische Relevanz einzelner Fintechs erkannt“, führt Laarveld aus. Zwar stünden zuvor auf dem Papier zuletzt etwas weniger Transaktionen als in den vergangenen Jahren, die Zukäufe seien jedoch häufiger und stärker als früher strategisch motiviert.
Deutsche Bank, DZ Bank und BNP Paribas investieren in Fintechs
Über Kooperationen und Beteiligungen haben sich die Finanzdienstleister inzwischen an die Fintechs herangetastet. So etwa die DZ Bank, die sich im Mai 2016 mit 25 Prozent an Trust Bills beteiligte, einer digitalen Auktionsplattform für Handelsforderungen. Ein Jahr später zog die Deutsche Bank nach und sicherte sich 12,5 Prozent der Anteile. „Die Banken haben erkannt, dass die schlanken Fintechs die Antwort auf den steigenden Kostendruck und eine bessere Kundenorientierung sein können“, kommentiert Laarveld.
Die Privatbank Hauck & Aufhäuser, im Juli 2015 von dem chinesischen Finanzinvestor Fosun übernommen, kaufte im Mai vergangenes Jahr den Robo-Berater Easyfolio von der F.A.Z.-Gruppe. Der Finanzdienstleister Wüstenrot und Württembergische (W&W) übernahm im Januar dieses Jahres 75 Prozent der Anteile des Münchener Insurtechs Treefin. Der Schweizer Versicherungskonzern Helvetia bezahlte für die Beratungsplattform Moneypark 88 Millionen Euro.
Die französische BPCE-Gruppe, ein Pendant zu den hiesigen Volksbanken, schluckte vor rund einem Jahr die Münchener Fidor Bank, die sich hierzulande den Ruf eines Fintech-Pioniers erarbeitet hat. Der kolportierte Kaufpreis lag bei rund 100 Millionen Euro. Die BNP Paribas ließ sich laut Medienberichten die Übernahme von Compte-Nickel 200 Millionen Euro kosten. Das französische Fintech ist eine Alternative zum klassischen Girokonto und wirbt damit, dieses zusammen mit einer Kreditkarte schneller und günstiger anbieten zu können als eine Bank.
Bain und Advent zahlten für Concardis 700 Millionen Euro
Der höhere Reifegrad der Fintechs lockt neben den Banken noch mehr Spieler im Beteiligungs- und Kapitalmarkt an. „Börsengänge spielen in Europa noch nicht die Rolle, die sie für Fintechs in den USA einnehmen, allerdings interessieren sich immer mehr auch Private-Equity-Investoren für deutsche Fintechs“, meint Laarveld. Der M&A-Berater macht das an Marktzahlen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG fest. Zum Halbjahr liege das Dealvolumen bereits etwa auf dem gesamten Vorjahresniveau. Gemessen an der Dealzahl sei das Vorjahresniveau sogar schon überholt.
Sehr aktiv waren zuletzt Bain und Advent. Im Januar legten die beiden Private-Equity-Investoren für den Eschborner Zahlungsdienstleister Concardis laut Presseberichten rund 600 Millionen Euro auf den Tisch. Nur drei Monate später übernahmen sie Ratepay von dem Versandhändler Otto und dockten den Zahlungsdienstleister an Concardis an. „Vor allem im Zahlungsverkehr gibt es momentan eine Vielzahl von Anbietern am Markt. Private-Equity-Investoren nutzen das, um über eine Buy-and-Build-Strategie den Markt zu konsolidieren“, meint Laarveld, der in Zukunft noch deutlich mehr dieser Transaktionen erwartet.
Ebenfalls im Juli wurde das Fintech Lendico an den britischen Hedgefonds Arrowgrass verkauft. Die Berliner betreiben ein Kreditvermittlungsportal für Privatkredite. Bereits im März hatte sich der Private-Equity-Investor Warburg Pincus für rund 300 Millionen Schweizer Franken 35 Prozent an dem Bank-IT-Dienstleister Avaloq gesichert, was laut des Datenanbieters Capital IQ dem 10,5-Fachen des Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) entspricht.
Daimler kauft Fintech für mobiles Bezahlen
Dass Private-Equity-Häuser in Fintechs investieren, sagt einiges über das Segment aus, da diese für ihre Investoren deutlich weniger Risiken eingehen können als Wagniskapitalgeber. „Ein weiteres Reifezeichen sind die Zukäufe von Branchenfremdlingen, die über Fintech-Investitionen ihr Geschäftsmodell oder die Wertschöpfungskette erweitern wollen“, meint Laarveld mit Blick auf Industriekonzerne als dritte Käufergruppe für Fintechs.
Der schwedische Bezahldienstleister Klarna hat im November 2016 den Berliner Zahlungsdienstleister Cookies aus der Insolvenz herausgekauft. Nur drei Monate später legte Klarna mit Billpay nach und überwies für das deutsche Payment-Fintech 75 Millionen Euro. Auch der deutsche Autobauer Daimler interessiert sich für Finanztechnologien. Die Stuttgarter übernahmen im Januar das luxemburgische Fintech Paycash und stiegen damit in den Markt für das mobile Bezahlen ein. Rechnungen von Daimler-Dienstleistungen wie Car2Go oder Mytaxi sollen Kunden über das Fintech mobil bezahlen können.
Wo die Preise für Fintechs hingehen können, deutet sich in den USA an. Der Kartenspezialist Vantiv bezahlte für den britischen Zahlungsdienstleister Worldpay zuletzt umgerechnet rund 8,7 Milliarden Euro, was einem Ebitda-Multiple von 21,1 entspricht. Schreitet die Konsolidierung im Fintech-Markt weiter voran, und wagen sich die hiesigen Banken noch weiter aus der Deckung, dürften Kaufpreismultiples von 10x Ebitda nur der Anfang gewesen sein.