25x Ebitda für einen Hersteller vegetarisch-veganer Lebensmittel? Was zunächst nach wilden Phantasien überambitionierter M&A-Berater klingt, ist längst Realität. Im vergangenen Jahr kündigte der französische Lebensmittelriese Danone die Übernahme des US-Lebensmittelkonzerns White Wave Foods für rund 12,5 Milliarden US-Dollar inklusive Schulden an. Die Amerikaner setzten im Jahr davor rund 4 Milliarden Dollar um und erwirtschafteten einen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von rund 500 Millionen Dollar.
„Diese hohe Bewertung ist kein Einzelfall, sondern eine Entwicklung, die sich auch in Deutschland abzeichnet“, beobachtet Monika Nickl, Managing Director bei der M&A-Beratung Raymond James. Im Kern gehen ihr zufolge die hohen Bewertungen darauf zurück, dass sich Konsumenten heute bewusster ernähren: weniger Zucker, mehr Bio. Statt des Steaks kommt ein vegetarischer oder veganer Ersatz auf den Teller, und der Schokoriegel weicht dem Fitness-Riegel mit exotischer Geschmacksrichtung.
„Dieser Trend setzt die großen Lebensmittelkonzerne unter Druck, weil sie darauf nicht so flexibel reagieren können“, meint Monika Nickl. Die Antwort lautet fast zwangsläufig M&A. Der deutsche Kekshersteller Bahlsen kündigte im vergangenen Dezember die Übernahme des dänischen Bio-Riegel-Herstellers Rawbite an. Der zuckerlastige Müsliproduzent Kelloggs übernahm den Bio-Müsli-Hersteller Vita+.
Grund 1: Start-ups greifen Lebensmittelkonzerne an
Für auffällig hält die M&A-Beraterin, dass die großen Lebensmittelkonzerne die Umsatzschwelle senken, ab der sie Übernahmen in Betracht ziehen – diese sei in den vergangenen zwei Jahren von rund 50 auf rund 10 Millionen Euro gesunken. Außerdem unterhalte nahezu jeder relevante Lebensmittelriese inzwischen einen eigenen Wagniskapitalfonds für „gesunde“ Start-ups.
Die Lebensmittelspezialistin nennt als Beispiel den US-Konzern Kelloggs, der über einen Venture-Capital-Fonds unter anderem in Health- und Bio-Start-ups investiert. In diesem Bereich will Kelloggs in den nächsten Jahren rund 1 Milliarde Dollar umsetzen. „Die Großkonzerne sind bereit, für junge Marken 20x Ebitda oder sogar mehr zu bezahlen, um in den Supermarktregalen mit deren Produkten präsent zu sein“, sagt Nickl.
Grund 2: Private Equity sucht nach Wachstumsmärkten
Zwar haben die strategischen Käufer laut Nickl derzeit noch klar die Nase vorn, doch die Lebensmittelbranche locke auch zunehmend renditehungrige Private-Equity-Investoren an, die unter hohem Investitionsdruck stehen und in der Lebensmittelindustrie einen Wachstumsmarkt sehen.
Ein Beispiel ist die Deutsche Beteiligungs AG (DBAG). Diese hat Anfang April die Übernahme der beiden familiengeführten Nahrungsmittelproduzenten Abbelen (Deutschland) und Oscar Mayer (USA, Großbritannien) bekannt gegeben. Beide Unternehmen bleiben eigenständig, werden aber unter einer gemeinsamen Holding gebündelt. An diese Plattform will die DGAB weitere Unternehmen anschließen und verfolgt damit eine klassische Buy-and-Build-Strategie. Auch untereinander reichen die PE-Häuser ihre Food-Unternehmen weiter. Der Finanzinvestor Ardian verkaufte zuletzt Frostkrone an den Private-Equity-Investor Emeran. Frostkrone produziert tiefgekühltes Fingerfood und Snacks.
„In der Lebensmittelbranche gibt es noch viele Wachstumsunternehmen, die wie die jüngsten DBAG-Zukäufe oft inhabergeführte Mittelständler sind und damit operativ und strukturell noch Optimierungspotential haben“, beobachtet Nickl. Dies mache die Unternehmen für Private Equity interessant. Zwar sei seit 2015 nur rund jede zehnte Transaktion mit Private-Equity-Beteiligung gewesen. „Aber bei immer mehr PE-Häusern wächst das Interesse an der Lebensmittelbranche“, berichtet Nickl.
Grund 3: Cross-Border-Transaktionen nehmen zu
Doch nicht nur die Konkurrenz um hippe Jungunternehmen treibt die Kaufpreismultiples in der Lebensmittelbranche nach oben. „Auf der Suche nach Wachstum zieht es die europäischen Großkonzerne gen Westen, vor allem in die USA“, berichtet Nickl. Als Beispiel nennt die M&A-Beraterin neben dem Eingangsbeispiel mit Danone den deutschen Käsehersteller Hochland. Hochland hatte Anfang des Jahres angekündigt, den US-amerikanischen Frischkäsehersteller Franklin Foods übernehmen zu wollen, um sich Zugang zum amerikanischen Markt zu verschaffen. Franklin Foods ist mit einem jährlichen Umsatz von rund 140 Millionen Dollar der drittgrößte Frischkäseproduzent in den USA.
„Ich sehe aber auch viele asiatische Produzenten, die deutsche etablierte Qualitätsmarken kaufen möchten, um diese nach Asien zu bringen und dort günstiger zu produzieren“, meint Nickl. Das meiste laufe derzeit noch „unter dem Radar“, jedoch hätten bereits viele asiatische Investoren ihr Interesse hinterlegt. Vor allem chinesische Käufer haben laut der M&A-Beraterin keine Hemmungen, die anderen Interessenten zu überbieten: „Das macht die Multiples nicht rational, sondern fördert die Bildung von Preisblasen.“
Für einen Lebensmittelhersteller mit stabilem Ebitda und keiner überaus überambitionierten Wachstumsstrategie sollen sich die Multiples inzwischen in Richtung 15x Ebitda bewegen, was Nickl für sehr hoch hält. Vor ein oder zwei Jahren hätte der Multiplikator noch bei 8 bis 10 gelegen.
Finanzmathematisch seien die Bewertungen oft nicht zu rechtfertigen: „Es geht nur um die Marke und das Image, das diese transportiert, denn für White-Label-Produkte werden diese hohen Preise noch nicht aufgerufen.“ Das Ende in der Preisentwicklung für Lebensmittelmarken sieht die M&A-Beraterin damit aber noch nicht erreicht. Ihre These: Der Fitness- und Ernährungstrend bei den Konsumenten hat gerade erst richtig begonnen – und damit der Hype im Food-M&A-Business.