Ursprünglich sollte der Ferienflieger Condor von der polnischen Fluggesellschaft Lot übernommen werden. Doch der bereits unterzeichnete M&A-Deal platzte kurz vor dem Closing – Lot selbst war in Folge der Coronavirus-Krise in finanzielle Schieflage geraten.
Ein abgeblasener M&A-Deal ist für beide Seiten mindestens ärgerlich, oft aber auch finanziell schmerzhaft: Der Verkäufer hat die Verkaufserlöse möglicherweise bereits für andere Projekte einkalkuliert, der Käufer wahrscheinlich schon hohe Summen und Ressourcen in den M&A-Prozess investiert. Doch wie können CFOs gerade in der aktuellen, unübersichtlichen Krisensituation sicherstellen, dass es ihre Transaktionen schnell und sicher über die Ziellinie schaffen?
Tipp 1: Vorbereitung zwischen Signing und Closing
Damit die Unsicherheit bei Transaktionen so gering wie möglich ist, hilft aktuell nur ein ordentliches Tempo, um die Zeit zwischen Signing und Closing möglichst kurz zu halten. Denn nur in dieser Phase können M&A-Deals platzen, wenn eine Vertragspartei von ihrem Rücktrittsrecht Gebrauch macht.
„Um diese Zwischenphase kurz zu halten, müssen beide Parteien die geplante Transaktion gut vorbereiten“, rät Rechtsanwalt Stephan Ulrich von Simmons & Simmons. Dafür sollten die Parteien nicht alleine auf den Vertragsabschluss zuarbeiten, sondern auch die umfangreichen Anmeldungen – unter anderem beim Kartellamt – auf der Prioritätenliste weit nach oben setzen, findet Ulrich. Denn häufig sorge gerade das Warten auf Kartellfreigaben für eine Verzögerung bei M&A-Deals.
Benötigen die Unternehmen eine nationale Freigabe, dauert die Zwischenphase etwa einen Monat, bei internationalen Freigaben können schnell mehrere Monate vergehen. Durch eine gute Vorbereitung lässt sich diese Zeit um rund ein Drittel kürzen, schätzt der Anwalt.
Tipp 2: Frühes Feedback des Kartellamts einholen
Es gibt noch eine weitere Möglichkeit, diese Zwischenphase zu verkürzen: „Unternehmen können den Deal noch vor dem Abschluss der Transaktion beim Kartellamt anmelden“, so der Rechtsanwalt. Der Preis dafür ist allerdings, dass der geplante Deal durch dieses Manöver vorab publik wird.
Wer diesen Weg nicht einschlagen möchte, hat immerhin noch die Möglichkeit, das Kartellamt um eine vorzeitige Freigabe zu bitten. „Hierbei sind zwei Punkte wichtig: Erstens müssen Unternehmen dem Kartellamt bis dahin genügend Zeit für die Prüfung eingeräumt haben“, sagt Ulrich. Mindestens einige Wochen sollten je nach Komplexität der Transaktion vergehen, bis eine solche Anfrage sinnvoll sei. „Zweitens sollten die Unternehmen der Behörde alle notwendigen Informationen frühzeitig und transparent vorlegen.“ Dies könne die Prüfungsdauer verkürzen und die Bereitschaft der Kartellwächter erhöhen, die angemeldete Transaktion früher als erwartet zu genehmigen.
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Tipp 3: Drei Instrumente für Käufer
Grundsätzlich kann sich der Verkäufer darauf verlassen, dass der Käufer den Vertrag einhält. Dennoch hat er wenige Mittel in der Hand, um sich zusätzlich gegen einen Rückzug des Käufers abzusichern. Sollte sich der Käufer nicht an den Vertrag halten, bleibt dem Verkäufer lediglich die Möglichkeit, den Vollzug des Deals gerichtlich durchzusetzen.
Auf der anderen Seite gibt es gleich eine Reihe an absichernden Vertragsinstrumenten, die den Interessen der Käufer dienen. Drei Instrumente hält Ulrich für besonders wirkungsvoll: „Die sogenannten MAC-Klauseln helfen dem Käufer, die Transaktion abzusichern: Tritt die in der Klausel beschriebene Bedingung ein, hat er ein Rücktrittsrecht.“
Zudem können die Vertragsparteien sogenannte „Ordinary cause of business“-Klauseln vereinbaren. „Gemäß dieser Klauseln verpflichtet sich das Zielunternehmen dazu, das Geschäft bis zum Closing genauso weiterzuführen wie in der Vergangenheit“, erläutert der Rechtsexperte. Eine solche Klausel nimmt dem Käufer die Bedenken vor negativen Veränderungen im Geschäft, die etwa durch das Management des Zielunternehmens selbst verursacht werden. Vor einem Schock von außen wie Corona schützt diese Klausel aber nicht.
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Auch zusätzliche Vollzugsvereinbarungen machen M&A-Deals sicherer. Ein Beispiel: „Das Zielunternehmen muss noch gewisse ‚Aufräumarbeiten‘ erledigen, bevor der Deal abgeschlossen werden kann. Das kann etwa der Carve-out eines kriselnden Geschäftsbereichs sein“, erklärt Ulrich.
Tipp 4: Corona ist kein Grund mehr für Deal-Stopp
Gerade weil Verkäufer so wenige Instrumente haben, um sich bei M&A-Deals abzusichern, haben sie das größere Interesse, den Deal schnell und sicher abzuschließen. Aus ihrer Sicht ist es daher praktisch immer sinnvoll, dafür zu sorgen, dass vereinbarte Rücktrittsklauseln nicht greifen und Vertragsbedingungen eingehalten werden.
Anders herum liegt es aber meist auch im Interesse des Käufers, einen Deal zügig abzuschließen – außer er sieht einen besonderen Grund, weshalb er den Deal hinauszögern müsste, zum Beispiel eine schwer kalkulierbare Unwägbarkeit im Geschäftsbetrieb oder dem Umfeld des eigenen oder des Zielunternehmen. Im Zweifel können Verkäufer versuchen, auf das Long-Stop-Date zu verweisen: Wenn der Käufer bis zu diesem Datum seine Vertragsbedingungen nicht erfüllt hat – weil er etwa aus taktischen Gründen langsam agiert hat – darf auch der Verkäufer zurücktreten.
„Zu Vertragsabschluss bekannte Risiken können im Nachhinein nicht mehr für die Argumentation eines Rücktritts verwendet werden. Das gilt auch für Corona-Risiken.“
Einen letzten wichtigen Rat hat Stephan Ulrich für Unternehmen, die auch in der Coronakrise zukaufen wollen: „Alle Risiken, die zu Vertragsabschluss bekannt sind, können im Nachhinein nicht mehr für die Argumentation eines Rücktritts verwendet werden, egal auf welcher Vertragsseite“, weiß der Rechtsanwalt. Die Coronakrise als Grund anzuführen, um einen jetzt vereinbarten Deal abzusagen, dürfte ein schweres Unterfangen sein.
Info
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Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.