Der Industriekonzern ABB prüft offenbar erneut einen Verkauf seiner Stromnetzsparte. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge führen die Schweizer mit den japanischen Konzernen Hitachi und Mitsubishi Electric derzeit Gespräche über eine Veräußerung seiner umsatzstärksten Sparte. Denkbar sei sowohl ein Komplettverkauf als auch eine Mehrheitsbeteiligung.
CEO Ulrich Spiesshofer soll in den vergangenen Tagen zudem mit State Grid of China verhandelt haben. Die Schweizer könnten den potentiellen Deal schon Ende kommender Woche verkünden, zitiert die Nachrichtenagentur Insider. ABB wollte den Bericht gegenüber FINANCE nicht kommentieren.
Stromnetzsparte könnte 11 Milliarden Dollar einbringen
Mit dem potentiellen Verkauf der Stromnetzsparte holt ABB einen alten Plan aus der Schublade: Schon 2016 hatte der Konzern überlegt, die Einheit zu veräußern. CEO Ulrich Spiesshofer verwarf die Idee damals aber wieder.
Die Stromnetztochter könnte mit bis zu 11 Milliarden Dollar bewertet werden.
Seitdem hat sich einiges geändert: „Der Turnaround in der Stromnetzsparte ist auf einem guten Weg“, zitiert Reuters Analyst Richard Frei von der Zürcher Kantonalbank. Interessant ist für potentielle Käufer anscheinend vor allem die als fortgeschritten geltende Technologie der ABB-Stromnetzsparte.
Analysten rechnen daher damit, dass CEO Spiesshofer einen höheren Verkaufserlös erzielen könnte, als es vor zwei Jahren möglich gewesen wäre. Die ABB-Stromnetzsparte erwirtschaftete 2017 mit ihren 36.000 Mitarbeitern rund 10,4 Milliarden US-Dollar (umgerechnet 9,1 Milliarden Euro) Umsatz. Der Unternehmensteil könnte mit bis zu 11 Milliarden Dollar bewertet werden, heißt es im Reuters-Bericht.
ABB-Aktionäre freuen sich über Stromnetz-Gerüchte
Der Bereich ist mit einer operativen Marge von 10 Prozent jedoch die unprofitabelste Sparte im ABB-Konzern. Entsprechend offen könnte CEO Spiesshofer trotz aller Verbesserungen sein, den Bereich abzugeben. Schon im Oktober waren erste Gerüchte aufgekommen, dass ABB erneut einen Verkauf oder Spin-off des Segments vorbereite.
Dafür spricht, dass sich der Technologiekonzern dann auf profitablere Geschäftsteile konzentrieren könnte. Etwaige Erlöse würden es den Schweizern ermöglichen, in Aktienrückkäufe zu investieren, die Aktionäre in der Regel positiv stimmen, oder das Geld in M&A-Deals zu stecken.
Die ABB-Aktionäre reagierten entsprechend wohlwollend auf die wieder aufkeimenden Gerüchte: Die Aktie legte am Freitag im Vergleich zum Vorabend in der Spitze um 4 Prozent auf 20,56 Schweizer Franken zu. Später sank der Kurs wieder etwas und notierte zuletzt bei 20,10 Schweizer Franken.
Jakob Eich ist Redakteur der Fachzeitungen FINANCE und DerTreasurer des Fachverlags F.A.Z Business Media, bei dem er auch sein Volontariat absolviert hat. Eich ist spezialisiert auf die Themen Digitalisierung im Finanzbereich und Treasury. Durch seine Zwischenstation bei der Schwesterpublikation „Der Neue Kämmerer“ ist der 1988 geborene Journalist auch versiert beim Thema Kommunalfinanzen. Erste journalistische Erfahrungen hat der gebürtige Schleswig-Holsteiner in den Wirtschaftsmedien von Gruner+Jahr sowie in der Sportredaktion der Hamburger Morgenpost gesammelt.