Der Sportkonzern Adidas kauft die Fitness-App Runtastic, die zu etwas mehr als 50 Prozent vom Axel-Springer-Verlag kontrolliert wird. Die übrigen Anteile liegen bei den Gründern, wandern nun aber ebenfalls in die Hände von Adidas. Für den Schritt ins Digitale gibt das Traditionsunternehmen aus Herzogenaurach eine Stange Geld aus: Runtastic wird mit 220 Millionen Euro bewertet.
Mit diesem enorm hohen Kaufpreis setzen Adidas-Chef Herbert Hainer und CFO Robin Stalker – der Neuseeländer ist schon seit 2001 beim Konzern, sein Vertrag wurde vor einem Jahr bis 2018 verlängert – jetzt ein Zeichen, dass Adidas sich umfassender im Sportbereich positionieren will als nur mit dem Verkauf von Ausrüstung. Mit Runtastic bekommt Adidas Zugriff auf 70 Millionen eingetragene Nutzer, und das, obwohl die Fitness-App erst 2009 in Österreich aus der Taufe gehoben worden ist.
Adidas muss mehr Runtastic-Nutzer auf die Pro-Version heben
Wenn Runtastic jetzt mit 220 Millionen Euro bewertet wird, müssen die mit dem Kauf verbundenen strategischen Ziele von enormer Bedeutung für Adidas sein, denn kaufmännisch begründen lässt sich die Bewertung des Start-ups nur schwer. Das von Adidas bezahlte Verhältnis zwischen Unternehmenswert und Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) liegt bei 65x, wie Analysten der Equinet-Bank mitteilen. Daraus lässt sich errechnen, dass Runtastic operative Gewinne von 3 bis 4 Millionen Euro pro Jahr erwirtschaftet.
Angesichts der großen und weiter wachsenden Nutzerschaft erscheint der Ertrag gering. Möglicherweise setzt Adidas darauf, künftig deutlich mehr Runtastic-Nutzer zum Kauf der kostenpflichtigen Pro-Version ermuntern zu können. Auch die Verknüpfung des Runtastic-Services mit anderen Produkten und Angeboten von Adidas erscheint naheliegend. So könnte die App für Adidas ein Vehikel sein, um die eigene Produktpalette attraktiver zu machen.
Axel Springer beweist mit Runtastic seinen Riecher fürs Digitale
Axel Springer zeigt mit dem Geschäft einmal mehr sein Näschen für digitale Geschäftsmodelle. Der Verlag war über seinen Wagnisinvestor Axel Springer Ventures erst im Oktober 2013 mit 50,1 Prozent bei Runtastic eingestiegen. Damals wurde Runtastic mit 22 Millionen Euro bewertet. Springer dürfte also aus 11 Millionen Euro Einsatz rund 110 Millionen Euro gemacht haben. Der Vorsteuergewinn, den Axel Springer bei dem Deal erzielt, liegt nach Schätzungen von Equinet bei rund 90 Millionen Euro – Geld, das Springer vermutlich zügig in neuerliche Käufe von Online-Portalen und -Applikationen reinvestieren wird, wie Springer-Chef Matthias Döpfner erst vor wenigen Tagen nach dem gescheiterten Griff nach der Financial Times angekündigt hatte.
Der Verlag verkündet derzeit beinahe im Wochenrhythmus neue Zukäufe, Produkte und Kooperationen – damit will das traditionsreiche Berliner Medienhaus den Auflagenschwund von Print-Produkten wie „Welt“ und „Bild“ wettmachen. Anfang April startete der Verlag einen europäischen Ableger des US-Branchendienstes Politico. Jüngst wurde bekannt, dass Springer das New Yorker Boulevard-Wirtschafts-Portal Business Insider nach Deutschland bringen will.
Adidas stellt Golfgeschäft auf den Prüfstand
Bei dem neuen Runtastic-Besitzer Adidas hingegen dürften als nächstes eher Verkäufe auf der M&A-Agenda stehen. CFO Stalker hat das kriselnde Geschäft mit Golfausrüstung heute auf den Prüfstand gestellt. Dort leidet Adidas darunter, dass Golf im Kernmarkt USA immer unpopulärer wird Analysten rechnen damit, dass Adidas durch den Verkauf einzelner Golfmarken das Sortiment straffen wird. Aber auch ein größeres Aufräumen in der Sorgensparte wird nicht ausgeschlossen.
Immerhin scheint Adidas, das im Wettbewerb um die junge Kundschaft gegenüber US-Wettbewerbern wie Nike und Under Armour ins Hintertreffen geraten ist, das Ertragstal überwunden zu haben: Im zweiten Quartal des laufenden Jahres konnte Adidas seinen Umsatz um 15 Prozent auf 3,9 Milliarden Euro steigern, währungsbereinigt bleiben 5 Prozent übrig. Beim Betriebsergebnis wuchs Adidas um 7,6 Prozent auf 234 Millionen Euro. Die jetzt zugekaufte Runtastic dürfte angesichts ihrer dürftigen Gewinne bei dem Dax-Konzern in absehbarer Zeit wohl keinen spürbaren Beitrag zu mehr Ertragsdynamik leisten.