Es könnte ein Rekordjahr für aktivistische Investoren werden. 2015 haben sie bisher weltweit 860 Kampagnen gestartet. Das ist ein Anstieg von 170 Prozent seit 2011, stellt die Anwaltskanzlei Linklaters in einer aktuellen Untersuchung fest. Im vergangenen Jahr haben die umtriebigen Investoren mit 907 Kampagnen für Unruhe in Unternehmen gesorgt. Dass der Wert in den letzten Wochen des Jahres noch geknackt wird, scheint durchaus wahrscheinlich.
Europa rückt dabei immer stärker in den Fokus der Investoren. Auch die DACH-Region kommt dabei nicht ungeschoren davon. In elf Fällen haben aktivistische Investoren in diesem Jahr bereits in Österreich angegriffen, weitere neun mal schlugen sie in der Schweiz zu. Deutschland kommt in der Studie nicht vor, weil die Aktivität hier noch nicht so stark angestiegen sind, wie in den Nachbarländern. Laut einer Analyse der Investmentbank Barclays, über die FINANCE berichtete, haben sie in Deutschland seit 2010 etwa 19 mal attackiert.
Die Tendenz in den beiden Ländern ist steigend, auch wenn der Hauptfokus der Investoren derzeit noch auf Großbritannien liegt. Dort starteten die Investoren in diesem Jahr bereits 32 aktivistische Kampagnen. Auch Frankreich war mit 13 Angriffen im Zentrum der Entwicklungen.
Unterbewertung von Unternehmen lockt aktivistische Investoren an
Die Kanzlei Linklaters erklärt sich das gestiegene Interesse am europäischen Markt durch die aktuellen Unternehmensbewertungen und die hohen Geldbestände in europäischen Unternehmen. Sie verfügten über Barmittel in Höhe von 2,1 Milliarden Euro und seien im Vergleich zu US-Unternehmen preisgünstiger. Gleichzeitig wächst die Finanzkraft der Investoren deutlich. Sie liegt derzeit bei rund 120 Milliarden US-Dollar Assets under management.
Vor allem größere Unternehmen ziehen verstärkt die Augen der Investoren auf sich. Während 2010 nur etwa ein Viertel der Kampagnen auf Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von über 1 Milliarde US-Dollar gerichtet war, waren es im 3. Quartal 2015 etwa die Hälfte aller Kampagnen.
Aktivistische Investoren mit größerer Europa-Expertise
CFOs in Europa und auch in Deutschland müssen sich in Zukunft wohl immer häufiger mit den Unruhestiftern in den Eigentümerreihen auseinandersetzen. Bilfinger, ThyssenKrupp und Kabel Deutschland haben es bereits zu spüren bekommen. „Wir beobachten mit Blick auf Europa eine zunehmende Vertrautheit von US-Investoren mit den aufsichtsrechtlichen Vorschriften und den Besonderheiten der deutschen Corporate Governance“, sagt Hans-Ulrich Wilsing, Partner und Leiter der Corporate Division bei Linklaters.
Wenn sich die Investoren erst einmal gut auskennen, dann wird es möglicherweise häufiger gelingen ihr Hauptziel – eine Mitwirkung in den Gesellschafterorganen – zu erlangen oder Vorstandsmitglieder auszutauschen.
Die Vorstände legen allerdings die Hände ebenfalls nicht in den Schoß. „Sie stellen zunehmend ihre Geschäftsstrategien auf den Prüfstand und suchen nach Möglichkeiten, den Unternehmenswert zu steigern“, erläutert Wilsing.
Antonia Kögler ist Redakteurin bei FINANCE und Chefin vom Dienst bei DerTreasurer. Sie hat einen Magisterabschluss in Amerikanistik, Publizistik und Politik und absolvierte während ihres Studiums Auslandssemester in Madrid und Washington DC. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit Finanzierungsthemen und verfolgt alle Entwicklungen rund um Green Finance und Nachhaltigkeit in der Finanzabteilung.