Nächste Runde im M&A-Krimi um Osram: Der österreichische Halbleiterkonzern AMS hat am gestrigen Sonntagabend offiziell bestätigt, den angeschlagenen Lichtkonzern für 38,50 Euro je Aktie übernehmen zu wollen. Gemeinsam könne man ein „weltweit führender Anbieter von Sensorlösungen und Photonik“ werden, erklärte AMS-Chef Alexander Everke.
Die Offerte, die AMS in Aussicht stellt, bewertet Osram inklusive Schulden und Pensionsverpflichtungen mit 4,3 Milliarden Euro. Sie liegt damit 300 Millionen Euro über dem Angebot der Private-Equity-Investoren Bain und Carlyle, die die Münchener zu einem Unternehmenswert von 4 Milliarden Euro kaufen wollen. In Erwartung eines Bieterkampfes schnellte die Osram-Aktie am heutigen Vormittag um 10 Prozent nach oben und notiert derzeit bei etwas unter 35 Euro.
HSBC und UBS stellen Brückenfinanzierung für AMS
Die Pläne von AMS kommen nicht überraschend: Bereits vor knapp drei Wochen hatte der Halbleiterkonzern angekündigt, eine Übernahme von Osram prüfen zu wollen. Die Österreicher hatten erstmals bereits Mitte Juli öffentlich Interesse an Osram bekundet, dann aber nach wenigen Stunden einen Rückzieher gemacht, wohl weil die Finanzierung nicht stand.
Dieser Punkt scheint nun geklärt: Für die in Aussicht gestellte Offerte hat sich AMS eine 4,2 Milliarden Euro schwere Brückenfinanzierung bei der UBS und der HSBC gesichert. Einen Teil davon will der Konzern später durch eine 1,5 Milliarden Euro schwere Kapitalerhöhung ablösen, die ebenfalls von den beiden Banken garantiert wird.
AMS erwartet jährliche Synergien über 300 Millionen Euro
Dennoch würde die Übernahme die Verschuldung von AMS in die Höhe treiben: Unter Berücksichtigung der Kapitalerhöhung erwarte man einen Pro-Forma-Verschuldungsgrad zum Dezember 2019 von rund 4,3x, bezogen auf das Verhältnis der Nettoverschuldung zum operativen Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda), erklärte AMS. Bereinigt um Umsatzsynergien liege dieser Wert bei 3,2x.
Dem stehen nach Berechnungen der Österreicher hohe Synergien gegenüber. AMS will mit der Übernahme jährlich auf Vorsteuerbasis mehr als 300 Millionen Euro einsparen. Die erwarteten Kostensynergien geben die Österreicher mit 240 Millionen Euro an. Diese sollen vor allem durch die „Konsolidierung der kombinierten weltweiten Fertigungsinfrastruktur“ sowie durch die „Zusammenführung von Verwaltungsfunktionen, IT und F&E-Programmen“ erzielt werden. Die Umsatzsynergien kalkuliert AMS mit 60 Millionen Euro pro Jahr.
Die Kosten für die Integration von Osram veranschlagt der Konzern derweil mit einmalig 400 Millionen Euro. Allerdings dürfte die Zusammenführung ein echter Kraftakt werden: AMS erzielte 2018 einen Umsatz von 1,4 Milliarden Euro, das Übernahmetarget Osram ist mit 4,1 Milliarden Euro mehr als doppelt so groß.
Wie reagiert Osram auf die AMS-Ankündigung?
Noch sind diese Berechnungen allerdings rein theoretischer Natur. Denn AMS kann derzeit nach eigener Darstellung kein offizielles Übernahmeangebot für Osram unterbreiten. Hintergrund ist, dass das Unternehmen aus Premstätten bei Graz am 4. Juni ein zwölfmonatiges Stillhalteabkommen mit Osram unterzeichnet hatte, um im Gegenzug für eine vertiefende Due Diligence Einblick in die Bücher des MDax-Konzerns zu erhalten.
FINANCE-Köpfe
Nun hofft AMS darauf, dass das Osram-Management um CEO Olaf Berlien und CFO Ingo Bank dieses Abkommen aufhebt – und erwartet bis Donnerstag eine Antwort aus München. Gegenüber FINANCE zeigte sich ein Sprecher des Osram-Konzerns zurückhaltend. Man habe die Unterlagen von AMS über das Übernahmeinteresse erhalten und werte diese gerade aus. Erst danach wolle man sich dazu äußern – wann dies genau der Fall sein wird, ist bislang offen.
AGI lehnt Angebot der Finanzinvestoren ab
Derzeit unterstützt das Osram-Management die Offerte der Private-Equity-Investoren Bain und Carlyle. Doch der Druck auf die Vorstände Berlien und Bank wächst: Erst am vergangenen Donnerstag lehnte der Großaktionär Allianz Global Investors (AGI) das Angebot der Finanzinvestoren als zu niedrig ab. Zugleich kritisierte AGI Osrams Vorstand und Aufsichtsrat dafür, die Offerte zu unterstützen. Die Stimme der AGI hat Gewicht: Sie ist mit mehr als 9 Prozent an den Münchener Lichtkonzern beteiligt und damit der größte Einzelaktionär.
Am vergangenen Freitag sprach sich dann auch Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) gegen die Offerte aus. Damit schwinden die Chancen von Bain und Carlyle, die selbstdefinierte Mindestannahmeschwelle von 70 Prozent zu erreichen. Das Angebot der beiden Finanzinvestoren läuft noch bis zum 5. September. Auch die Österreicher wollen ein mögliches Übernahmeangebot an eine Mindestannahmeschwelle von 70 Prozent knüpfen.
Mit dem nun in Aussicht gestellten Gegenangebot von AMS wird der Gegenwind für Bain und Carlyle größer. Zumal auch die Österreicher signalisierten, zu Standort- und Beschäftigungsgarantien bereit zu sein, was ihnen Sympathien bei den Arbeitnehmervertretern sichern dürfte. Wichtige Unternehmensfunktionen sollten zwischen dem Osram-Sitz München und Premstätten aufgeteilt werden, erklärte AMS.
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