Eigentlich hätten bei Heitkamp & Thumann (H&T) schon die Korken knallen müssen. Die Düsseldorfer Industrieholding war in der Übernahmeschlacht um das operative Geschäft des Kunststoffspezialisten Balda auf den letzten Metern doch noch zum Zug gekommen. Die Hauptversammlung hatte dem Verkauf für 74 Millionen Euro mit 97,4 Prozent der Stimmen zugestimmt. Wer den Fall Balda in den letzten Wochen verfolgt hat, weiß jedoch: Nicht jeder Beschluss oder Vertrag ist auch das Papier wert, auf dem er steht.
Wenn das italienische Unternehmen Stevanato heute im Laufe des Tages tatsächlich ein verbindliches Angebot über 80 Millionen Euro abgeben sollte, wie es die Italiener in Aussicht gestellt haben, hängt der eigentlich schon beschlossene Deal mit H&T schon wieder in der Luft. Dann muss die Hauptversammlung neu abstimmen, und das Spiel geht von vorne los.
Das M&A-Chaos bei Balda ist ein Fest der Winkelzüge
Unmittelbar nachdem die Italiener auf der Bühne aufgetaucht waren, hatte H&T an der Hängepartie herumgemäkelt, vor deren Folgen für Balda gewarnt und für ein schnelles Closing geworben. Die Kritik hatte einen faden Beigeschmack, denn gerade H&T kann sich kaum beschweren. Die Holding hat auf ähnliche Weise den Münchener PE-Investor Paragon ausgestochen, wie es jetzt die Italiener versuchen.
Am 23. September hatte Balda nämlich mitgeteilt, dass der Vertrag über den Verkauf an Paragon unterzeichnet wurde. Nur die Zustimmung der Hauptversammlung stand noch aus. Paragon hatte sich vorab die Stimmen des Großaktionärs Elector gesichert, der 29,4 Prozent an dem Unternehmen hält.
Dann kam alles anders. H&T legte ein besseres Angebot vor, Paragon konterte. Genau dort wurde die Sache wirklich interessant. Denn mit dem verbesserten Angebot von Paragon wurde auch gleich vereinbart, dass die Abmachung vollständig erlischt, wenn H&T oder ein Dritter (!) ein Angebot von mindestens 74 Millionen Euro abgibt. Für Balda beziehungsweise Elector war das ein kluger Schachzug – sie hielten das Asset im Spiel und ihre möglicherweise lästigen Vertragsverpflichtungen in der Schwebe.
Aber warum hat sich Paragon auf diese merkwürdige Vereinbarung eingelassen? Vielleicht hatten die Münchener an diesem Punkt selbst keine Lust mehr, bei diesem Spiel mitzumachen. Stattdessen bekamen sie eine Break-up-Fee von 1,4 Millionen Euro. Dieser Betrag dürfte sowohl die entstandenen Due-Diligence- und Beratungs- als auch die Opportunitätskosten decken.
Balda spielt mit seinem Ruf als Investor und Akteur am M&A-Markt
Fast schon höhnisch liest sich rückblickend der Abschnitt über die Zukunft der Mitarbeiter in der ersten Pressemeldung zum Verkauf des Geschäfts an Paragon. Alleinvorstand Oliver Oechsle hatte damals verkündet, der Deal bedeute „Stabilität und Kontinuität“ für die Mitarbeiter.
Tatsächlich hatten die Eigentümer dann wohl doch anderes im Sinn – eine Erlösmaximierung, so knallhart und unverblümt, wie man sie selten am M&A-Markt sieht. Man kann sich vorstellen, wie unangenehm es für die Belegschaft sein muss, wenn sich der zukünftige Arbeitgeber quasi wöchentlich ändert.
Auch für die Reputation des Unternehmens ist das zähe Ringen sicher nicht förderlich. Das Unternehmen Balda, das nach dem Verkauf des operativen Geschäfts mit einer prall gefüllten Kasse übrig bleibt, will sich übrigens in Zukunft als Mittelstandsfinanzierer positionieren. Eine Werbekampagne als verlässlicher Partner ist diese M&A-Schlacht nicht.
Info
Die ganze Geschichte über die bizarre Übernahmeschlacht lesen Sie auf unserer Themenseite zu Balda.
Antonia Kögler ist Redakteurin bei FINANCE und Chefin vom Dienst bei DerTreasurer. Sie hat einen Magisterabschluss in Amerikanistik, Publizistik und Politik und absolvierte während ihres Studiums Auslandssemester in Madrid und Washington DC. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit Finanzierungsthemen und verfolgt alle Entwicklungen rund um Green Finance und Nachhaltigkeit in der Finanzabteilung.