Das Bayer-Management hat den Startschuss zu einer großen Straffung des Konzernportfolios gegeben. Da wegen des Monsanto-Zukaufs am Jahresende die Nettofinanzverschuldung 36 Milliarden Euro erreichen wird – hinzu kommen noch 8 Milliarden Euro Pensionslasten – und in den USA wegen der Glyphosat-Klagen milliardenschwere Schadensersatzzahlungen drohen, müssen Bayer-Chef Werner Baumann und Finanzchef Wolfgang Nickl die Bilanz stärken.
Neben dem Abbau von 12.000 Stellen, der ab 2022 die jährlichen Kosten um 2,2 Milliarden Euro drücken soll, hat Bayern gestern am späten Nachmittag gleich mehrere M&A-Prozesse offiziell angekündigt: Verkauft werden sollen die erst 2014 vom US-Konzern Merck & Co übernommenen Fußpflege- („Dr. Scholl’s“) und Sonnenschutzprodukte („Coppertone“), die 60-prozentige Beteiligung an dem Chemieparkbetreiber Currenta sowie das gesamte Geschäft mit Tierarzneien.
Schwache Verhandlungsposition bei Tierarznei-Deal
Das Tierarzneigeschäft ist mit 1,6 Milliarden Euro im internationalen Maßstab zu klein und macht auch weniger als 5 Prozent von Bayers Konzernumsatz aus. Bayer will die Investitionen, die nötig wären, um das Geschäft wettbewerbsfähig zu halten, nicht mehr tätigen.
Aber das Geschäftsfeld ist dennoch hoch profitabel und attraktiv. Ähnliche Unternehmen wurden in den vergangenen Jahren am M&A-Markt mit dem 4- bis 5-fachen Umsatz bewertet. Auch Bayer kann auf einen Verkaufserlös von 6 bis 7 Milliarden Euro hoffen, hat allerdings ein Problem: Weil die Marktkonsolidierung im Tierarzneigeschäft bereits stattgefunden hat, scheiden praktisch alle strategischen Käufer aus kartellrechtlichen Gründen aus.
Dies – und die angespannte finanzielle Lage des Konzerns – schwächt Bayers Verhandlungsposition. Außerdem hat die Tierarzneisparte in den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres einen Umsatz- und Ergebnisrückgang von 6 Prozent erlitten.
Anteil an Currenta könnte Bayer Milliardenerlös bringen
Für den Verkauf seines 60-Prozent-Anteils an dem Chemieparkbetreiber Currenta hat der Dax-Konzern Presseberichten zufolge der Investmentbank Morgan Stanley das Verkaufsmandat erteilt. Currenta erwirtschaftet bei einem Umsatz von 1,6 Milliarden Euro einen operativen Gewinn (Ebitda) von 250 Millionen Euro.
Ein Einstieg bei Currenta ist vor allem für Infrastrukturinvestoren interessant und könnte Bayer rund 1 Milliarde Euro bringen – falls es Bayer mit Unterstützung von Morgan Stanley gelänge, einen Currenta-Gesamtwert von etwa 2 Milliarden Euro durchzusetzen. Weil Currentas Erträge robust sind und der potentielle Käufer einen Mehrheitsanteil erwerben kann, könnte vielleicht sogar noch etwas mehr für Bayer herausspringen.
Bayer schreibt Wert von OTC-Produkten ab
Die beiden Marken „Dr. Scholl’s“ und „Coppertone“, die aus dem schwächelnden Bereich der rezeptfreien Medikamente stammen, haben 2017 zusammen 419 Millionen Euro erlöst. Beide gehören zu den zehn umsatzstärksten OTC-Produkten von Bayer. Währungsbereinigt sank ihr gemeinsamer Umsatz 2017 aber um rund 7 Prozent, und auch in den ersten drei Quartalen 2018 ging es weiter abwärts, wenn auch nur noch mit etwas mehr als 1 Prozent.
Im Consumer-Health-Geschäft erwirtschaftet Bayer Ebitda-Margen von 20 Prozent, und im Jahr 2014 zahlte Bayer 14,2 Milliarden US-Dollar – das 21-fache Ebitda – für die Übernahme des OTC-Geschäfts von Merck & Co, zu dessen wichtigsten Marken Coppertone und Dr. Scholl’s zählten.
Doch der Kaufpreis gilt rückblickend als weit überteuert, Bayer selbst bezeichnete die übernommenen Marken als weitaus schwächer als gedacht. Dennoch können Baumann und Nickl für Coppertone und Dr. Scholl’s auf einen Verkaufspreis von mehr als 1 Milliarde Euro hoffen. Vorher fallen im jetzt laufenden Quartal aber noch Wertberichtigungen von 2,7 Milliarden Euro allein im OTC-Geschäft an. Konzernweit sollen es 3,3 Milliarden Euro werden.
FINANCE-Köpfe
Covestro-Ausstieg brachte Bayer 9 Milliarden Euro
Mit diesem hochwertigen Dealflow dürfte Bayer auch im nächsten Jahr einer der wichtigsten Kunden der weltweiten Investmentbanking-Szene werden – wie auch schon in diesem Jahr. Schließlich sind die anstehenden Divestments nicht die ersten großen Verkäufe, mit denen Bayer versucht, die Bilanzrelationen im Lot zu halten.
Im August verkaufte der Dax-Konzern sein Dermatologie-Geschäft an die dänische Leo Pharma. Es dürfte ein Verkaufserlös von rund 500 Millionen Euro geflossen sein . Und durch den in mehreren Tranchen erfolgten Ausstieg aus der der Ex-Chemietochter Covestro flossen Bayer insgesamt 9 Milliarden Euro zu. Dort hatte Bayer Glück mit dem Timing: Seitdem der Konzern im Mai den Covestro-Ausstieg abschloss, hat die Covestro-Aktie mehr als ein Drittel ihres Werts eingebüßt.
Info
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