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„Chinesen sind bei M&A-Deals nicht mehr auf Schnäppchen aus“

Der traditionelle Fernsehhersteller Metz wurde von der chinesischen Skyworth gekauft. Das Auftreten der chinesischen Investoren hat sich inzwischen verändert.
Scanrail/istock/Thinkstock/GettyImages

In den vergangenen Jahren haben M&A-Deals mit Chinesen stark zugenommen. Zwischen 2002 und 2010 gab es insgesamt nur 30 Übernahmen deutscher Unternehmen durch chinesische Käufer – inzwischen gibt es 20 bis 30 Deals pro Jahr, beispielsweise jüngst die Übernahme des Fernsehherstellers Metz durch Skyworth. Was hat sich verändert?
Vor allem zwei Punkte haben sich verändert: Die chinesischen Investoren sind deutlich professioneller geworden. Sie haben aus den M&A-Deals der vergangenen Jahre gelernt und treten erfahrener auf. Zudem haben Sie auch ihre Skepsis gegenüber Beratern weitgehend abgelegt und greifen bei immer mehr Transaktionen auf deren Know-how zurück.

Woran machen Sie die Professionalisierung fest?
Viele chinesische Investoren verstehen jetzt besser, wie die deutschen Unternehmen ticken und gehen darauf ein. Ein Beispiel: Vor einigen Jahren noch erzählte mir ein chinesischer Investor, wie er in ein deutsches Unternehmen einsteigen wollte. Zu Beginn der Verhandlungen stellte er eine Kopie des Unternehmensprodukts auf den Tisch. Dann erläuterte er dem Eigentümer stolz, wie gut er das Produkt kopiert habe und dass die beiden Unternehmen demnach ideal zusammenpassen würden. Der Eigentümer wollte gar nichts davon wissen und brach das Gespräch direkt ab. Für den chinesischen Investor kam das völlig überraschend. Er war enttäuscht und verstand nicht, was schief gelaufen war. So eine Geschichte würde heute nicht mehr passieren.

Viele deutsche Unternehmen sind auch ablehnend, weil chinesische Unternehmen lange Zeit den Ruf von Schnäppchenjägern hatten, die die Unternehmen aus der Insolvenz kaufen und ausnehmen.
Hier hat sich inzwischen auch vieles verändert. Tatsächlich waren früher ein Drittel der M&A-Deals mit deutschen Targets Käufe aus der Insolvenz heraus. Wichtig war für die chinesischen Investoren vor allem, dass sie einen möglichst niedrigen Preis für das Unternehmen zahlten und von der Technologie des Targets profitierten, um das eigene Unternehmen zu stärken. Inzwischen ist der Anteil der aus der Insolvenz heraus erworbenen Unternehmen auf rund zehn Prozent der Deals gesunken – und er wird aus meiner Sicht noch weiter zurückgehen. Die Chinesen sind nicht mehr auf Schnäppchen aus.

M&A-Deals: Anzahl der Totalausfälle ist gesunken

Worauf sind Sie stattdessen aus?
Das Motto ist jetzt: Lieber mehr Geld in die Hand nehmen und ein gesundes Unternehmen kaufen, anstatt sich mit der Restrukturierung herumzuschlagen. Zudem haben marktstrategische Überlegungen deutlich an Bedeutung gewonnen: Über den Kauf will man sich bei potentiellen Kunden hierzulande und in Europa besser aufstellen, das ist zum Beispiel bei Automobilzulieferern häufig der Fall. Oder man möchte ein globales Vertriebsnetz aufbauen und neue geographische Bereiche erschließen, wie das jetzt auch bei der Übernahme von Metz durch Skyworth ist. Solche Aspekte sind inzwischen wichtiger als früher.

Macht sich das auch in der Anzahl der Totalausfälle nach der Übernahme bemerkbar?
Zumindest sieht man, dass es immer weniger solcher Totalausfälle gibt. Zum Beispiel mussten von den 30 Unternehmen, die Chinesen zwischen 2002 und 2010 übernommen hatten, sieben Insolvenz anmelden, oder die chinesischen Gesellschafter schieden unfreiwillig wieder aus – eine sehr hohe Quote. In den vergangenen fünf Jahren sind von den rund 120 übernommenen Targets nur drei durch Insolvenz nach der Übernahme ausgefallen. Und das waren Unternehmen, die meiner Meinung nach ohnehin in einer sehr schwierigen Lage waren, zum Beispiel aus der Solarbranche. Da konnten die chinesischen Käufer nichts dafür.

Verändern sich die Sektoren, in denen chinesische Investoren sich engagieren?
Ja, früher waren der Maschinen- und Anlagenbau sowie der Industriegüter-  und Automobilzulieferersektor sehr beliebt. Rund 80 Prozent der M&A-Transaktionen fanden in diesen Bereichen statt. Sie sind nach wie vor wichtig – doch die Investitionen sind jetzt grundsätzlich stärker diversifiziert. Der Bereich der erneuerbaren Energien oder der Konsumgüter, aber auch Flugzeug- und Bahntechnik sowie Elektronik finden sich immer häufiger unter den M&A-Deals. Ich denke, dass der Branchenfokus in Zukunft noch breiter wird. Der einzige Bereich, in den die Chinesen in Deutschland nach wie vor nicht investieren, sind Start-Ups – da ist der Blick vor allem nach Silicon Valley gerichtet, wo die chinesischen TMT-Giganten große Summen in junge Unternehmen investieren.

julia.becker[at]finance-magazin.de

Wei Wang ist als Director am Düsseldorfer Standort von KPMG tätig. Sein Schwerpunkt ist die Betreuung chinesischer Investoren in Deutschland.

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