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Corona: So sollen Staatsbeteiligungen jetzt Unternehmen retten

Wegen der Corona-Krise greift der Staat zu drastischen Maßnahmen: Um kriselnde Unternehmen vor dem Sterben zu schützen, sind jetzt auch staatliche Beteiligungen möglich.
RomanBabakin/iStock/Getty Images

Wegen der durch das Coronavirus ausgelösten Krise hat der Staat einen Wirtschaftsstabilisierungsfonds aufgelegt, um in Not geratene Unternehmen finanziell zu stützen. Neben vom Staat bereitgestellten Garantien und Rekapitalisierungsmaßnahmen wie Mezzanine-Finanzierungen sieht ein Teil des Pakets aber auch staatliche Beteiligungen an Unternehmen vor. Für diese Hilfsmaßnahme nimmt die Regierung stolze 100 Milliarden Euro an Kreditermächtigungen in die Hand. Wie viel Geld der Staat in ein einzelnes Unternehmen investieren darf, ist dabei nicht limitiert.

Doch wie sieht diese Staatsbeteiligung in der Praxis aus? Konkret kann die direkte Beteiligung zwei verschiedene Formen haben, weiß CMS-Rechtsanwalt Richard Mitterhuber: „Erstens gibt es eine sogenannte ‚stille Beteiligung‘ mit in der Regel eingeschränkten Mitspracherechten des Gesellschafters – so wie etwa sie die Commerzbank in der Finanzkrise anfangs eingegangen ist. Zweitens kann der Staat wie ein gewöhnlicher Gesellschafter stimmberechtige Anteile erwerben."

Die Höhe der Beteiligung, ebenso wie die Ein- und Ausstiegsbedingungen, werden dabei individuell vertraglich festgelegt. „Ob ein Minderheits- oder Mehrheitsanteil sinnvoller ist, muss je nach Einzelfall entschieden werden. Wahrscheinlich werden wir aber eher Minderheitsbeteiligungen sehen“, erwartet Mitterhuber. 

Regierung nennt klare Kriterien für Corona-Beteiligung

Welche Unternehmen die Hilfen beantragen dürfen, ist klar definiert. „Das antragstellende Unternehmen muss mindestens 250 Mitarbeiter beschäftigen, 50 Millionen Euro umsetzen und eine Bilanzsumme von 43 Millionen Euro vorweisen“, erläutert der Anwalt. Mindestens zwei dieser drei Kriterien müssten dabei in den vergangenen beiden Geschäftsjahren vor dem 1. Januar 2020 erfüllt sein.

Zwei Ausnahmen gebe es aber: Auch kleinere Unternehmen, die zur kritischen Infrastruktur gehören, sowie Start-ups, die seit 2017 in mindestens einer Finanzierungsrunde mit einem Unternehmenswert von mindestens 50 Millionen Euro bewertet wurden, dürfen die Hilfen beantragen.

„Die Staatsbeteiligung ist eine Ultima Ratio: Nur wenn keine anderweitigen Finanzierungsmöglichkeiten bestehen, darf das Unternehmen staatliche Unterstützung einfordern.“

Richard Mitterhuber, Rechtsanwalt bei CMS

Eine weitere Voraussetzung: Die Antragsteller dürfen parallel keine anderen Corona-Finanzhilfen beziehen. „Die Staatsbeteiligung ist eine Ultima Ratio: Nur wenn keine anderweitigen Finanzierungsmöglichkeiten bestehen, darf das Unternehmen staatliche Unterstützung einfordern“, erklärt der Anwalt.

Letztlich liege es im Ermessen des Staates, ob er eine Beteiligung eingeht oder nicht. „Daher müssen die Unternehmen in ihrem Antrag deutlich machen, dass sie eine wichtige Bedeutung für die deutsche Wirtschaft haben und ihre Gefährdung erhebliche Auswirkungen auf Produktions- oder Lieferketten hätte“, stellt Mitterhuber klar. Auch der Verweis auf eine sparsame und umsichtige Unternehmensführung könne dem Antragsteller helfen.

Zudem dürfe das Unternehmen nicht bereits zum 31. Dezember 2019 in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten gewesen sein. Gerade wenn es zu einer regelrechten Antragsflut kommen sollte, müsse der Staat unschlüssige oder weniger dringliche Anträge aussortieren. Insgesamt gelte dem Anwalt zufolge daher: „Je besser ein Antrag auf Stabilisierungsmaßnahmen des Staates vorbereitet ist, desto höher sind die Aussichten auf Hilfe und damit ein Fortbestand des Unternehmens über die Krise hinaus.“ 

Staat wird bei Corona-Beteiligungen mitreden

Unternehmen, die mit einer Beteiligung liebäugeln, müssen aber weitreichende Folgen beachten. „Die Regierung hat sehr strenge Compliance-Vorgaben und auch ein großes Informationsbedürfnis, das Unternehmen auch stillen müssen“, weiß Richard Mitterhuber. Zudem werde der Staat einschneidende Mitspracherechte aushandeln, gibt der der Anwalt zu bedenken. „Das können Vetorechte sein – vermutlich verlangt der Staat aber weitreichenderen Einfluss.“

„Sicherlich wird der Staat auch bei der Managervergütung mitbestimmen.“

Richard Mitterhuber

So etwa bei der Mittelverwendung, bei der Aufnahme weiterer Kreditlinien, bei der Dividendenpolitik oder auch bei weitergehenden Restrukturierungsmaßnahmen. Einen weiteren Punkt sollten vor allem Vorstände wie CFOs im Blick haben: „Sicherlich wird der Staat auch bei der Managervergütung mitbestimmen.“ Wie streng genau, sei indes noch nicht absehbar.

Und auch eine finanzielle Gegenleistung wird der Staat verlangen. „Das ist in der Regel eine Verzinsung der Leistung“, berichtet Richard Mitterhuber. Konkrete Erfahrungswerte gebe es nicht, Beispiele aus der Finanzkrise zeigen aber: auf Kapitaleinlagen sind Zinsen von 9 bis 10 Prozent marktgerecht. Der Antrag auf Staatsbeteiligung sollte also wohl überlegt sein, rät der Rechtsexperte.

Automotive und Tourismus könnten Hilfe beantragen

Bislang seien noch keine Anträge für eine Staatsbeteiligung beim Ministerium eingegangen, berichtet Richard Mitterhuber. „Das Interesse ist aber da“, fügt der Anwalt hinzu. „Es sind schon zahllose Anfragen beim Ministerium bezüglich der Organisation und der Zuständigkeiten der Staatsbeteiligungen eingegangen. Eine Reihe von Anträgen werden derzeit von uns vorbereitet.“ 

„Es sind schon zahllose Anfragen beim Ministerium bezüglich der Organisation und der Zuständigkeiten der Staatsbeteiligungen eingegangen.“

Richard Mitterhuber

Gerade Automobilzulieferer könnten auf Drängen der OEMs hin eine Staatsbeteiligung beantragen – vor allem weil sie die Produktions- und Lieferketten der Autoindustrie schultern. Auch der Einzelhandel – allen voran die Textilindustrie –, ebenso wie die schwer getroffene Tourismusbranche könnten ein Kandidat für Staatsbeteiligungen sein, wenngleich die Branchenteilnehmer oft keine Schlüssellieferanten sind.

Eine Staatsbeteiligung können Unternehmen bis zum 31. Dezember 2021 beim Bundeswirtschaftsministerium beantragen. Ein Zeichen der Bundesregierung, dass sie schätzt, dass die Corona-Krise auch noch weit über das Jahr 2020 hinaus seine Spuren in der deutschen Wirtschaft hinterlassen wird.

olivia.harder[at]finance-magazin.de

Info

Mehr über die Corona-Krise und die neusten Entwicklungen lesen Sie auf unserer FINANCE-Themenseite Coronavirus.

Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.

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