Die Deutsche Börse verkauft für 1,1 Milliarden US-Dollar die amerikanische Optionsbörse International Securities Exchange (ISE) an die US-Technologiebörse Nasdaq. Damit beendet die Deutsche Börse ein missglücktes Kapitel ihrer M&A-Historie. Sie hatte den Betreiber von drei Aktienbörsen 2007 vor der Finanzkrise für einen Kaufpreis von knapp 3 Milliarden Dollar erworben. Das Geschäft entwickelte sich jedoch nie so wie geplant, die Deutsche Börse nahm im Laufe der Zeit mehrere Wertberichtigungen vor und schrieb den Unternehmenswert der ISE weitgehend ab.
Dadurch kann sie jetzt einen Verkaufsgewinn im hohen dreistelligen Millionenbereich einstreichen und sich von einer Altlast befreien. Der Chef der Börse Carsten Kengeter spricht deshalb von „aktiver Steuerung des Portfolios.“
In dem Deal sind zwei Beteiligungen – die kleine Börse Bats Global Markets und der Blockchain-Anbieter Digital Asset Holdings – nicht enthalten, sie verbleiben weiterhin bei der Deutschen Börse. Der Abschluss der Transaktion wird für die zweite Jahreshälfte 2016 erwartet, die Zustimmung der Behörden steht noch aus.
ISE-Verkauf bringt Deutscher Börse Rückenwind für LSE-Übernahme
Neben der Bereinigung des eigenen Geschäfts könnte der Deal auch für CEO Carsten Kengeters nächstes Großprojekt hilfreich sein. Der Kaufpreis und die verbesserte Eigenkapitalposition geben Kengeter mehr Spielraum, in dem umkämpften Deal um die London Stock Exchange (LSE) bei Bedarf eine Cash-Komponente zu zahlen. Neben der Deutschen Börse ist offenbar auch der Börsenkonzern Intercontinental Exchange (ICE), zu dem die New York Stock Exchange (NSYE) gehört, an der LSE interessiert. Marktgerüchten zufolge könnte auch die Chicago Mercantile Exchange (CME) mitbieten.
Der überraschende Verkauf der ISE verbessert außerdem die Eigenkapitalquote der Deutschen Börse. Das könnte die Position der Handelsplattform bei dem geplanten Zusammenschluss mit der LSE verbessern – die beiden Börsenkonzerne wollen durch einen Aktientausch zusammengehen. Das Umtauschverhältnis dürfte sich durch den ISE-Deal theoretisch zu Gunsten der Deutschen verschoben haben.
Kengeter tut auch wieder was für sein Prestige: Mit dem Verkauf zeigt er, dass er nicht nur zukaufen, sondern auch unprofitables Geschäft entsorgen kann. Für ihn hängt am Ausgang des LSE-Deals auch ein persönlicher Karrieresprung. Nach einem Zusammenschluss würde er den Chefposten bei Europas größter Börse bekommen. Für CFO Gregor Pottmeyer stünde nach einem erfolgreichen Zusammenschluss dagegen der Verlust seines Postens als Finanzchef.
Antonia Kögler ist Redakteurin bei FINANCE und Chefin vom Dienst bei DerTreasurer. Sie hat einen Magisterabschluss in Amerikanistik, Publizistik und Politik und absolvierte während ihres Studiums Auslandssemester in Madrid und Washington DC. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit Finanzierungsthemen und verfolgt alle Entwicklungen rund um Green Finance und Nachhaltigkeit in der Finanzabteilung.