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Dürr wagt riskante US-Akquisition

Mit einem riskanten US-Zukauf verdoppelt Dürr die Größe seiner Umwelttechniksparte.
Dürr

Der schwäbische Anlagenbauer Dürr wagt eine Turnaround-Spekulation in den USA. Für 110 Millionen Euro erwirbt der MDax-Konzern das industrielle Umwelttechnikgeschäft des US-Konzerns Babcock & Wilcox (B&W) um die beiden Kernmarken Megtec und Universal. Die beiden Unternehmen produzieren Abluftreinigungsanlagen, aber auch Schallschutzsysteme und Maschinen zur Beschichtung von Elektroden für Lithium-Ionen-Batterien.

Der Deal soll im dritten Quartal abgeschlossen werden. Den Kaufpreis kann Dürr aus bestehenden Mitteln bezahlen: Die Nettofinanzposition lag Ende 2017 bei rund 200 Millionen Euro und wird durch die Übernahme bis zum Ende dieses Jahres auf 90 bis 130 Millionen Euro sinken.

Flaute bei den Dürr-Targets Megtec und Universal

Carlo Crosetto, Wienerberger AG

Carlo Crosetto startet seine berufliche Laufbahn 1993 bei Daimler. In seinen ersten Jahren ist der gebürtige Italiener vor allem im asiatischen Raum tätig. 2005 wird Crosetto Finanzchef des Mercedes-Joint-Ventures mit dem chinesischen Autobauer BAIC in Peking, bis es ihn 2008 als kaufmännischen Leiter zu Mercedes-AMG ins baden-württembergische Affalterbach zieht.

2010 kehrt er zurück nach Asien zum Mischkonzern RMA Group, wo er bis Ende 2016 als Finanzvorstand maßgeblich an der Expansion des Unternehmens mitarbeitet. Nach einem kurzen Stopp als Managing Director bei der Unternehmensberatung Bucheim wird Crosetto im März 2017 CFO des Maschinen- und Anlagenbauers Dürr.

Im Juli 2019 gibt Dürr bekannt, dass Crosetto seinen bis Februar 2020 laufenden Vertrag nicht verlängern und das Unternehmen verlassen wird. Er geht zum österreichischen Ziegelhersteller Wienerberger, wo er allerdings nur ein Jahr lang bleibt. 

zum Profil

Dürr setzt darauf, dass die Verschärfung der Umweltvorschriften vor allem in den Schwellenländern den Absatz der Produkte von Megtec und Universal antreiben wird. In der Gegenwart allerdings kämpfen die beiden B&W-Töchter mit einer Ertragskrise. Schwache Endmärkte in gleich mehreren Kundengruppen haben 2017 zu einem Umsatzeinbruch von 15 Prozent auf umgerechnet 198 Millionen Euro geführt. Auf Basis des Gewinns vor Zinsen und Steuern (Ebit) waren Megtec und Universal nur noch marginal profitabel. Im laufenden Jahr soll sich zumindest der Ertrag wieder leicht erholen: Angepeilt wird eine Ebit-Marge von 5 Prozent bei einem konstanten Umsatz.

„Megtec und Universal gehören zu den wenigen M&A-Targets signifikanter Größenordnung“, begründet Dürr den Zukauf. Zudem seien die Neuzugänge regional und produktseitig komplementär zu den bestehenden Umwelttechnikgeschäften von Dürr, die in etwa genauso groß sind wie die beiden US-Targets. Zudem kämen neue Absatzmärkte hinzu: Während Dürr seine Umwelttechnik bislang hauptsächlich in die Chemie-, Pharma- und Automobilindustrie liefert, bedienen die beiden M&A-Targets stärker die Verpackungs-, Bergbau- und Energiebranche.

Zukäufe sollen 2021 Konzern-Margenniveau erreichen

Zusammen wird Dürr künftig in diesem Bereich mit 1.500 Mitarbeiten 400 Millionen Euro umsetzen. Die Ebit-Marge soll nächstes Jahr 4 bis 5 Prozent erreichen. Das Management des Anlagenbauers um CFO Carlo Crosetto sieht jedoch großes Verbesserungspotential: Bis 2021 soll der Umsatz auf bis zu 500 Millionen Euro steigen, für die Ebit-Marge setzt Dürr ein Ziel von 6 bis 7 Prozent. Aber auch dies läge immer noch unter der konzernweit erzielten Marge, die derzeit rund 7,5 Prozent beträgt. 

Heben will Dürr das Ertragsniveau durch Kostensynergien, die Standardisierung von Produkten und den Ausbau des Service-Geschäfts. Ausgangspunkt dafür soll „das umfassende Service-Netzwerk von Megtec“ sein, das Spartenchef Daniel Schmitt ausdrücklich lobt. Die entsprechenden Dürr-Aktivitäten will er darauf aufsetzen. 

Dürr hat Erfahrung mit schwierigen M&A-Deals

Zunächst einmal sorgt die Akquisition aber für eine Dämpfung der Gewinnerwartungen. Mit der Akquisition verbundene Sondereffekte, aber auch die margenverwässernde Einbeziehung der neuen US-Töchter im zweiten Halbjahr sorgen dafür, dass Dürr seine Margenprognose für dieses Jahr leicht um 0,3 Prozentpunkte auf knapp 7 Prozent absenken muss. Nichtsdestotrotz goutieren die Anleger das M&A-Manöver: Zum Handelsstart schoss die Dürr-Aktie um mehr als 2 Prozent in die Höhe und baute diese Kursgewinne bis zum Mittag sogar noch auf über 4 Prozent aus.

„Die Dürr-Umwelttechnik war in den vergangenen Jahren eine Problemsparte, es gab Teilverkäufe und Restrukturierungen. Die Übernahme wird nun aber eine stärkere Organisation kreieren“, ordnen die Analysten vom Bankhaus Lampe den Zukauf ein. 

Tatsächlich hat Dürr in der Vergangenheit bereits bewiesen, dass es sperrig wirkende M&A-Targets erfolgreich in den Konzern integrieren kann. 2014 etwa übernahmen die Schwaben den Holzmaschinenbauer Homag, der so gut wie keine Berührungspunkte zum Restgeschäft von Dürr hatte. Unter der Regie des damaligen CFOs Ralph Heuwing, der persönlich die Verantwortung für Homag übernahm, konnte Homag seitdem bei Umsatz und Ergebnis stark zulegen. Erfolgs-CFO Heuwing hat Dürr aber inzwischen verlassen und ist jetzt CFO des an die Börse strebenden Familienunternehmens Knorr-Bremse.

Info

Mehr über die beiden CFOs erfahren Sie in den FINANCE-Köpfe-Profilen von Ralph Heuwing und Carlo Crosetto.

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