Kritisches Know-how vor dem Zugriff ausländischer Investoren EU-weit schützen: Das ist das hehre Ziel der heftig diskutierten neuen EU-Regeln für Investitionskontrollen. Die Übernahme von Kuka durch den chinesischen Hausgerätekonzern Midea hatte das Thema in Deutschland auf die Agenda gerückt, jüngstes Beispiel für den Vormarsch ausländischer Käufer in Deutschland ist der in dieser Woche bekannt gegebene Verkauf des Autozulieferers Grammer an Ningbo Jifeng.
EU-Kommission und -Parlament haben sich zuletzt schon für neue Regelungen ausgesprochen, die diese Entwicklung dämpfen sollen. Das EU-Parlament ist in dieser Woche in manchen Punkten sogar noch über den Vorschlag der Kommission hinausgegangen. Neue Investitionskontrollen könnten M&A-Deals für Unternehmen, die mit internationalen Kaufinteressenten verhandeln, deutlich erschweren. Die wichtigsten Auswirkungen erklärt Bärbel Sachs, Leiterin des Teams Außenhandelsrecht der Kanzlei Noerr, im Interview mit FINANCE.
Das Europäische Parlament hat sich in dieser Woche für neue EU-Regeln für Investitionskontrollen ausgesprochen und damit einen Vorschlag der EU-Kommission aus dem vergangenen Herbst unterstützt. Das hat Folgen für das M&A-Geschäft in Europa. Was sind die wesentlichen Punkte?
Bisher gab es auf europäischer Ebene keine Vorschriften zur Überprüfung von ausländischen Direktinvestitionen. Das Gesetzesvorhaben sieht nun einen Rahmen für mitgliedstaatliche Prüfverfahren vor und nimmt insbesondere Investitionen in kritische Infrastrukturen und in Zukunftstechnologien in den Blick. Hiermit wird der Spielraum der Mitgliedstaaten zugleich erweitert und beschränkt. Deutschland hat bereits verhältnismäßig strenge Vorschriften über Beschränkungen ausländischer Direktinvestitionen und wendet diese auch an. Einschneidende Wirkung könnte eine Verschärfung sein, die das Parlament nun dem Vorschlag der EU-Kommission hinzugefügt hat: Künftig sollen auch Organisationen der Zivilgesellschaft eine Überprüfung einer Transaktion anregen dürfen. Das wäre für die Gewerkschaften ein Hebel, um Druck auf unliebsame Käufer aufzubauen.
Mit ungewissen Folgen für geplante M&A-Deals.
Ja. Es gibt das Risiko, dass die Regelung als wirtschaftspolitisches Instrument missbraucht wird, obwohl sie dies ausdrücklich nicht Zielsetzung der Regelung sein soll.
Denken Sie, dass bei einer Umsetzung der Regeln künftig mehr Unternehmensverkäufe in Nicht-EU-Länder scheitern würden?
Es würden sicherlich deutlich mehr Transaktionen mit ausländischen Investoren überprüft. Ich sehe die Gefahr, dass diese Investoren gegenüber europäischen benachteiligt sein könnten. Eine Überprüfung wird einige Zeit beanspruchen, Transaktionen würden langwieriger – das Gelingen wäre in einigen Fällen letztlich nicht sicher.
Höheres Risiko für Leaks bei M&A-Deals
Lässt sich abschätzen, wie lange ein solcher Prüfprozess dauern würde?
Der Prüfprozess würde in der Praxis sicherlich verlängert. Der aktuelle Vorschlag sieht einen Kooperationsmechanismus vor – bei Prüfverfahren müssten andere Mitgliedstaaten sowie die Kommission informiert werden. Das ist in zweierlei Hinsicht bedenklich: Zum einen führt eine Vielzahl von Beteiligten der Erfahrung nach häufig zu zähen und unflexiblen Verfahren. Zum anderen hat bei M&A-Transaktionen das Thema Vertraulichkeit eine enorm hohe Bedeutung. Je mehr Stellen über Informationen zu einem Deal verfügen, um so größer ist auch das Risiko, dass es zu Leaks kommt.
Können Sie bei aller Kritik dem Vorschlag auch positive Seiten abgewinnen?
Ein Vorteil des Kommissionsvorschlages liegt darin, dass die Staaten der Kommission melden müssten, welche Transaktionen sie in welcher Weise beschränkt haben, und warum sie dies getan haben. Das kann auch einen disziplinierenden Effekt haben. Auch die EU-Kommission hat schließlich kein Interesse daran, dass eine Regelung von einzelnen Staaten zu industriepolitischen Zwecken missbraucht wird.
Der europäische Ministerrat muss den Vorschlägen noch zustimmen, damit sie in Kraft treten können. Wie sehen Sie die Chancen für eine Umsetzung?
Es ist keinesfalls sicher, dass die Regelung umgesetzt wird. Zwar zählen mit Deutschland, Frankreich und Italien drei große Akteure zu den Staaten, die sich einen europäischen Rahmen wünschen. Doch insgesamt ist das Vorhaben ist unter den Mitgliedsstaaten sehr umstritten.