Evonik leitet die dritte große US-Übernahme in weniger als drei Jahren ein. Für 625 Millionen US-Dollar (548 Millionen Euro) übernimmt der MDax-Konzern das in Philadelphia ansässige US-Chemieunternehmen Peroxychem. 2016 hatten die Essener für zusammen 4,4 Milliarden Dollar bereits eine große Sparte des US-Konzerns Air Products sowie die Silicasparte des Mischkonzerns JM Huber übernommen. Mit dem heute angekündigten Deal steigt Evoniks M&A-Investment in den USA auf über 5 Milliarden Dollar.
Peroxychem operiert in Wachstumsfeldern
Peroxychem produziert spezielle Wasserstoffperoxid-Produkte, die unter anderem in der Abwasserbehandlung und in der Reinigung von Halbleiterfabriken eingesetzt werden. Damit erzielen die Amerikaner jährliche Wachstumsraten von 5 bis 7 Prozent, während die Zuwächse bei Standardanwendungen auf Wasserstoffperoxid-Basis eher bei 3 Prozent liegen.
Bei Evoniks bestehendem, kleinem Wasserstoffperoxid-Geschäft kommen die stark wachsenden Spezialitäten auf einen Gewinnanteil von 50 Prozent, bei Peroxychem machen sie knapp 75 Prozent aus. Beiden Unternehmen gelang es in den vergangenen vier Jahren, ihre operativen Gewinne (Ebitda) mit Wasserstoffperoxid-Produkten im Schnitt um über 10 Prozent zu steigern.
Evonik bezahlt über 10x Ebitda für Peroxychem
Entsprechend hoch ist die Bewertung, die Evonik für Peroxychem akzeptieren muss. Der Kaufpreis entspricht dem 10,4-fachen bereinigten Ebitda des laufenden Jahres, das Peroxychem auf 60 Millionen Dollar beziffert. Evonik verweist aber darauf, dass inklusive der geplanten Synergien von 20 Millionen Dollar pro Jahr, die bis 2022 voll realisiert werden sollen, das Kaufpreis-Multiple nur noch 7,8x Ebitda betragen würde. Für ein Chemieunternehmen ist aber selbst dies noch ein vergleichsweise hoher Wert.
Verkäufer ist der US-Finanzinvestor One Equity Partners, unter dessen Regie Peroxychem ein großes Investitionsprogramm gestartet hat. Seit 2015 fließen jedes Jahr rund 10 Prozent des Umsatzes in Investitionen. Ab 2020 soll sich die Investitionsquote dann aber wieder auf 6 Prozent normalisieren, verspricht Evonik. Dann soll sich die Akquisition auch positiv auf das bereinigte Ergebnis pro Aktie und den freien Cashflow des MDax-Konzerns auswirken.
FINANCE-Köpfe
Evonik-CFO Ute Wolf lobt Cashflow von Peroxychem
„Peroxychem ist hochprofitabel, die Ebitda-Marge liegt mit konstant 20 Prozent etwa 2 Prozentpunkte über dem heutigen Niveau des Evonik-Konzerns“, kommentiert Evonik-Finanzchefin Ute Wolf den Zukauf. Sie setzt darauf, dass der Neuerwerb mittelfristig 60 Prozent seines operativen Gewinns zu freiem Cashflow konvertieren kann. Gelänge dies, könnte Peroxychem auch selbst einen nennenswerten Beitrag zur Refinanzierung des Deals liefern, denn Evonik will den Kaufpreis ausschließlich aus bestehenden Mitteln und fest zugesagten Kreditlinien finanzieren.
Das Target scheint das zuzulassen: Peroxychem zeichnet sich laut Evonik-Chef Christian Kullmann „durch überdurchschnittliches Wachstum, niedrige Kapitalintensität und geringe zyklische Schwankungen aus“. Das Closing der Transaktion ist für Mitte 2019 geplant.
Investorenstimmung dreht sich gegen Evonik (Jahreschart)
Hohe Schulden und Pensionszusagen belasten Evonik
Die Börse sieht den Deal allerdings kritisch. In einem stabilen Handelsumfeld büßt die Evonik-Aktie bis zum Mittag mehr als 3 Prozent ein. Grund für die Besorgnis der Investoren: Die großen Zukäufe der vergangenen Jahre sowie milliardenschwere Pensionslasten haben zu einer vergleichsweise hohen Verschuldung geführt. Aktuell beträgt die Nettofinanzverschuldung 3,2 Milliarden Euro, hinzu kommen Pensionsrückstellungen von fast 3,9 Milliarden Euro. Für das Gesamtjahr erwarten die Essener ein Ebitda von gut 2,6 Milliarden Euro.
Allerdings bereitet Evonik gerade den Verkauf des Methacrylatgeschäfts vor, das sich aktuell in einer zyklischen Hochphase befindet. Noch vor Jahresende will sich Evonik für einen Käufer entscheiden, das Interesse ist offenbar groß. Analysten zufolge kann Evonik auf einen Verkaufserlös von 2 bis 2,5 Milliarden Euro erhoffen, was die Bilanzsituation deutlich entspannen würde.
Info
Erfahren Sie mehr über die Finanzchefin hinter dem Deal im FINANCE-Köpfe-Profil von Ute Wolf.