Flaconi-Deal: So profitieren Zalando und ProSiebenSat.1

Der Unterhaltungskonzern ProSiebenSat.1 und der Finanzinvestor General Atlantic wollen ihre gemeinsam gehaltene Kosmetiktochter Flaconi verschiedenen Medienberichten zufolge verkaufen. Als Interessenten für die Sparte gelten unter anderem die Parfümerien Douglas und Sephora, der Wert von Flaconi wird auf bis zu 1 Milliarde Euro taxiert. Ein Kaufinteressent sticht aus der Masse heraus: Zalando. Der strategische Charme des Deals für Zalando: Das Unternehmen wird derzeit noch mit Mode assoziiert, hat aber sowohl die Logistik als auch die IT-Fähigkeiten und die Markenstärke, um den Sprung zu einem europaweit agierenden E-Commerce-Vollsortimenter zu schaffen. Durch eine Übernahme von Flaconi könnte Zalando schlagartig zu einer ernstzunehmenden Größe im Beauty-Geschäft aufsteigen – die starke Überschneidung der Käufergruppen von Beauty- und Modeprodukten lässt enorme Umsatzsynergien erwarten. Bisherige Versuche von Zalando, im Kosmetikgeschäft aus eigener Kraft Fuß zu fassen, versandeten jedoch.Multiples ließen noch höheren Wert für Flaconi zuDoch genau wegen dieser Kombination aus aktueller Schwäche und verheißungsvollen Perspektiven könnten die Verkäufer und die Mitbieter Zalando in der beginnenden M&A-Auktion vor sich her treiben – und den Kaufpreis sogar noch über die Milliardenmarke hinaus treiben. Die Multiples ließen das zu. Flaconi erwirtschaftete 2020 einen Umsatz von etwa 300 Millionen Euro und wächst mit Zuwachsraten von 50 Prozent. Bei 1 Milliarde Euro Kaufpreis beliefe sich das Umsatz-Multiple auf 3,3x. Unternehmen aus Flaconis Peer-Group werden derzeit ähnlich bewertet, teils sogar noch höher. Doch wie würde sich ein solcher Deal auf Zalando, ProSiebenSat.1 und die potentiellen Mitbieter auswirken? Flaconi-Deal: ProSieben könnte Verschuldung drückenZunächst der Blick auf die Verkäuferseite: ProSiebenSat.1 hat sich durch die Werbemarkteinbrüche im Coronajahr 2020 ein Bilanzproblem eingehandelt, das sich nur langsam wieder legt. Zum Ende des dritten Quartals 2020 betrugen die Nettofinanzschulden fast 2,5 Milliarden Euro. Damals erwartete der Konzern einen operativen Jahresgewinn (Ebitda) von rund 650 Millionen Euro – daraus ergibt sich ein Leverage von fast 4x Ebitda. Doch ein starkes viertes Quartal und der Verkauf des Medikamenten-Onlinehändlers Windstar Medical an den PE-Investor Oakley haben die Schulden bis zum Jahresende auf 2 Milliarden Euro gedrückt, während das Ebitda unerwartet hohe 700 Millionen Euro erreichte – ein Leverage von plötzlich nur noch 2,8x Ebitda.ProSiebenSat.1 kontrolliert mehr als 70 Prozent der Nucom Group, in der Flaconi liegt. Würde der Medienkonzern den gesamten ihm zustehenden Verkaufserlös von möglicherweise 700 Millionen Euro in den Schuldenabbau stecken, würde sich die Verschuldung auf 1,3 Milliarden Euro reduzieren. Dann läge der Leverage deutlich unter 2x, und ProSieben-CEO und –CFORainer Beaujean könnte alle Debatten um eine vermeintlich zu aggressive Finanzierung mit einem Schlag beenden.FINANCE-Köpfe Rainer Beaujean, ProSiebenSat.1 Media SE 1995 beginnt Rainer Beaujean seine Karriere bei der Deutschen Telekom und durchläuft verschiedene Stationen, unter anderem als Leiter des Vorstandsstabs Finanzen und Leiter Controlling für alle Auslandsbeteiligungen. Von 2000 bis 2004 ist er als CFO bei T-Online verantwortlich für die Ressorts Finanzen und Controlling. Ab 2004 bis zur Verschmelzung mit der Deutschen Telekom im Jahr 2006 ist er CEO von T-Online. Während seiner Zeit bei T-Online treibt Beaujean die Internationalisierung des Internetunternehmens und umfangreiche M&A-Aktivitäten sowie den Ausbau des Content-Geschäfts voran. T-Online ist in dieser Zeit der mit Abstand größte Wert im TecDax.Im Juni 2007 wechselt Beaujean zum Kranhersteller Demag Cranes und verantwortet dort bis Ende 2011 als Vorstandsmitglied das Finanzressort. Zudem ist er für den weltweiten Einkauf verantwortlich. In dieser Zeit steigt Demag Cranes vom SDax in den MDax auf und wird umfangreich neu finanziert. Nach der Übernahme durch den US-Konzern Terex verlässt Beaujean das Unternehmen. Er wechselt zu einem der weltweit größten Mess- und Regeltechnikhersteller der Welt, der an der NYSE notierten Elster Group, wo er von Februar 2012 bis August des gleichen Jahres Managing Director und Finanzchef ist. Nachdem Elster vom börsennotierten britischen Unternehmen Melrose übernommen wird, verlässt er das Unternehmen.Seit Dezember 2012 ist Rainer Beaujean Mitglied des Vorstands bei Gerresheimer und seit Februar 2013 für das Finanzressort verantwortlich. Ab Dezember 2013 übernimmt Rainer Beaujean zusätzlich zu seiner Funktion als CFO den Geschäftsbereich Life Science Research, bis dieser 2016 verkauft wird. Im Februar 2018 wird Beaujean Interimschef des Gerresheimer-Konzerns, nachdem sich CEO Christian Fischer überraschend zurückgezogen hat. Im September 2018 wird bekannt, dass Beaujean seinen Vertrag nicht über den 30. April 2019 hinaus verlängern wird. Im Februar 2019 bestätigt ProSiebenSat.1, dass Beaujean zum 1. Juli 2019 neuer CFO der ProSiebenSat.1Holding wird. Nicht einmal ein Jahr nach seinem Amtsantritt, Ende März 2020, steigt Beaujean zusätzlich zum Vorstandssprecher von ProSiebenSat.1 auf. zum Profil Möglicherweise könnte ProSieben – wie schon beim Verkauf von Windstar Medical – mit dem Käufer auch wieder einen mehrjährigen Werbevertrag abschließen. Dadurch flössen dem Konzern auch noch weit nach Ende der Transaktion hohe Millionenbeträge in die Kasse – ein besonderer Charme der Konzernstrategie, die Investments in E-Commerce-Anbieter vorsieht, deren Geschäfte man über die Werbeplätze in den hauseigenen Sendern dann nach vorne pushen kann. Nucom wird für General Atlantic zur GoldgrubeDem Miteigentümer der Nucom, General Atlantic (GA), winken durch den Flaconi-Verkauf Zuflüsse von über einer Viertelmilliarde Euro, die der Finanzinvestor seinen Investoren ausschütten könnte. Dieser Ertrag addierte sich zu den GA zustehenden 80 Millionen Euro aus dem Exit bei Windstar Medical. Der kumulierte Rückfluss von über 300 Millionen Euro würde dann schon fast das Niveau der Summe erreichen, die General Atlantic vor genau drei Jahren auf den Tisch legte, um bei Nucom einzusteigen: Damals kaufte der US-Investor 25,1 Prozent auf Basis einer Bewertung von 1,8 Milliarden Euro.Und im Portfolio der Nucom befinden sich noch mehr interessante Exit-Kandidaten, etwa das Vergleichsportal Verivox, der Erlebnisanbieter MyDays Jochen Schweizer und der Online-Erotikhandel Amorelie. Vor allem aber gibt es auch noch den Dating-Anbieter Parship, im vergangenen März für eine halbe Milliarde Dollar gestärkt durch eine große Add-on-Akquisition in den USA. An dieser Perle hält ProSiebenSat.1 die Mehrheit und General Atlantic 43 Prozent. Weil die Bewertungen von Dating-Apps in den vergangenen Monaten durch die Decke gegangen sind, taxieren Analysten den Wert der Parship Meet Group schon auf mehrere Milliarden Euro. Die 2018 eingegangene Partnerschaft mit ProSieben könnte sich für General Atlantic zur Goldgrube entwickeln.Wie finanzstark ist Zalando?Doch wie würde sich ein Milliarden-Deal auf die Bilanz von Zalando auswirken? Zum Ende des dritten Quartals 2020 lagen nach einer großen Anleiheplatzierung 2,6 Milliarden Euro Cash in der Kasse des E-Commerce-Riesen. Abzüglich 1,9 Milliarden Euro Finanzschulden ergibt sich ein Nettoguthaben von rund 700 Millionen Euro, und das bei einem positiven Free Cashflow – trotz Zuwachsraten von über 20 Prozent. Keine Frage: Zalando wäre imstande, einen Milliarden-Deal wie Flaconi zu finanzieren. Und genau für solche Gelegenheiten haben die Gründer den Kassenbestand hochgefahren.Zwar wird Zalando wegen der starken Finanzlage auch als Kaufinteressent für noch andere Unternehmen gehandelt, zum Beispiel für die Global Fashion Group, die ebenfalls dem Brutkasten der Samwer-Brüder entstammt und das gleiche Geschäfts wie Zalando betreibt, nur in den Emerging Markets.Aber der jetzige Zeitpunkt erscheint eher geeignet, um in angrenzenden Produktkategorien wie etwa Parfüms zuzuschlagen, denn es dürfte nicht mehr lange dauern, bis sich dieser Online-Markt konsolidiert hat und diejenigen Unternehmen, die sich dort als Marktführer etablieren, beim Unternehmenswert in Dimensionen vorstoßen, die selbst für Zalando dann schwer zu schlucken wären. Neben Flaconi reüssieren im Beauty-E-Commerce-Geschäft gerade auch die LVMH-Tochter Sephora und der deutsche Branchenprimus Douglas.FINANCE-Köpfe David Schröder, Zalando SE Zu Beginn seiner Karriere ist David Schröder zwei Jahre lang für die Unternehmensberatung McKinsey & Company tätig. Seit 2010 ist er als Senior Vice President (SVP) Operations Teil des erweiterten Management-Teams von Zalando und hat in dieser Position unter anderem das europäische Logistiknetzwerk des Unternehmens auf- und ausgebaut und das Zahlungsinstitut Zalando Payments aus der Taufe gehoben. 2017 übernimmt Schröder als Senior Vice President Convenience zusätzlich die Verantwortung für den Check-out und entwickelt mit seinem Team das Kundenbindungsprogramm Zalando Plus. Im Februar 2019 gibt der Online-Versandhändler bekannt, dass Schröder ab April den neu geschaffenen CFO-Posten übernimmt. Zuvor hatte Co-CEO Rubin Ritter die Finanzen geleitet. In dieser Funktion verantwortet Schröder neben Finanzen und Operations auch die Zentralfunktionen Corporate Governance und Corporate Technology. zum Profil Die Flaconi-Auktion, Douglas‘ strategischer AlptraumUnd besonders bei Douglas wird es interessant. Für die Düsseldorfer, die mehrheitlich dem PE-Investor CVC gehören, kommt die Flaconi-Auktion zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt: Das Unternehmen ist durch die Corona-bedingten Filialschließungen finanziell angeschlagen, in absehbarer Zukunft wird umgeschuldet werden müssen. Gut möglich, dass CVC und die ebenfalls beteiligte Gründerfamilie Kreke allein schon deshalb frisches Geld nachschießen müssen, um Douglas finanziell zu stabilisieren. Darauf jetzt auch noch einen Milliardenzukauf zu setzen, wäre ein enormer Stretch.Andererseits kann es Douglas eigentlich nicht hinnehmen, dass Flaconi in die Hände der finanzstarken, nach vorne stürmenden Wettbewerber Zalando oder Sephora fiele. Wenn sich eines dieser beiden Unternehmen dazu aufmacht, zum europaweiten E-Commerce-Champion im Online-Parfümeriegeschäft zu werden, wären beide Säulen der Equity Story und Wachstumsstrategie von Douglas bedroht: der Ausbau des Online-Anteils und die Expansion in andere europäischen Länder. Für Douglas und CVC wäre dies ein strategischer Alptraum. olivia.harder[at]finance-magazin.deInfoMehr über die Finanzchefs der beiden Konzerne erfahren Sie auf den FINANCE-Köpfe-Profilen von David Schröder und Rainer Beaujean.

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