Nach Monaten des Taktierens und Manövrierens findet die geplante Übernahme von UPC Schweiz ein jähes Ende: Die Nummer zwei des Schweizer Telekommarktes Sunrise hat den geplanten, 6,3 Milliarden Schweizer Franken (5,7 Milliarden Euro) schweren Deal abgesagt. Das Sunrise-Management habe sich zu diesem drastischen Schritt entschieden aufgrund von „klaren Hinweise von Aktionären und der Ankündigung von Freenet, gegen die dafür nötige Kapitalerhöhung zu stimmen“. Die Übernahme wäre der mit Abstand größte Deal der Unternehmensgeschichte von Sunrise gewesen und hätte Synergien im Wert von 3,1 Milliarden Franken erzeugen sollen.
Kann Sunrise die Break-up-Fee vermeiden?
Damit hat sich Großaktionär Freenet, der mit knapp 25 Prozent an Sunrise beteiligt ist, durchgesetzt. Sunrise-Chef Olaf Swantee erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg, dass es nun keine weiteren Übernahmepläne mehr gebe. Die Aktionäre begrüßen den Rückzug, der Sunrise-Kurs kletterte um fast 3 Prozent nach oben.
Doch formal ist der Deal noch nicht begraben. Sunrise ist von dem Kaufvertrag nicht zurückgetreten, somit bleibt er bis zum 27. Februar nächsten Jahres gültig. Nun dürfte ein juristisches Tauziehen beginnen, denn wenn Sunrise den Vertrag kündigen würde, wäre eine Strafzahlung („Break-up-Fee“) von 50 Millionen Franken fällig.
Freenet waren die Zugeständnisse nicht genug
Die Entscheidung, den Deal abzublasen, hätte später kaum kommen können: Für morgen war die außerordentliche Generalversammlung von Sunrise geplant. Auf dieser wollte das Schweizer Management über eine Kapitalerhöhung von 2,8 Milliarden Franken abstimmen lassen. Verwendungszweck: Die Finanzierung des UPC Schweiz-Deals.
Freenet war von Anfang an gegen die Übernahme, den vermeintlich zu hohen Kaufpreis und die umfangreiche Kapitalerhöhung. Anfangs wollte Sunrise das Kapital sogar um 4,1 Milliarden Franken erhöhen, die Reduzierung auf 2,8 Milliarden Franken galt als Zugeständnis an Freenet. Umstimmen konnten die Schweizer ihren deutschen Großaktionär trotzdem nicht. Dies gelang auch dem Verkäufer Liberty Global nicht, der anbot, sich mit einer halben Milliarde Franken an der Kapitalerhöhung zu beteiligen und somit selbst mit 7,8 Prozent bei Sunrise einzusteigen.
Das Telekomunternehmen aus Büdeldsorf in Schleswig-Holstein sah seine massiven Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Deals durch diese Manöver nicht ausgeräumt: Der Kaufpreis für UPC Schweiz, ein Kabelunternehmen, sei viel zu hoch, die Kabelnetztechnologie im Vergleich zu 5G und Glasfaser „unterlegen“.
Steigt Freenet jetzt bei Sunrise aus?
Der Streit zwischen Freenet und der Sunrise-Führung um eine so entscheidende strategische Frage wie die UPC-Übernahme hinterlässt tiefe Gräben. Analysten der Berenberg Bank attestieren allen Beteiligten „eine Abwesenheit von Kompromissbereitschaft und Vertrauen“: Der UPC-Eigentümer Liberty sei nicht willens gewesen, auf die Einwände der Sunrise-Aktionäre einzugehen und den Kaufpreis zu reduzieren. Und der Sunrise-Vorstand hätte den Motiven Freenets grundsätzlich misstraut – der Ausschluss Freenets im August dieses Jahres von allen künftigen Beratungen rund um den geplanten Milliardendeal spricht hier Bände.
Doch das Vertrauen muss wieder aufgebaut werden. Berenberg geht nicht davon aus, dass Freenet jetzt sein Sunrise-Paket verkaufen wird. Dafür fehle „der unmittelbare finanzielle Zwang“. Sunrise-Chef Swantee hat bereits die Hand in Richtung Freenet ausgestreckt. Mit Blick auf den Großaktionär bekundete er seinen Willen, „nach vorne zu schauen“.