Der Medizintechnikkonzern Fresenius hat die geplante 4,4 Milliarden Euro schwere Übernahme des US-Generikaherstellers Akorn abgebrochen. Grund dafür seien „unter anderem schwerwiegende Verstöße gegen FDA-Vorgaben zur Datenintegrität“ durch Akorn, teilte das Unternehmen aus Bad Homburg am gestrigen Sonntagabend in einer Mitteilung an die Märkte mit. Die FDA ist die Gesundheitsbehörde der USA.
Im Vorfeld habe der Dax-Konzern Akorn mehr Zeit eingeräumt, um weitere Informationen zur Verfügung zu stellen, die die Vorwürfe entkräften sollten. Dieses Angebot habe Akorn jedoch abgelehnt, heißt es in einem Statement von Fresenius weiter.
Fresenius hatte bereits Ende Februar den Vollzug des Deals offengelassen. Eine interne Untersuchung hätte damals ergeben, dass Akorn massiv gegen Vorgaben der US-Gesundheitsbehörde FDA verstoßen habe, hieß es zur Begründung. „Sollten Vollzugsbedingungen der Übernahmevereinbarung nicht erfüllt sein, kann dies Folgen für den Abschluss der Transaktion haben“, hatte Fresenius damals bereits gedroht.
Akorn richtet Kampfansage an Fresenius
Die Reaktion des US-Konzerns Akorn auf den einseitigen Abbruch der Verhandlungen ließ nicht lange auf sich warten. „Wir weisen Fresenius‘ Anschuldigungen entschieden zurück“, heißt es in einem auf der Unternehmens-Webseite veröffentlichten Statement. „Wir beabsichtigen, unsere Rechte energisch durchzusetzen“, erklärt der Generikahersteller mit Sitz in Lake Forest im US-Bundesstaat Illinois. Fresenius könne keinerlei Fakten liefern, um seine Vorwürfe zu untermauern, moniert Akorn.
Fresenius beruft sich einer Research-Note von Warburg zufolge auf eine Pull-out-Option, die greife, wenn der Deal nicht binnen eines Jahres zum Closing komme. Akorn habe mehrere Closing-Konditionen nicht erfüllt. Akorn dagegen sieht die andauernden Untersuchungen durch die FDA nicht als Closing-Bedingung an und pocht auf Einhaltung der Fusionsvereinbarung. Beide Seiten könnten sich nun bald vor Gericht wiedersehen: Warburg hält einen Rechtsstreit für wahrscheinlich.
Die finanziellen Auswirkungen auf Fresenius halten die Warburg-Analysten allerdings für überschaubar. Auch Fresenius selbst reagiert auf den Gegenwind von Akorn eher gelassen. „Wir nehmen die Reaktion von Akorn zur Kenntnis“, sagte ein Unternehmenssprecher auf FINANCE-Anfrage lediglich. Zu einem möglichen Rechtsstreit und dessen Folgen äußert sich das Unternehmen derzeit nicht. Fresenius und Akorn hätten allerdings für den Fall des Scheiterns keine Break-up-Fee vereinbart, so der Sprecher.
Analysten sehen Rechtstreit als Super-GAU für Fresenius
Marktbeobachter beurteilen die verfahrene Situation jedoch kritisch. Manche vermuten gar Kalkül hinter dem Vorgehen: „Investoren dürften sich fragen, ob dies nur der erste Schritt in einem Kampf um einen niedrigeren Kaufpreis ist“, schreibt Tom Jones, Analyst bei der Privatbank Berenberg. Allerdings sei der Schritt von Fresenius, die Übernahme abzublasen, eine juristische Frage und kein Wunschkonzert. „Fresenius dürfte also einen guten Grund gefunden haben, da ansonsten ein langer Rechtsstreit mit unsicherem Ausgang droht“, heißt es weiter.
In einem weiteren Berenberg-Analysepapier aus der vergangenen Woche hieß es noch, dass ein Rechtsstreit das absolute Worst-Case-Szenario in Bezug auf den Akorn-Deal wäre. Ein Rechtsstreit würde in erheblichem Maße finanzielle Mittel binden, da Fresenius bis zum Prozessende die für Akorn reservierten Milliarden nicht in andere Deals investieren könnte. Zudem drohen Management und Konzern durch das juristische Milliardenrisiko vom eigentlichen Geschäft abgelenkt zu werden, denn Fakt ist auch: Akorns Wert ist durch Fresenius‘ Rückzugsversuch erheblich gesunken. Müsste der Dax-Konzern den Deal nun doch noch zum ursprünglich vereinbarten Preis durchziehen, drohen empfindliche Folgen für die Bilanz.
Auch die Investmentbank Morgan Stanley bewertet die Aussicht auf einen drohenden Rechtsstreit negativ. „Der Ausgang dieses Deals ist nicht ideal, da er einen langwierigen Rechtsstreit nach sich ziehen könnte,“ schreibt die Investmentbank.
Akorn-Deal war von Beginn an umstritten
Der zweitgrößte M&A-Deal der Unternehmensgeschichte von Fresenius war von Beginn an umstritten. Bereits kurz nach der Ankündigung im April 2017 trübte sich die Geschäftslage von Akorn ein. Operative Probleme und Qualitätsmängel in der Medikamentenproduktion drückten das Konzernergebnis erheblich.
Im Herbst, als die Probleme sich häuften, signalisierten auch die Fresenius-Investoren, dass sie nicht voll und ganz hinter dem geplanten Deal stehen. Damals verteidigte Fresenius-CEO Stephan Sturm die Transaktion noch. Die Anteilseigner scheinen die Absage an Akorn nun gut aufzunehmen. Der Fresenius-Aktienkurs notierte am Montagmorgen leicht im Plus bei gut 67 Euro, nachdem er am Freitag bei 65,70 Euro aus dem Handel gegangen war.
Info
Mehr Infos zu Werdegang und Karriere-Highlights des Fresenius-Chefs im FINANCE-Köpfe-Profil von Stephan Sturm.