Für Fresenius hat sich eine Hintertür geöffnet, den umstrittenen Kauf des US-Pharmaunternehmens Akorn doch nicht vollziehen zu müssen. Wie der Dax-Konzern am späten gestrigen Abend bekanntgab, untersucht er gemeinsam mit externen Sachverständigen, ob Akorn gegen Vorgaben des US-Gesundheitsbehörden verstoßen hat. Es geht um mögliche Verstöße gegen nicht näher genannte „Vorgaben zur Datenintegrität in der Produktentwicklung“.
„Vorstand und Aufsichtsrat von Fresenius werden die Ergebnisse dieser Untersuchung bewerten. Sollten Vollzugsbedingungen der Übernahmevereinbarung nicht erfüllt sein, kann dies Folgen für den Abschluss der Transaktion haben“, warnt Fresenius.
Der Medizintechnikkonzern aus Bad Homburg fügte zwar an, dass er nach wie vor die Freigabe der US-Fusionskontrollbehörde FTC anstrebe. Vorstandschef Stephan Sturm sagte heute am Rande der Bilanzpressekonferenz jedoch, dass ein Rücktritt vom Akorn-Kauf möglich sei, sollten sich die Vorwürfe „als materiell erweisen“. Gegen Kritik am Umgang mit der Transaktion verwahrte er sich: „Wir haben bei Akorn die intensivste Due Diligence ever gemacht“, so Sturm. In jene Bereiche, in denen es zu Verfehlungen gekommen sein könnte, habe Fresenius dabei aber nicht hineinsehen können, da diese laut Sturm „sehr sensibel“ seien.
Akorn wäre zweitgrößter M&A-Deal der Konzerngeschichte
Damit wackelt eine Transaktion im Wert von 4,3 Milliarden US-Dollar, die Fresenius im vergangenen April angekündigt hatte – die zweitgrößte der Unternehmensgeschichte. Auf Basis der Ergebnisse des abgelaufenen Jahres bewertete Fresenius Akorn mit 13x Ebitda, das ist für die Medtech-Branche kein übermäßig hohes Multiple. Doch nach Ankündigung des Deals trübte sich Akorns Geschäftslage deutlich ein.
Außerdem traten operative Probleme bei Akorn auf, darunter auch Qualitätsmängel in der Medikamentenproduktion. Um diese könnte es sich auch jetzt bei der anlaufenden Untersuchung durch die Behörden und Fresenius drehen.
Der Kapitalmarkt begann den Deal daraufhin sehr kritisch zu betrachten. Vor allem im Herbst, als Akorns Probleme kulminierten, kam die Fresenius-Aktie schwer unter die Räder und fiel von 72 auf 60 Euro zurück. Obwohl seitdem wieder eine leichte Erholung einsetzte, notiert die Fresenius-Aktie heute rund 10 Prozent unter dem Stand vor der Ankündigung der Milliardenübernahme von Akorn. Der Dax hingegen konnte in diesem Zeitraum leicht zulegen. De facto beendeten die Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Akorn-Übernahme die jahrelange Outperformance der Fresenius-Aktie.
Akorn-Deal beendet Outperformance von Fresenius
Fresenius-Chef Sturm verteidigt den Akorn-Deal
Fresenius-Chef Sturm hat den Deal stets verteidigt, indem er auf die hohen Synergien und die strategische Bedeutung einer Fusion hinwies. Mit Akorn erhalte Fresenius Zugriff auf eine gut gefüllte Medikamentenpipeline, alternative Darreichungsformen von Arzneien und Zugang zu neuen Kundengruppen wie etwa US-Apotheken. Dies würde Wachstumschancen eröffnen und gleichzeitig die Absatzmärkte diversifizieren, so Sturm.
Unklar ist, ob Fresenius Strafzahlungen an Akorn leisten müsste, sofern der Konzern den Deal tatsächlich abblasen würde. Trotzdem nimmt die Börse das Wackeln der Akorn-Übernahme erleichtert auf, zum Mittag führt Fresenius mit einem Plus von etwas mehr als 2 Prozent die Liste der Kursgewinner im Dax an.
Getragen wird der Aufwärtstrend aber auch von guten Geschäftszahlen und einem positiven Ausblick, den Fresenius zusammen mit den Entwicklungen bei Akorn vermeldet hat. Demnach stiegen sowohl der Umsatz als auch der Gewinn pro Aktie im abgelaufenen Geschäftsjahr um 15 Prozent an. Für 2018 verspricht Fresenius weitere Zuwächse im hohen einstelligen Prozentbereich.
Info
Mehr Infos zu Werdegang und Karriere-Highlights des Fresenius-Chefs im FINANCE-Köpfe-Profil von Stephan Sturm.