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Geteiltes Echo auf Mercks Milliardendeal

Nach langer Suche hat Merck einen Käufer für seine Consumer-Health-Sparte gefunden: Es ist der US-Konzern Procter & Gamble.
Merck

Monatelang hatte sich der Verkaufsprozess hingezogen und ersten Mutmaßungen in den Medien zufolge sogar schon vor dem Aus gestanden, doch jetzt hat der Darmstädter Pharmakonzern Merck einen Käufer für sein Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten gefunden: Überraschend bekommt der US-Konsumgüterriese Procter & Gamble (P&G) den Zuschlag. Das teilte Merck am heutigen Donnerstag mit.

Der Deal soll im vierten Quartal abgeschlossen werden. JP Morgan war als Finanzberater, Freshfields Bruckhaus Deringer als Rechtsberater von Merck mandatiert. Für den Fall, dass die Transaktion noch scheitern sollte, hat Merck mit P&G eine Break-up-Fee in nicht genannter Höhe vereinbart.

Merck hat schwierigen M&A-Prozess erlebt

Beim Kaufpreis musste der Pharmakonzern allerdings Abstriche machen: Procter & Gamble zahlt nur 3,4 Milliarden Euro für die Sparte Consumer Health, zu der unter anderem das Geschäft mit Nasensprays und Multivitaminpräparaten gehört. Analysten hatten den Wert der Sparte zuvor auf bis zu 4 Milliarden Euro geschätzt. Als Untergrenze standen 3,5 Milliarden Euro im Raum. Doch nach und nach waren die naheliegenden Kaufinteressenten wie Mylan, Nestlé und Reckitt Benckiser alle aus dem M&A-Prozess ausgestiegen.

Die Käufersuche ist auch dadurch erschwert worden, dass sich die Consumer-Health-Branche derzeit stark in Bewegung befindet und viele ähnliche Unternehmen am Markt sind. Zuletzt verkaufte beispielsweise Novartis seinen Anteil von 36,5 Prozent am Consumer-Health-Joint Venture für 13 Milliarden Dollar an den Partner Glaxo Smithkline. Das Consumer-Geschäft von Boehringer Ingelheim hat 2016 der französische Pharmakonzern Sanofi übernommen. Aktuell will sich außerdem der US-Konzern Pfizer von seiner Consumer-Sparte trennen.

Die Anleger reagieren eher erleichtert als enttäuscht darauf, dass der Verkauf doch noch zustande gekommen ist: Die Aktie legte bis zum Mittag um rund 1 Prozent zu und gehörte damit zu den stärksten Dax-Papieren des Tages.

Merck erhält Ebitda-Multiple von 21,3x

Einige Analysten äußerten sich bereits positiv über den Preis. Er sei zumindest höher als von ihm gedacht, schrieb Peter Spengler von der DZ Bank. Die Differenz zu seiner bisherigen Bewertung liege bei 1,1 Milliarden Euro oder 2,53 Euro je Aktie. Auch der Analyst Daniel Wendorff von der Commerzbank sprach von einem attraktiven Preis.

Der Kaufpreis erscheint außerdem nicht so niedrig, wenn man einen Blick auf die Multiples wirft. Laut Unternehmensangaben ist der Nettoumsatz der Sparte im Zeitraum 2015 bis 2017 organisch um 6 Prozent gewachsen und damit schneller als der Gesamtmarkt, der laut Merck um 4 Prozent im selben Zeitraum gewachsen ist. 2017 erlöste Merck mit dem Consumer-Health-Geschäft einen Umsatz von 911 Millionen Euro. Damit erhält Merck für den Verkauf das 3,7-Fache des abgelaufenen Umsatzes.

Den Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) 2017 beziffert der Konzern mit 155 Millionen Euro, daraus ergibt sich ein recht hohes Ebitda-Multiple von fast 22x. Zum Vergleich: Als Bayer 2014 die Consumer-Sparte des US-Konzerns Merck & Co (der keine Verbindung zum deutschen Merck-Konzern hat) kaufte, zahlte der Konzern ein Ebitda-Multiple von 21x. 2017 bewertete Nestlé den kanadischen Anbieter Atrium Innovations mit einem Ebitda-Multiple von 16,3x, andere nicht lange zurückliegende Transaktionen im Bereich der rezeptfreien Medikamente (unter anderem von Reckitt Benckiser und Perrigo) erzielten Ebitda-Multiples zwischen 16x und 18x.

FINANCE-Köpfe

Dr. Marcus Kuhnert, Merck KGaA

Marcus Kuhnert beginnt nach seinem Studium und der Promotion 1999 seine Karriere bei Henkel als Corporate Controller. Von dort wechselt er in die Investor Relations-Abteilung und leitet ab 2003 den Bereich Konzernabschlüsse und Beteiligungscontrolling. Ab 2007 arbeitet Kuhnert in Singapur als Regionalleiter für die Klebstoff-Division.

Im Jahr 2008 übernimmt er die Verantwortung für das CEO-Office und leitet die Strategieentwicklung. Ab 2009 übernimmt Kuhnert interimistisch auch die Unternehmenskommunikation. Ein Jahr später wird er zum Bereichs-CF0 der Sparte Laundry & Home Care ernannt.

Im Frühjahr 2014 erreicht ihn das Angebot, als CFO des Pharma- und Chemiekonzerns Merck die Nachfolge des zu Lanxess zurückkehrenden Matthias Zachert anzutreten und in die Stadt heimzukehren, in der er auch studiert und promoviert hat. Im August 2014 beginnt seine Amtszeit als CFO des Dax-Konzerns aus Darmstadt. 

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Verkauf der Merck-Sparte über mehrere Asset-Deals

Der Ausstieg von Merck aus dem Consumer-Geschäft wird nun über den Verkauf von Anteilen an mehreren Merck-Töchtern sowie im Wege weiterer Asset-Deals abgewickelt. Der Deal umfasst das Consumer-Health-Geschäft in 44 Ländern mit mehr als 900 Produkten und zwei Produktionsanlagen in Österreich und Indien. Rund 3.300 Mitarbeiter sollen zu P&G wechseln.

Nicht betroffen von dem Verkauf des globalen Consumer-Health-Geschäfts ist der französische Teil, für den P&G allerdings ebenfalls ein Angebot abgegeben hat. Geplant ist außerdem, dass P&G die Mehrheitsbeteiligung von Merck an der börsennotierten indischen Merck Ltd. erwirbt und den Minderheitsaktionären anschließend ein Pflichtangebot unterbreitet. Im Rahmen des Deals haben Merck und P&G außerdem eine Reihe von Fertigungs-, Liefer- und Servicevereinbarungen geschlossen.

Merck CFO-Kuhnert muss hohe Verschuldung abbauen

Im September hatte Merck-CFO Marcus Kuhnert angekündigt, den Bereich Selbstmedikation verkaufen zu wollen, um Merck strategisch neu aufzustellen und auf die Bereiche Healthcare, Life Science und Performance Materials zu fokussieren. Die zum Jahresende fließenden Verkaufserlöse will der Dax-Konzern vor allem zum Schuldenabbau nutzen, welcher nach der milliardenschweren Übernahme des US-Laborausrüsters Sigma-Aldrich Priorität für Kuhnert hat.

Aktuell liegt die Nettofinanzverschuldung des Konzerns bei rund 10 Milliarden Euro, der Free Cashflow beträgt 3,3 Milliarden Euro. Den Leverage, der auf Basis des bereinigten Ebitda aktuell bei etwas weniger als 2,5x liegt, will Merck nach der Transaktion bis 2018 auf unter 2x senken, kündigt das Unternehmen in einer Investorenpräsentation an.

Dieses Ziel ist nun leicht zu erreichen. Allein der Zufluss aus der Großtransaktion zusammen mit dem Free Cashflow dieses Jahres dürfte trotz der Dividendenzahlung die Nettoschulden Mercks bis zum Jahresende auf nur noch 4 bis 5 Milliarden Euro drücken.

Der Wegfall des bereinigten Ebitdas des Consumer-Health-Geschäfts von 183 Millionen Euro fällt angesichts eines Konzern-Ebitdas von über 4,4 Milliarden Euro kaum ins Gewicht. Der Leverage dürfte daher weit unter 2x fallen. Trotzdem hält Merck an dem Vorhaben fest, bis einschließlich Jahresende keine Akquisitionen mit einem Wert von über 500 Millionen Euro zu verfolgen.

julia.schmitt[at]finance-magazin.de

Info

Erfahren Sie mehr über die Karriere des Merck-CFOs in dem Köpfe-Profil von Marcus Kuhnert.

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