Regelmäßig wird das Gesetz zur Wettbewerbsbeschränkung (GWB) aktualisiert und an die Veränderungen im Markt angepasst – nun steht wieder eine Reform an. Der neue Referentenentwurf wurde jedoch noch nicht offiziell vorgestellt, sondern ist auf einem Blog der Universität Düsseldorf durchgesickert. Unter dem Namen „GWB Digitalisierungsgesetz“ soll die GWB-Novelle künftig firmieren. Neben Änderungen im Missbrauchsrecht, beim Thema Schadensersatz sowie mit Blick auf rechtliche Verfahren hält die Novelle insbesondere Veränderungen in der Fusionskontrolle bereit.
Der publik gewordene Entwurf wird mittlerweile als quasi-offiziell gehandhabt und könnte nach einer Verabschiedung im Bundesrat und -tag bereits in der zweiten Jahreshälfte 2020 in Kraft treten. Da auch Inhalte der ECN+-Richtlinie bis Februar 2021 umzusetzen sind, müssen sich Vorstände deutscher Unternehmen spätestens wohl bis zu diesem Datum auf die 10. GWB-Novelle einstellen.
Kleine M&A-Deals müssen nicht geprüft werden
Die erste große Neuerung in der Fusionskontrolle betrifft die zweite Inlandsumsatzschwelle. Durch die Neuregelung soll die zweite Inlandsumsatzschwelle nun von 5 auf 10 Millionen Euro angehoben werden. „Gemäß der neuen zweiten Inlandsumsatzschwelle müssen Übernahmen in Deutschland nur dann bei der deutschen Kartellbehörde angemeldet werden, wenn alle Parteien weltweit 500 Millionen Euro umsetzen, eines der am Deal beteiligten Unternehmen mehr als 25 Millionen Euro, und ein weiteres beteiligtes Unternehmen mehr als 10 Millionen Euro erwirtschaftet“, erklärt Sebastian Jungermann, Partner bei der Kanzlei Arnold & Porter.
Diese Regelung wird die Anzahl der kartellrechtlichen Anmeldungen pro Jahr um etwa 20 Prozent oder rund 270 Anmeldungen reduzieren, schätzt der Anwalt. Damit wäre auch ein Ziel der Novelle erreicht: Die Übernahmen kleinerer Targets werden nicht unnötig durch komplizierte Anmeldungen erschwert. Die Erhöhung der Schwelle kommt den Unternehmen daher vor allem bei kleineren Transaktionen entgegen. Besonders hiervon profitieren dürften aber auch Private-Equity-Investoren, die bevorzugt kleine und mittelständische Targets akquirieren, meint Jungermann.
Bagatellmarkt-Schwelle wird angehoben
Vor dem Hintergrund dieser Änderung wird auch die Schwelle für sogenannte Bagatellmärkte von 15 auf 20 Millionen Euro angehoben. „Bagatellmärkte sind gesamtwirtschaftlich unbedeutende Märkte, die laut Definition seit mindestens fünf Jahren bestehen und in denen aktuell von allen Anbietern nicht mehr als 15 Millionen Euro jährlich in Deutschland umgesetzt wird“, erklärt Jungermanns Anwaltskollege Axel Gutermuth.
Zusammenschlüsse auf diesen Märkten, die beispielsweise bestimmte Medizinprodukte oder Chemikalien umfassen, müssten künftig erst dann kartellrechtlich geprüft werden, wenn in den jeweiligen Märkten mehr als 20 Millionen Euro Umsatz generiert werden, so der Partner. Auch diese neue Regelung kommt kleineren und mittelständischen Unternehmen mit Deal-Ambitionen entgegen, meinen die Anwälte. Allerdings gebe es eine Ausnahme: Sollte es für einen Deal kartellrechtliche Vorbehalte auf mehreren Bagatellmärkten geben, deren zusammengenommenes Umsatzvolumen zudem 20 Millionen Euro übersteigt, kann die Transaktion dennoch untersagt werden.
Kartellprüfungen können bald bis zu 7 Monate dauern
Bislang bedeutet die GWB-Novelle neben einer Vereinfachung mittelständischer Übernahmen vor allem aber auch weniger Aufwand für die Kartellbehörden. Der geringere Arbeitsaufwand betrifft allerdings lediglich die Prüfung kleinerer M&A-Deals. „Für die Prüfung großer und komplexer Deals will das Bundeskartellamt künftig mehr Zeit haben“, sagt Sebastian Jungermann.
Daher soll die Dauer für das Hauptprüfverfahren von 4 auf 5 Monate ab dem Tag der Anmeldung angehoben werden, so der Anwalt. Im Einverständnis mit den beteiligten Unternehmen könnte das Verfahren sogar bis auf ein halbes Jahr verlängert werden. Sollte eine Übernahme zudem an bestimmte kartellrechtliche Auflagen geknüpft sein, könnte die Prüfung bis zu 7 Monate dauern.
Die Verlängerung des Verfahrens ist den Anwälten von Arnold & Porter zufolge die Antwort der Behörden auf immer mehr Cross-Border-Transaktionen und Deals, deren Strukturen immer komplizierter werden. „Vorstände müssen sich daher beim Bundeskartellamt in Zukunft unter Umständen auch auf längere Wartezeiten einstellen“, ist sich Sebastian Jungermann sicher.
Eine Änderung in der Berichtspflicht bei Übernahmen dürfte Vorstände dafür bald entlasten: „Bislang müssen Unternehmen die geplante Transaktion, aber auch das Closing des Deals anmelden“, erklärt Axel Gutermuth. Gemäß der Novelle fällt die sogenannte Vollzugsanzeige, also die Anmeldung des Transaktionsabschlusses, künftig weg, so Gutermuth. Erforderlich bleibt aber wie bisher die Anmeldung des Deals: „Wer das versäumt, muss sich schlimmstenfalls auf ein saftiges Bußgeld einstellen.“
Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.