Für die Deutsche Börse versprach es ein heißes M&A-Jahr zu werden: Nur einen Tag nach der Übernahme des US-Konzerns Axioma verkündete die Börse im April, mit der Refinitiv-Gruppe über die Übernahme einzelner FX-Geschäfte zu sprechen. Gemeint war die Devisenhandelsplattform FXall.
Doch nun folgt die Ernüchterung. Seit dem Wochenende zeichnet sich ein wesentlich größerer Deal ab, der die Pläne der Deutschen Börse voraussichtlich begraben wird, zum absoluten Weltmarktführer bei Devisenhandelsplattformen zu werden: Die London Stock Exchange (LSE) will die gesamte FXall-Mutter Refinitiv kaufen – ein Deal mit einem voraussichtlichen Volumen von 27 Milliarden US-Dollar. Der Vorstand der Deutschen Börse geht nun nicht länger von einem erfolgreichen Abschluss der Gespräche aus, erklärte das Unternehmen am Samstag per Ad-hoc-Mitteilung.
Rückschlag für Deutsche Börse im FX-Geschäft
Den Frankfurtern entgeht damit eine strategisch sehr interessante Ergänzung ihres Portfolios im Devisenhandelsgeschäft. Der Markt ist noch recht stark fragmentiert, mit der Übernahme der Devisenhandelsplattform 360T im Jahr 2015 hat die Deutsche Börse die in Deutschland mit Abstand stärkste Plattform bereits im Portfolio. Die Frankfurter kauften die als Fintech gestartete 360T damals für 725 Millionen Euro von dem US-Finanzinvestor Summit Partners. Seitdem hat 360T sein Bankennetzwerk deutlich erweitert, was Treasurern und CFOs insbesondere den Handel mit weniger liquiden Währungen erleichtert.
Eine Übernahme von FXall hätte die Deutsche Börse in diesem Geschäft zum Global Player gemacht: FXall ist klarer Marktführer in den USA und kommt weltweit auf einen Marktanteil von schätzungsweise rund 35 Prozent. Laut einer Recherche der FINANCE-Schwesterpublikation DerTreasurer aus dem Juli 2018 hatte 360T zu diesem Zeitpunkt international 1.100 Corporate-Kunden, FXall kam auf 2.000 Unternehmenskunden.
Auch gemessen am Handelsvolumen gilt FXall als etwa doppelt so groß wie 360T. Zudem verfügt FXall über eine breite Martkabdeckung in der Asset-Management-Welt. Das Betreiben beider Plattformen 360T und FXall unter einem Dach hätte der Deutschen Börse hohe Wachstums- und Kostensynergien gebracht.
Blackstone vor schnellem Exit bei Refinitiv
Ein Gewinner des schnellen Weiterverkaufs der FXall-Mutter Refinitiv wäre der Finanzinvestor Blackstone. Refinitiv entstand erst 2018 durch die Herauslösung des Finanz- und Risikomanagementgeschäfts aus dem Medienkonzern Thomson Reuters. Während Thomson Reuters eine Minderheit von 45 Prozent behielt, sicherte sich ein Konsortium um Blackstone, zu dem auch der Canada Pension Plan und der Singapurer Staatsfonds GIC gehören, die 55-prozentige Mehrheit. Refinitiv wurde damals inklusive Schulden mit 20 Milliarden US-Dollar bewertet.
Blackstone winkt nun lediglich ein Jahr nach dem Einstieg ein lukrativer Exit, sollte die LSE inklusive Schulden tatsächlich 27 Milliarden Dollar (knapp 24,3 Milliarden Euro) für Refinitiv zahlen. Den genauen Kapitaleinsatz beim Refinitiv-Einstieg nannte Blackstone öffentlich nicht. Die Agentur Reuters meldet unter Berufung auf Insider jedoch, dass die PE-Investoren wegen des eingesetzten Fremdkapitalhebels ihr Investment jetzt in etwa verdoppeln könnten – und das trotz der kurzen Haltedauer.
Allerdings ließe sich die genaue Performance auch dann noch nicht feststellen, wenn der Deal wie geplant abgeschlossen werden kann, schließlich will die LSE den Kaufpreis in neuen Aktien begleichen. Demnach würde das Konsortium um Blackstone neuer Großaktionär der LSE werden und fortan rund 22 Prozent der LSE-Anteile besitzen. 15 Prozent gingen an Thomson Reuters.