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Krise eröffnet M&A-Chancen im Süden

Die Multiples für südeuropäische Targets sinken. Doch Käufer scheuen die Risiken.
Thinkstock/Getty Images

Es sind wahrlich keine guten Zeiten für südeuropäische Unternehmen: Die Wirtschaftsdaten sind im Keller, Bankkredite kaum zu bekommen, der Verkaufsdruck wächst. Während der italienische Aktienindex MIB in den vergangenen zwölf Monaten gerade mal ein Plus von 6 Prozent schaffte und der spanische Aktienindex Ibex sogar 7 Prozent verlor, stieg der Dax im selben Zeitraum um 33 Prozent.

Während RWE seinen Marktwert um 47 Prozent steigern konnte, verlor der ähnlich große spanische Rivale Iberdrola 25 Prozent. VW ist heute 30 Prozent wertvoller als vor einem Jahr, Fiat steigerte sich nur um 12 Prozent. In anderen Sektoren sieht es ähnlich aus. Analog sinken auch die Bewertungen nicht börsennotierter Unternehmen.

Auf dem Papier wirkt das für finanzstarke deutsche Firmen wie eine Steilvorlage, um in Not geratene Wettbewerber aufzukaufen. Der große Ansturm bleibt aber bislang aus. Bei vielen Interessenten schrillen die Alarmglocken angesichts der Risiken, die ein Zukauf in der aktuellen Lage bedeuten kann.

Sinkende Kaufpreise in Südeuropa

Dabei teilen Beobachter die Einschätzung, dass die Kaufpreise sinken. „Bei M&A-Deals zwischen gesunden Unternehmen im Industriesektor waren Multiples von etwa 8x bis 9x Ebitda lange eine realistisch erzielbare Größenordnung – jetzt sind sie generell mindestens einen oder zwei Turns niedriger“, beobachtet Andreas Kölsch, Head of Corporate Finance Advisory Germany bei der UniCredit. Zudem häufen sich aus naheliegenden Gründen Distressed-Deals.

Noch gravierender sind die Probleme in Spanien, wo Banken ihre vormals großzügigen Darlehen immer mehr zurückfahren. Bereits Anfang dieses Jahres hat die Beratung Rödl & Partner in einer Studie zum spanischen M&A-Markt die Kaufpreise im Verhältnis zum Unternehmenswert als „derzeit sehr niedrig“ eingestuft. Während in Spanien Ebit-Multiplikatoren zwischen 4x und 7x gezahlt würden, erzielten vergleichbare Unternehmen in Deutschland eine Basis von 7x, hieß es in der Analyse. „Die Multiples liegen heute tendenziell noch niedriger als zum Zeitpunkt der Studie“, sagt Georg Abegg, verantwortlicher Partner für Spanien.

Neue M&A-Targets am Markt

Nun sind gefallene Preise allein freilich noch kein Grund für einen Zukauf. Für Firmen, die schon einen Kandidaten auf der Watchlist haben, ist die Gelegenheit allerdings günstig. „Wir haben viel Kontakt zu Mittelständlern, die jetzt an Unternehmen in Italien herantreten, bevorzugt an Geschäftspartner oder Konkurrenten aus der eigenen Branche“, sagt Stefan Brandes, Partner von Rödl & Partner in Italien.

Die schlechten Finanzierungsbedingungen und die angespannte Wirtschaftslage bringen auch Targets an den Markt, die sich für das Werben von Kaufinteressenten bislang zugeknöpft zeigten. „Wir kennen den Fall eines italienischen Mittelständlers, der über Jahre hinweg auf der Wunschliste eines deutschen Unternehmens stand und Anfragen immer direkt abgelehnt hat. Jetzt ist er zum ersten Mal verhandlungsbereit“, berichtet Hans Bethge, Managing Partner der M&A-Beratung Angermann M&A International.

Mittelstand investiert

In Spanien agieren die Deutschen im Moment noch vorsichtiger als bei italienischen Targets. Es sind nicht die Konzerne, sondern die deutschen Mittelständler, die  sich ihre Targets in Spanien suchen. „Der inhabergeführte Mittelstand ist sehr investitionsfreudig und nutzt die Opportunitäten in Spanien“, beobachtet Rödl-Partner Abegg. Den Unternehmen kommt es entgegen, dass sie schnell handlungsfähig sind und oft mit Eigenkapital zahlen können.

Das Investment des Münchner Beteiligungshauses Aurelius in die spanische IT-Beratung Thales Information Systems oder die Übernahme des spanischen Zulieferers Auto Carrocerias Riu durch den Wuppertaler Nutzfahrzeugausstatter Happich sind für M&A-Berater Bethge Beispiele für opportunistische Spanien-Deals.

Manager großer Konzerne dagegen tun sich schwer damit, Aktionäre, Banken und vor allem Aufsichtsräte  von einem Kaufwunsch in einem der kriselnden Euro-Staaten zu überzeugen. „Großunternehmen sind keine Schnäppchenjäger, ihre Transaktionen müssen strikte interne Vorgaben, etwa in Bezug auf Returns und erwartete Synergien, erfüllen. Wir sehen zwar Interesse an spanischen Targets, aber bei Großunternehmen wenig Deals“, sagt Frank Hoefnagels, Country Manager Deutschland der spanischen Großbank BBVA.

Mega-Risiko Euro-Exit

Ist das Verkaufsobjekt abhängig vom kriselnden Heimatmarkt, ist für einen Investor zudem kaum zu kalkulieren, ob der Kaufpreis wirklich günstig ist. UniCredit-Banker Kölsch rät bei Zukäufen in Italien, darauf zu achten, dass mindestens die Hälfte der Umsätze außerhalb Italiens erzielt wird. Bei spanischen Targets gilt ebenfalls: Je höher die  Umsätze außerhalb Spaniens, desto interessanter ist das  Unternehmen – aber auch desto teurer.

Als Mega-Risiko schwebt über jedem M&A-Deal der Euro-Exit. „Unsere Kollegen in Spanien sehen Transaktionen, bei denen vertraglich festgehalten wird, wie man im Falle eines Exits verfährt“, berichtet etwa M&A-Berater Bethge. In einem Beispielfall wurde angenommen, dass im Falle eines Exits die Pesete gegenüber dem Euro um 60 Prozent abwerten könnte. Sollte es dazu kommen, gäbe es für den Käufer einen deutlichen Preisnachlass. Bei mittelständischen M&A-Deals spiele das Thema Euro-Exit bislang noch keine Rolle, meint Rechtsanwalt Abegg. Allerdings werden Vertragsrisiken mit langfristigen Earn-outs abgesichert, Fristen bis ins Jahr 2015 sind keine Seltenheit.

Politik mischt bei M&A-Deals mit

Mit guter Planung sind Zukäufe also machbar. Doch einige Punkte sollte ein Interessent bei der Due Diligence besonders im Blick haben: UniCredit-Banker Kölsch sieht oft Fälle, in denen eine patriarchische Unternehmensstruktur die Freude am M&A-Deal rasch verdirbt. Wenn das Target eine Restrukturierung jahrelang hat schleifen lassen, kommt das den Käufer ebenfalls teuer zu stehen.

Interessenten sollten auch im Hinterkopf haben, dass Verkäufe innerhalb Italiens politisch oft lieber gesehen werden als Deals mit einem ausländischen Investor. „Man muss aufpassen, dass man bei Interesse an einem italienischen Target nicht viel Geld für einen Due-Diligence-Prozess ausgibt, um am Ende hinter einem italienischen Wettbewerber auf Platz zwei zu landen“, warnt Kölsch. Auch in Spanien lautet die oberste Prämisse, das Geschäftsmodell in- und auswendig zu kennen. Und man sollte nicht zu knapp kalkulieren. „Bis zu 20 Prozent extra auf den Kaufpreis sollte man unproblematisch wegfinanzieren können“, rät Rödl-Partner Abegg. 

M&A-Berater Bethge erwartet in den kommenden Monaten steigendes Interesse an  strategischen M&A-Deals mit südeuropäischen Targets. „Wir sehen Nachfrage“, berichtet der M&A-Berater. Gerade bei schon länger bestehendem Interesse an einem Wettbewerber sieht er nur eine Devise: „Jetzt oder nie!“

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