Newsletter

Abonnements

Kulturelle Hürden in der Post-Merger-Integration

Kulturelle Hürden in der Post-Merger-Integration haben schon viele M&A-Deals zum Misserfolg gemacht.
Thinkstock / Getty Images

Egal ob Übernahmen, Merger oder Joint Ventures: Grenzüberschreitende M&A-Deals mit international besetzten Teams sind heute an der Tagesordnung. Von den Mitarbeitern wird dabei verlangt, dass sie mit Kollegen, Lieferanten und Kunden aus anderen Kulturen genauso effektiv zusammenarbeiten wie mit denen aus ihrem Heimatland. Dass die Mehrzahl der M&A-Deals die Erwartungen nicht erfüllt, haben Managementgurus und Analysten wiederholt ausführlich geschildert – und immer wieder die Kultur als Hauptgrund des Scheiterns genannt.

Dabei wird aber nicht näher erklärt, was damit eigentlich konkret gemeint ist. Doch der Blick ins Detail lohnt sich. Kultur ist das Denken hinter dem Handeln. Kultur beinhaltet Tradition, Methoden, Neigungen, Ansätze und Vorgehensweisen. Sie beeinflusst, wie Menschen in einem Unternehmen bei grundsätzlichen Themen auf tiefster Ebene arbeiten. Auch zwischen Deutschen und US-Amerikanern gibt es solche Unterschiede im Denken und Handeln. Meist sind die Unterschiede subtil und daher tückisch. Sie können M&A-Deals gefährden, denn sie betreffen häufig erfolgskritische Bereiche. Dazu zählen Kommunikation, Entscheidungsfindung, Personalführung, Konfliktlösung, Prozess- und Produktverständnis sowie die Art und Weise, in der Geschäftsbeziehungen angebahnt, etabliert und vertieft werden.

Die transatlantischen „Big Three“

1998 gab es drei sehr große deutsch-amerikanische M&A-Deals: Die Fusion von Daimler und Chrysler, die Übernahme von Bankers Trust durch Deutsche Bank sowie die Übernahme von Westinghouse durch Siemens. Die erste dieser drei Transaktionen scheiterte. Die zweite war erfolgreich. Die dritte war sehr erfolgreich. Im Falle von Siemens und Westinghouse, einer Transaktion im Kraftwerksbereich, wurden die Unterschiede im Denken und Handeln zwischen deutschen und US-amerikanischen Unternehmen adressiert. Die Geschäftspraktiken auf beiden Seiten des Atlantiks wurden entweder verschmolzen, aufeinander abgestimmt oder aber, wenn es für das Geschäft aussichtsreicher war, in manchen Bereichen auch separat laufen gelassen. Letztlich ähnelt die Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Kulturen einer Ehe: Entweder wachsen die Einheiten zusammen, oder sie driften auseinander. Das Zusammenführen der Einheiten ist ein komplexer Prozess und erfordert Zeit, Geduld und Fokussierung.

Das ist auch relevant für die Experten in den Strategie-, M&A- und Finanzabteilungen von Unternehmen. Sie strukturieren den Deal und begleiten die operative Umsetzung und die Post-Merger-Integration. Diese Bereiche lassen sich nicht sauber trennen. Es sollte Aufgabe des Dealmakers sein, sich von Anfang an mit der Umsetzung des initiierten M&A-Deals auseinanderzusetzen. Die PMI-Verantwortlichen sollten sich im Gegenzug detailliert mit der inneren Logik des Deals beschäftigen, um zu verstehen, wo sie ansetzen sollen, worauf es ankommt  – und um zu erkennen, was es kostet, wenn ihre Integrationsmaßnahmen nicht greifen. Strategen, Fachbereiche und PMI-Verantwortliche sollten gemeinsam identifizieren und definieren, wie zum Beispiel deutsches und amerikanisches Denken und Handeln bei erfolgsentscheidenden Themen zu integrieren wären, und zwar von der Due Diligence bis zu dem Tag, an dem beide Seiten sagen können: „Es läuft.“

Wie lange kann so etwas dauern, einhundert Tage? Wohl eher einhundert Monate. Eine Ehe geht auseinander, wenn das Paar damit aufhört, sich mit den wichtigsten Fragen und Themen der Beziehung zu beschäftigen und nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Strategen, Fachbereiche und PMI-Verantwortliche sollten sich daher auch bei M&A-Deals immer wieder fragen: Warum diese Kombination? Welcher Mehrwert entsteht? Welche Stärken werden kombiniert?

Viele der Stärken und Schwächen sind durch kulturelle Unterschiede im Denken und Handeln beeinflusst.  Sind Stärken und Kultureinflüsse einmal identifiziert, kann man prüfen, welche Risiken eine schlechte Zusammenarbeit bringt  – und welche Erfolge möglich sind, wenn es gut läuft. Dealmaker sollten sich auch überlegen, wie sie die Zusammenarbeit in den einzelnen Bereichen und Teams fördern und die unterschiedlichen Selbstverständnisse integrieren können. Die meisten kulturübergreifenden M&A-Deals enttäuschen. „They couldn’t integrate the cultures“, ist in diesen Fällen immer wieder zu lesen. Dealmaker und Experten für Post-Merger-Integration sollten an diese Kombinationen anders herangehen. Sie müssen die Zahlen, also die Strategie, und die Menschen in den jeweiligen Fachbereichen und ihre Kultur enger zusammenbringen. Dann lässt sich die Komplexität beherrschen – bei Zahlen wie bei Menschen.

Info

Der Autor: John Magee

Der aus den USA stammende John Magee behandelt als Managementberater, Forscher und Autor Themen, die den Erfolg von grenz- und kulturübergreifend arbeitenden Organisationen beeinflussen. Im Auftrag von Dax-Unternehmen unterstützt er globale Teams dabei, Strategien über Regionen hinweg umzusetzen und kulturelle Missverständnisse zu vermeiden. Unter anderem begleitete er von 1999 an die Integration von Westinghouse und Siemens. 2010 war Magee Gastdozent an der Universität Bonn, wo er Bachelor-Studenten in deutsch-amerikanischer Geschäftsintegration unterrichtete. Von 2009 bis 2011 hielt er mehrere Gastvorträge an der University of Pennsylvania Wharton School of Business. John Magee ist seit 1988 in Deutschland, er lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in Bonn.

Themen