Nestlé mit Milliardenübernahme in den USA
Nestlé baut sein Gesundheitsgeschäft mit einem milliardenschweren Zukauf aus: Der Schweizer Lebensmittelriese will über seine Tochter Nestlé Health Science (NHSc) den US-Lebensmittelexperten Aimmune Therapeutics vollständig übernehmen, wie er am Montag mitteilte. Mit der Komplettübernahme stärkt Nestlé sein Portfolio für Lebensmittelallergien: Aimmune ist unter anderem auf die Prävention von allergischen Reaktionen auf Erdnüsse bei Kindern spezialisiert.
Die Schweizer bieten 34,50 US-Dollar je Aimmune-Aktie – das entspricht einer stolzen Prämie von 174 Prozent gegenüber dem Schlusskurs am 28. August. Insgesamt wird Aimmune mit 2,6 Milliarden US-Dollar (rund 2,2 Milliarden Euro) bewertet. Mit dem Abschluss des M&A-Deals, den Nestlé mit liquiden Mitteln finanzieren will, rechnen die Schweizer im vierten Quartal dieses Jahres. Die Übernahme soll sich bereits im kommenden Jahr positiv auf das organische Wachstum. In den darauffolgenden zwei Jahren soll der Deal einen positiven Beitrag zum Gesamtergebnis leisten. Die liquiden Mittel des Konzerns beliefen sich zum ersten Halbjahr auf rund 3,3 Milliarden Euro.
Nestlé war bereits im Jahr 2016 mit 15 Prozent bei den US-Amerikanern eingestiegen. Seitdem hat NHSc seinen Anteil stetig ausgebaut, zuletzt auf 25,6 Prozent. Insgesamt haben die Schweizer bereits 473 Millionen US-Dollar in den kalifornischen Therapieentwickler für Nahrungsmittelallergien investiert.
Swissport bekommt neue Eigentümer
Swissport wurde von der Coronavirus-Krise schwer getroffen – nun soll ein Debt-Equity-Swap den Schweizer Flughafendienstleister retten: Bei der komplexen Umstrukturierung sollen zunächst rund 1,9 Milliarden Euro Schulden umgewandelt oder gestrichen werden. Hinter dem Tauschgeschäft steht eine Gruppe von sieben Hedgefonds und Private-Debt-Investoren: SVP, Apollo, TowerBrook, King Street, Ares, Cross Ocean Partners und die Barclays Bank. Diese Gläubiger wandeln nun ihren 410 Millionen Euro schweren besicherten Bond, der noch bis 2024 gelaufen wäre, vollständig in Eigenkapital um, wodurch 75 Prozent der Swissport-Anteile an sie übergehen. Daneben beteiligen sich weitere Gläubiger an dem Debt-Equity-Swap.
Der bisherige Alleinaktionär der Schweizer, der angeschlagene chinesische Mischkonzern HNA, verliert dadurch seine Aktienmehrheit. Die Chinesen werden nach Abschluss der Finanzrestrukturierung nicht mehr am Eigenkapital von Swissport beteiligt sein. Den Abschluss der Transaktion erwarten die Unternehmen für Ende dieses Jahres. Der Debt-Equity-Swap ist aber noch nicht komplett in trockenen Tüchern: Parallel zum Tauschgeschäft lanciert Swissport einen M&A-Prozess – sollten die Schweizer ein besseres Rettungsangebot erhalten, könnte auch ein alternatives Deal-Szenario stattfinden.
Wirecard verkauft Callcenter-Tochter an IDnow
Das Skandalunternehmen Wirecard hat einen Käufer für seine Leipziger Tochter Wirecard Communication Services gefunden: Käufer des Anbieters von Videoidentifikationen ist das Münchener Verifizierungs-Start-up Idnow. Zum Kaufpreis des Asset Deals machte Idnow keine Angaben. Die Münchener wollen den Standort in Leipzig sowie den Großteil der 150 Arbeitsplätze erhalten. Mit dem Deal will Idnow die Servicequalität der eigenen Produkte ausbauen.
Der Käufer ist für die Leipziger kein Unbekannter: Wirecard Communication Services und IDnow arbeiten bereits seit über fünf Jahren zusammen, die Münchener waren ein externer Kunde der Wirecard-Tochter. Nachdem Wirecard im Juni dieses Jahres Insolvenz anmelden musste, rutschte auch Wirecard Communication Services einen Monat später in die Insolvenz. Idnow bietet Video-Identifikationsdienste an, deren Nachfrage im Zuge der Coronakrise stark zugenommen hat. Begleitet wurde die Transaktion unter anderem von der Kanzlei Tiefenbauer Insolvenzverwaltung unter der Leitung des Insolvenzverwalters Nils Freudenberg.
M&A-Personalien
Der seit Kurzem börsennotierte Arzneimittelhersteller PharmaSGP will sich stärker auf anorganisches Wachstum konzentrieren und erweitert dafür seinen Vorstand um eine M&A-Expertin: Maria-Johanna Schaecher soll künftig als Chief Business Development Officer (CBDO) gemeinsam mit CEO Natalie Weigand und CFO Michael Rudolf die Umsetzung der Wachstumsstrategie vorantreiben. Das gab das Pharmaunternehmen aus Gräfelfing bei München bekannt. Die 55-Jährige verantwortet ab dem 16. September dieses Jahres die Bereiche M&A, Strategie sowie Business Development & Licensing bei PharmaSGP. Schaecher bringt dem Unternehmen zufolge über 30 Jahre Managementerfahrung mit: Die gelernte Kauffrau und Psychologin startete ihre Karriere bei der Strategieberatung BCG, später bekleidete sie verschiedene Managementpositionen in der Health Care-, Biotech-, Pharma-, Lebensmittel- und Agrarbranche, darunter bei Johnson & Johnson. Zuletzt war Schaecher als CEO des Düsseldorfer Futtermittelherstellers Deutsche Tiernahrung Cremer tätig.
Blick in den Markt
Das Bundeskartellamt rechnet aufgrund der Coronakrise mit einer Reihe von Firmenfusionen. „Wir haben bereits erste Anzeichen dafür, dass wir zahlreiche Übernahmen von Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sehen werden“, wird Kartellamtspräsident Andreas Mundt zitiert. Zwar verzeichnete das Bundeskartellamt seit April und Mai deutlich weniger Fusionsanmeldungen – Mundt geht aber davon aus, „dass diese Zahl in den nächsten Monaten auch krisenbedingt wieder anziehen wird“. Zu einer Lockerung der Fusionskontrollen während der Coronakrise wird es dem Kartellamtschef zufolge jedoch nicht kommen.
Weitere Meldungen
Der Medienkonzern Bertelsmann ist offenbar an dem Kauf der New Yorker Verlagsgruppe Simon & Schuster interessiert: Wie Bertelsmann-Chef Thomas Rabe der „Financial Times“ sagte, ist das Unternehmen bereit ein Angebot abzugeben, wenn der Mutterkonzern ViacomCBS den geplanten Verkauf vorantreibt, der bislang durch die Corona-Pandemie aufgehalten wurde. Die Gütersloher haben durch die Fusion von Random House und Penguin Group zur Verlagsgruppe Penguin Random Housebereits „den bei weitem größten Buchverlag der Welt“ geschaffen, so Rabe. „Angesichts dieser Position wären wir natürlich an Simon & Schuster interessiert.“ Der US-Verlag machte 2019 einen Umsatz von über 800 Millionen US-Dollar.
Die Berentzen-Gruppe erweitert ihr Getränkesortiment und kauft den österreichischen Cider-Hersteller Goldkehlchen. Wie der Getränkehersteller aus Haselünne im Emsland mitteilte, soll das kürzlich neu aufgestellte Vertriebsteam der Berentzen-Vivaris Vertriebs GmbH mit Goldkehlchen die Expansion im deutschen Cider-Markt vorantreiben. Bislang ist Berentzen in dem Segment noch nicht vertreten. „Wir haben immer betont, dass wir es uns im Rahmen unserer Akquisitionsstrategie vorstellen können, kleine, innovative ‚Pflänzchen‘ zu übernehmen, um sie anschließend groß zu machen. Dieses Ziel verfolgen wir nun mit Goldkehlchen“, kommentiert Berentzen-CEO Oliver Schwegmann die Übernahme. Zum Kaufpreis wurden keine Angaben gemacht.
Der Berentzen-Deal ist in dieser Woche aber nicht der einzige Deal in der Getränkeindustrie: Die Sektkellerei Henkell Freixenet verkauft ihr Sekt- und Weingeschäft unter der Marke Deinhard an die rheinland-pfälzische Kellerei Peter Mertes. Wie das „Handelsblatt“ schreibt, umfasst die Transaktion sowohl das nationale als auch das internationale Weingeschäft. Deinhard ist der Marktführer für deutschen Wein in Kanada, so das Handelsblatt. Henkell Freixenet will sich nun wieder auf seine Kernmarken wie Freixenet oder auch Fürst von Metternich fokussieren. Einen Verkaufspreis nannten die Wiesbadener nicht.
Centerbridge steigt bei dem Fintech Auxmoney ein: Wie die Düsseldorfer mitteilten, beteiligt sich der Private-Equity-Investor im Rahmen einer Eigenkapitalerhöhung im Gesamtvolumen von 150 Millionen Euro an dem Fintech. Zusätzlich übernimmt der Investor weitere Anteile der Bestandsgesellschafter. Bereits bestehende Venture-Capital-Investoren bleiben aber nach wie vor an Auxmoney beteiligt, so die Düsseldorfer. Wie viel Kapital Centerbride konkret investiert und wie viele Anteile der Investor dafür erhält, teilt Auxmoney nicht mit. Wie aus einer Mitteilung der Kanzlei Hengeler Mueller hervorgeht, handelt es sich aber um einen Mehrheitsanteil. Die Kanzlei (Federführung: Dirk Bliesener und Jens Wenzel) hat Centerbridge bei dem Deal beraten.
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Die britische Wettbewerbsaufsicht prüft die von SAP geplante Verkauf der Digitalsparte an den Kommunikationsdienstleister Sinch genauer. Wie die Briten mitteilten, wollen sie sich genauer anschauen, ob der Verkauf des Softwaregeschäfts für Handynetzwerke den Wettbewerb in Großbritannien maßgeblich beeinträchtigt. Für die Prüfung hat die Behörde bis Ende Oktober Zeit.
Til Schweiger im FINANCE-M&A-Ticker: Die Social Chain AG übernimmt über ihre Tochter Urbanara Til Schweigers Unternehmen Barefoot Living, das Wohnaccessoires verkauft. Auch nach dem Deal soll Schweiger als „Strategic Brand Lead“ an Bord bleiben und das Produktportfolio weiterentwickeln. Urbanara vertreibt Wohnaccessoires aus Naturmaterialien und erwirtschaftete eigenen Angaben zufolge im ersten Quartal dieses Jahres ein positives Ebitda. Für das Gesamtjahr rechnet das Unternehmen mit einem Umsatz von über 10 Millionen Euro und einem operativen Gewinn von mehr als 1 Million Euro. Urbanara ist seit Dezember 2019 teil des Portfolios des Social-Media-Vermarkters Social Chain AG. Finanzielle Transaktionsdetails sind nicht bekannt.
E.go Mobile bekommt einen neuen Besitzer: Das insolvente Aachener Elektroauto-Start-up wurde mit allen Tochtergesellschaften und den 450 Mitarbeitern zum 1. September von der Next.E.go Mobile übernommen. Mehrheitseigentümer der Next.E.go ist der niederländische Private-Equity-Investor Nd Industrial InvestmentsB.V. Das E.go-Mobile-Management um Gründer Günther Schuh bleibt minderheitlich an dem Unternehmen beteiligt. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Der Gläubigerausschuss hat dem Deal bereits zugestimmt. Die Kanzlei Oppenhoff (Federführung: Nefail Berjasevic) hat Nd Industrial Investments bei dem Deal beraten. E.go Mobile wurde von der Anwaltssozietät White & Case (Sachwalter: Biner Bähr) und der Kanzlei FRH Fink Rinckens Heerma unterstützt. Die Aachener mussten im Zuge der Coronakrise im April dieses Jahres Insolvenz anmelden.
Die insolvente Sächsische Dampfschifffahrt-Unternehmensgruppe (SDS) ist gerettet: Die älteste und größte Dampfschiffflotte der Welt wird an das Baseler Schifffahrtsunternehmen United Rivers, wie die begleitende Beratung Restrukturierungspartner bekannt gab. Der bisherige Betrieb der SDS wird künftig auf zwei Unternehmen aufgeteilt: Die Firma Weiße Flotte Sachsen übernimmt alle Aufgaben der SDS und der Cateringfirma Elbezeit sowie die beiden modernen Salonschiffe. Die neun historischen Dampfschiffe der Gruppe werden künftig von dem Unternehmen Kulturerbe Dampfschiffe Dresden betrieben. Finanzielle Transaktionsdetails sind nicht bekannt. Die SDS Gruppe, die im Juni dieses Jahres aufgrund der Corona-Pandemie in die Insolvenz rutschte, wurde bei dem Deal von Restrukturierungspartnerund Enomyc sowie von der Kanzlei Mulansky + Kollegen Rechtsanwälte begleitet.
Info
Die wichtigsten Transaktionen der vergangenen Wochen finden Sie im Überblick auf unserer Themenseite M&A-Deals. Hinweise zur Bewertung im Rahmen von Transaktionen liefern unsere neuen FINANCE-Multiples, die Sie auch in der aktuellen FINANCE-Ausgabe finden.