Die Zahl der M&A-Deals, die durch undichte Stellen bekannt wurden, nimmt seit einigen Jahren ab. Das hat eine Studie des M&A Research Centre der Cass Business School im Auftrag von Intralinks ergeben. Die Wissenschaftler haben 4.000 M&A-Deals weltweit untersucht (näheres zur Methodik im Infokasten). Das Ergebnis: Während von 2008 bis 2009 im Durchschnitt 11 Prozent der M&A-Deals vorab bekannt wurden, waren es von 2010 bis 2012 nur noch 7 Prozent. Das liegt auch daran, dass es für die Beteiligten weniger attraktiv ist, einen Deal zu streuen.
Noch vor einigen Jahren galten Leaks manchen Marktteilnehmern als probates Mittel, um den Bieterwettbewerb anzuheizen. Zwischen 2004 und 2007 gab es bei 9 Prozent der Transaktionen, bei denen die Handelsaktivitäten der beteiligten Unternehmen Anzeichen für einen Leak lieferten, einen anschließenden Bieterwettbewerb. In den anderen Fällen waren es nur 7 Prozent. Für die Anteilseigner des Targets kann dies durchaus ein Anreiz sein, eine Transaktion durchsickern zu lassen. Auch die gezahlten Übernahmeprämien waren bei M&A-Deals mit Hinweisen auf eine undichte Stelle im Schnitt um 18 Prozentpunkte höher aus als bei Transaktionen, die nicht vorab bekannt wurden. Im aktuellen Marktumfeld ist diese Strategie allerdings riskant: Die Aktivität am M&A-Markt ist gering, Käufer sind vorsichtig. Eine undichte Stelle könnte die Transaktion vielmehr gefährden.
"Die Chancen auf einen Bieterwettbewerb sind derzeit sehr gering. Das Target wird sich deshalb im aktuellen Marktumfeld eher darauf konzentrieren, den ursprünglichen M&A-Deal so gut wie möglich zu Ende zu bringen“, sagt Scott Moeller, Direktor des M&A Research Centre an der Cass Business School. Er kennt das M&A-Geschäft auch aus der Bankensicht: Moeller arbeitete sechs Jahre für die Deutsche Bank und zwölf Jahre für Morgan Stanley, zuletzt als Vorstand für Morgan Stanley Deutschland.
Motivation für Leaks schwindet
Eine Transaktion nach einem Leak abzuschließen ist ein weiteres Hindernis: Für M&A-Deals, bei denen die Handelsaktivitäten im Vorfeld der Ankündigung auf ein mögliches Leak schließen lassen, verzeichneten die Wissenschaftler einen Zeitraum von 124 Tagen zwischen Ankündigung und Abschluss des M&A-Deals. Transaktionen ohne Hinweis auf ein Leak wurden in 116 Tagen unter Dach und Fach gebracht. Insbesondere in einem volatilen M&A-Umfeld ist die längere Abschlusszeit ein Risiko.
Wird eine Transaktion vorab bekannt, müssen Käufer und Verkäufer zudem schneller als geplant die Strategie darlegen, Aktionäre beschwichtigen und die Finanzierung auf die Beine stellen. Schlimmstenfalls sind die Pläne noch gar nicht ausgereift. Die Komplexität des Deals steigt durch den engeren Zeitplan – und damit steigen oft auch die Kosten. Das kann in einer Zeit, in der M&A-Deals ohnehin Mangelware sind, niemand brauchen. Das Risiko eines Abbruchs war entsprechend bei den Deals mit Hinweisen auf ein Leak in den vergangenen Jahren deutlich höher: Nur 80 Prozent von ihnen konnte zwischen 2010 und 2012 abgeschlossen werden, in der anderen Gruppe kamen immerhin 88 Prozent der M&A-Deals zum Abschluss. Dieses Risiko übersteigt oftmals die Vorteile, findet Moeller: „Einen M&A-Deal zu leaken ist im aktuellen Marktumfeld eher kontraproduktiv.“
Leaks werden weiter zurückgehen
Doch auch wenn sich der M&A-Markt wieder beleben sollte, erwartet Moeller einen weiteren Rückgang an Leaks. Gründe dafür sieht er in einem höheren Grad an Professionalität in den Unternehmen, die großen Wert auf Vertraulichkeitsvereinbarungen legen, und im strengeren regulatorischen Umfeld. Insbesondere in Großbritannien gelten deutlich härtere Regeln als noch vor zehn Jahren, wer einen Deal leakt muss mit Strafen rechnen – und in einem Umfeld mit vergleichsweise wenigen Transaktionen ist das Risiko, in den Fokus der Aufsichtsbehörden zu geraten, deutlich gestiegen.
Dennoch sehen manche M&A-Experten auch Vorteile durch Leaks, wie sie im Rahmen einer Befragung zur Studie einräumten: Wer den Verhandlungspartner im finalen Stadium des M&A-Deals zu einer schnellen Entscheidung zwingen will, kann dies mitunter mit der Offenlegung des Deals erreichen – wenn auch nicht ohne Risiko. Für Käufer ist ein Leak mitunter eine elegante Möglichkeit, sich aus einem schlecht laufenden M&A-Prozess zu verabschieden: M&A-Experten, die für die Studie befragt wurden, berichten von Kaufinteressenten, die sich nach einem Leak von einem Gegenangebot haben überstimmen lassen, um erhobenen Hauptes das Feld räumen zu können.
Doch nicht immer sind es strategische Überlegungen, die hinter einem Leak stehen, räumen auch die Studienteilnehmer ein. Eine fehlgeleitete E-Mail oder ein belauschtes Telefonat haben schon so manchem M&A-Prozess eine unerwartete Wendung gegeben.
Info
Die Studie
Für die Studie "M&A Confidential" des M&A Research Centre der Cass Business School im Auftrag von Intralinks haben die Autoren mehr als 4.000 M&A-Deals im Zeitraum von Januar 2004 bis Oktober 2012 untersucht. Wurden die Aktien eines Unternehmens kurz vor Ankündigung eines M&A-Deals stark gehandelt, werteten die Wissenschaftler dies als Indikator für ein Leak. Dafür ermittelten die Wissenschaftler für jedes der an den Transaktionen beteiligten Unternehmen auf Basis von 200 Handelstagen eine durchschnittliche Handelsaktivität und bezogen dabei auch die Volatilität des Kurses mit ein. Für jedes Unternehmen ergab sich so eine individuelle Kennzahl, ab der man von ungewöhnlich hoher Aktivität sprechen konnte. Diese Zahlen schwanken innerhalb des Samples stark, im Durchschnitt sahen die Wissenschaftler bei einer um 5 Prozent erhöhten Handelsaktivität unmittelbar vor dem Deal ein Zeichen für einen Leak. 30 M&A-Verantwortliche gaben zudem in Interviews eine Einschätzung zu möglichen Motiven für Leaks und den daraus resultierenden Problemen. Die vollständige Studie finden Sie zum Download in der FINANCE White Paper Library.