Man kennt sich, man schätzt sich, und manchmal streitet man sich. Das kommt in den besten Familien vor und auch unter Kollegen. Dort sind M&A-Deals ein häufiger Anlass für Reibereien: Besonders bei Verkaufsprozessen gehen die wirtschaftlichen und die rechtlichen Interessen schnell auseinander – mit entsprechenden Auswirkungen auf das Betriebsklima.
Bei den Juristen scheint sich da einiges aufgestaut zu haben. In einer Befragung für den „Eversheds M&A Divestment Report“ gaben nun mehr als 70 Prozent der teilnehmenden Inhouse-Juristen an, im Rahmen von Verkaufsprozessen bereits Spannungen und Differenzen mit ihren Business-Kollegen in den operativen Bereichen erlebt zu haben. Die Auswertung basiert auf Interviews mit rund 160 M&A-Professionals aus Unternehmen weltweit. Davon waren rund 80 Prozent in Rechtsfunktionen tätig, ein Fünftel war im Strategiebereich oder Vorstand mit M&A-Deals befasst.
Legal vs. Business: Bei M&A-Deals passt es nicht zusammen
Das grundlegende Problem lässt sich auf den zentralen Satz vieler gescheiterter Beziehungen herunter brechen: „Wir passen einfach nicht zueinander.“ Denn der größte Anlass für Reibereien bei Verkaufsprozessen ist den Interviewten zufolge die ungleiche Arbeitsweise: Die rechtlichen und operativen Workstreams seien nicht aufeinander abgestimmt, monierte rund jeder dritte Befragte.
Dabei bemängeln die Finanzer und die Juristen am Gegenüber jeweils fast schon klischeehaftes Verhalten: Viele Inhouse-Juristen beklagten in den Interviews, die Business-Kollegen würden ihre wirtschaftlichen Entscheidungen zu wenig begründen und die M&A-Deals am liebsten direkt abschließen, noch bevor rechtliche Themen adressiert seien. Entsprechend werden aus Sicht der Juristen Risiken oft nicht ausreichend berücksichtigt, Zeitpläne für Transaktionen wirken ambitioniert und unrealistisch.
Und auch der von so manchem frustrierten Partner schon geäußerte Vorwurf „Du nimmst mich nicht ernst!“ findet sich auch im Büro: Eine Reihe der Befragten hat laut Studie den Eindruck geäußert, dass ihre Einwände vom Management nicht ernst genommen würden, zentrale Themen im Rahmen des M&A-Deals würden als „etwas für die Rechtsabteilung“ einfach abgetan.
Risikoaversion bei M&A-Deals: Juristen üben Selbstkritik
Die Chancen für eine Versöhnung zwischen wirtschaftlich orientierten und rechtlichen Einheiten stehen jedoch nicht schlecht. Studienteilnehmer aus beiden Gruppen gaben an, dass die Rechtsteams mitunter zu risikoavers bei M&A-Deals agierten – auch einige Juristen selbst teilten diese Einschätzung. Der Wunsch: Die Anwälte sollten doch von Zeit zu Zeit eine betriebswirtschaftlichere Sichtweise einnehmen.
Auch über die Notwendigkeit, die Arbeitsschritte besser zu verzahnen, besteht Konsens. Wenn die Verhandlungsschritte der Anwälte und die operative Umsetzung nicht aufeinander abgestimmt sind, führe dies nur zu Verzögerungen.
In der Analyse des Problems sind Strategen und Juristen also nicht allzu weit voneinander entfernt. Letztlich hilft vermutlich schon der Standardsatz eines jeden Paartherapeuten, um einer harmonischen Lösung einen Schritt näher zu kommen: Einfach mal miteinander reden.