Die Absatzzahlen europäischer OEMs haben sich in den vergangenen Monaten wieder stabilisiert. Gestützt von diesem Trend konnten Unternehmer der Zulieferbranche wieder bessere Verkaufspreise erzielen und nahmen dies zum Anlass, ihre Nachfolge einzuleiten oder sich strategisch neu aufzustellen. Branchendiversifikation stand zuletzt ganz oben auf dem Strategieplan, um sich unabhängiger vom Zyklus der Automobilindustrie zu machen. Allerdings war 2012 noch ein Jahr mit vergleichsweise wenig M&A-Geschehen. Im Vergleich zum Vorjahr hat die Aktivität sowohl bezogen auf Anzahl als auch auf Volumen der M&A-Deals stark abgenommen: Weltweit wurden nach Daten von Thomson Reuters im Automobil-Sektor 490 M&A-Deals mit einem Gesamtvolumen von ca. 30 Milliarden US-Dollar registriert (2011: 594 M&A-Deals, 45 Mrd. Dollar Gesamtvolumen), 147 davon im internationalen Mittelstand. Während die großen Endhersteller im Automotive-Sektor fast ausschließlich strategische Allianzen verfolgen, spielt sich das klassische M&A-Geschäft in der Branche auf Zuliefererebene ab.
Kurs in Europa auf Konsolidierung
Was können wir für die kommenden Monate erwarten? VW hat einen Rekordgewinn veröffentlicht, BMW legte nach. Dennoch sieht die Branche in Europa schwierigeren Zeiten entgegen. Nach einem Rückgang der Verkaufszahlen im vergangenen Jahr um 8 Prozent, rechnen europäische Automobilmanager für 2013 mit einem weiteren Absacken um 2 Prozent. Grund dafür sind Überkapazitäten, wie eine Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young unter 300 Herstellern und Zulieferern in Europa ergeben hat. Der Umfrage zufolge wollen die Unternehmen bestehende Überkapazitäten in Europa aber nicht abbauen. Im Gegenteil: Insgesamt planen sie, ihre Produktion sogar weiter zu erhöhen. Diese Konstellation lässt erwarten, dass Zulieferer mit stark europäischem Fokus konsolidiert werden. Dies gilt insbesondere für Tier 3 & 4 Unternehmen.
Die Konstellation spielt asiatischen Investoren in die Hände, die seit dem vergangenen Jahr verstärkt Zukaufmöglichkeiten in Deutschland suchen. Noch vor wenigen Jahren hätte der durchschnittliche deutsche Unternehmenslenker vorwiegend ängstlich und ablehnend reagiert, wenn ihn ein chinesisches Unternehmen auf einen M&A-Deal angesprochen hätte. Die jüngsten Transaktionen wie der Kauf von Putzmeister durch Sany haben jedoch zu einem wahrnehmbaren Umdenken geführt. Reagierte die Mehrheit auf dieses Deal Announcement im Juni 2012 vorerst geschockt, so fallen die Meinungen in Nachhineindoch positiv aus.
Aus der Beraterperspektive kann man wahrnehmen, dass viele mittelständische Unternehmen gegenüber asiatischen Käufergruppen nun deutlich offener sind und deren strategisches Interesse an deutschem Knowhow trotz einer gesunden Rest-Skepsis als Ritterschlag sehen.
Auch für mittelständische Unternehmen ergibt sich ein Internationalisierungsbedarf in Richtung Asien. Für viele PE-Investoren ist ein guter Zugang zu Asien bereits eine unabdingbare Voraussetzung, ohne die ein Zielunternehmen sofort aus dem Raster fällt. Die Wirtschaftskrise 2009/2010 hat gezeigt, dass man sich auf die EU-Binnennachfrage allein nicht stützen kann. Obwohl viele Unternehmen begonnen haben, sich zu öffnen, gibt es immer noch genügend deutsche Unternehmen, die dies nicht tun – eine mitunter gefährliche Strategie.
Hohe Preise für chinesische Unternehmen
Umgekehrt kann auch eine Expansion nach China durch den Kauf eines chinesischen Unternehmens oder ein Joint Venture viele Vorteile bieten. Der Aufbruch nach China sollte aber in jedem Fall gut vorbereitet sein, denn die Risiken sind beträchtlich: Es gilt insbesondere, die Kosten auf einem rationalen Niveau zu halten. Die Preise für chinesische Unternehmen sind mittlerweile sehr hoch, weil viele Interessenten um den Markteintritt buhlen. Kann man bei einem deutschen Unternehmen der Automobil-Industrie gemäß den FINANCE-Multiples derzeit von einem durchschnittlichen Kaufpreis von 6x EBIT ausgehen (Small- &MidCap), werden für vergleichbare chinesische Unternehmen nach IMAP-Erhebungen bis zu 20x EBITaufgerufen. In China ist es daher sehr einfach, Geld zu verlieren, wenn das gekaufte Unternehmen nicht den ihm zugedachten Zweck erfüllt, weil beispielsweise Qualitätsprobleme auftreten oder der Marktzugang nicht (mehr) besteht. Am Ende kauft man sich schlimmstenfalls einen Berg an Problemen, der Geld und Management-Ressourcen bindet.
Für den eher vorsichtig handelnden Manager eines mittelständischen Familienunternehmens bedeutet das ein Dilemma: Einerseits locken die geschäftlichen Möglichkeiten in einem Markt, den man unternehmerisch nicht länger ignorieren darf. Andererseits drohen Risiken, die im schlimmsten Fall auch die Existenz des Familienunternehmens gefährden. Um die Entscheidung können sich die Unternehmer jedoch nicht drücken. Betrachtet man die deutsche Automobilindustrie, so war es – abgesehen von politisch getriebenen Maßnahmen wie der Abwrackprämie und der Kurzarbeit – die Nachfrage der Asiaten, vornehmlich aus China und Indien,die dazu geführt hat, dass sich die Branche seit 2011 rasch erholte. Es ist unabdingbar, Markteintrittsstrategien für das jeweilige Geschäftsmodell zu prüfen.
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Der Autor
Jan Steinbächer ist seit 2010 bei IMAP M&A Consultants als Project Manager tätig. Er betreut nationale und internationale Buy- und Sellside Mandate im Automotive-Sektor.