Ob KraussMaffei, Manz, Kuka oder zuletzt Aixtron: Immer mehr deutsche Unternehmen wecken Begehrlichkeiten bei chinesischen Käufern. Deren Interesse an der Technologie, gepaart mit der finanziellen Unterstützung Pekings, bescheren den Verkäufern einen Kaufpreis, der bei einem paneuropäischen M&A-Deal in vielen Fällen wohl nicht möglich wäre.
Ein Selbstläufer sind M&A-Verhandlungen mit chinesischen Käufern allerdings nicht. Vor allem wenn der Verkaufsprozess vom Verkäufer angestoßen wird. Der FINANCE-Ratgeber zeigt, an welchen China-Mythen etwas dran ist, wie sich M&A-Verhandlungen mit Käufern aus China in den letzten Jahren verändert haben und welche Stolpersteine weiter bestehen.
M&A mit China: Die Qual der Wahl bei potentiellen Käufern
Entscheidet sich ein Unternehmen dazu, einen chinesischen Investor ins Boot zu holen, sind das Interessenten-Screening und die Kontaktaufnahme die ersten Hürden. Laut Andreas Grille, Principal M&A Advisory und China-Experte bei der Unternehmensberatung Roland Berger, gibt es in China zwar viele potentielle Käufer. Das Problem für den Verkäufer besteht jedoch darin, die richtigen anzusprechen.
Im Idealfall kennt das Unternehmen den chinesischen Partner bereits aus einer guten Lieferanten- oder Kundenbeziehung. „Vorausgesetzt, der Partner verfügt für den Zusammenschluss über die nötige Größe und die finanziellen Mittel, ist dies die Variante mit den größten Erfolgsaussichten“, glaubt Grille. Ist dieser Königsweg versperrt, bleibt der Gang über die Netzwerke der M&A-Berater und Unternehmensberatungen.
Mythos Zeit: M&A mit China dauert länger
Worauf sich deutsche Manager so oder so einstellen müssen: M&A-Verhandlungen mit chinesischen Bietern sind mitunter langwierig und zäh. „Wer einen chinesischen Investor mit ins Boot holen will, muss einen zeitlichen Vorlauf von mindestens drei, wenn nicht sogar sechs Monaten einplanen“, bestätigt Grille. Das liege zum einen daran, dass zunächst eine persönliche Beziehung zu den Vertretern des chinesischen Kaufinteressenten aufgebaut werden müsse. Zum anderen – und das ist der weitaus schwierigere Teil – stellt der bisweilen stark abweichende Wissensstand ein großes Problem dar, da die chinesischen Marktteilnehmer im Schnitt noch immer unerfahren sind. „Oft muss ich den chinesischen Entscheidern als erstes einen Crashkurs in betriebswirtschaftlichen Grundlagen geben“, berichtet Grille aus der Praxis.
Das fängt bei der Frage an, wie man den Wert eines Unternehmens ermittelt. „Chinesische Manager sind nicht naiv, sie haben jedoch eine andere Vorstellung davon, wie man den Wert eines Unternehmens bestimmt“, erzählt Grille, der in seinem Crashkurs unter anderem zu erklären versucht, warum sich der Unternehmenswert aus künftig möglichen Cashflows ableitet. Viele chinesische Manger folgen laut Grille einem sehr simplen Denkmuster: „Wert ist das, was ich anfassen kann: Maschinen, Grundstücke, Gebäude.“
Immerhin: Die Tatsache, dass die jüngere Generation chinesischer Manager häufig in den USA oder Europa studiert hat, sorgt dafür, dass chinesische Player am M&A-Markt in der Tendenz erfahrener und professioneller werden. Aber: „Die Dynastien in chinesischen Unternehmen sind sehr langatmig. Es dauert noch, bis die jüngere Generation auf die Entscheiderpositionen vorrückt“, meint Grille.
Mythos Sprache und Kultur: M&A-Deals mit China erfordern Crashkurs
Dennoch sind die chinesischen Nachwuchsmanager bei M&A-Verhandlungen sehr wichtig. „Sie sind oft bei den Verhandlungen dabei und fungieren als Dolmetscher“, berichtet Grille. Hier liegt das nächste Problem: die Sprachbarriere, die laut Grille nach wie vor groß ist, wenn auch nicht mehr so gravierend wie noch vor einigen Jahren. Viele Entscheider chinesischer Konzerne sprechen aber weiterhin oft kein Englisch. Wer selbst kein Chinesisch spricht, so wie Grille, muss sich auf die Übersetzung der Jüngeren oder der Berater verlassen. Grille empfiehlt deshalb zur Sicherheit, einen eigenen Dolmetscher mitzubringen.
Den weit verbreiteten Vorschlag, sich im Vorfeld ausführlich mit der chinesische Sprache und Kultur zu befassen, weist Grille hingegen in das Reich der Mythen zurück. Er rät deutschen Managern Folgendes: „Nehmen Sie sich mehr Zeit für Höflichkeiten. Tragen Sie Kritik nicht öffentlich vor, sondern formulieren Sie diese als Frage. Ihr Gegenüber darf niemals sein Gesicht verlieren.“
Ein Besuch in China sei dennoch ratsam. Die persönliche Bindung muss laut Grille jedoch nicht durch das Teilen exotischer Speisen oder verrückte Trinkgelage aufgebaut werden – es geht auch über gewöhnlichere Erlebnisse wie etwa gemeinsames Golfen. „Chinesische Manager sind professionell und wissen sich auf internationalem Parkett zu bewegen.“
Mythos Wankelmut: M&A-Deals mit Chinesen können schnell kippen
Die höhere Professionalität bedeutet allerdings nicht, dass ein angestoßener M&A-Deal tatsächlich über die Bühne geht. „Die Ausfallquote bei M&A-Verkaufsprozessen ist weiterhin sehr hoch. Von 20 angesprochenen Interessenten, kann meistens nur mit einem oder zwei ernsthaft verhandelt werden“, so Grille. Auch nach dem ersten Kontakt bleibt die Ausfallquote ähnlich hoch, da oft die interne Abstimmung bei den Chinesen zu lange dauert.
„Ich habe bereits erlebt, dass ein äußerst interessiertes chinesisches Unternehmen nach mehreren Wochen plötzlich feststellte, dass der Kaufpreis doch deutlich zu hoch war“, erzählt Grille. Das passiert zwar auch mit westlichen Kaufinteressenten, aber bei Chinesen sollte das erste Kaufangebot noch eindeutiger nicht auf die Goldwaage gelegt werden. Denn generell gilt noch immer: Deals mit europäischen Strategen oder Finanzinvestoren sind verbindlicher, geradliniger und in der Abwicklung deutlich schneller.
Mythos Kontrollverlust: China greift nach M&A in das Management ein
Entgegen der häufigen Befürchtung, dass deutsche Unternehmen nach einer chinesischen Übernahme zerschlagen oder in ihrer strategischen Ausrichtung beeinträchtigt werden, lassen chinesische Käufer in den meisten Fällen vieles so, wie es ist. Ein Private-Equity-Investor, der einen deutlich kürzeren Anlagehorizont hat, setzt seine strategischen Ziele und Veränderungswünsche in Unternehmen in der Regel schneller und entschlossener durch als ein chinesischer Industriekonzern.
Die Chinesen interessieren sich laut Grille primär für die Technologie und den Marktzugang in Europa. Deshalb sind sie daran interessiert, dass sich das Unternehmen hierzulande weiterentwickelt. „Sie wissen, dass sie oft nicht über die nötigen Management-Ressourcen und das fachliche Know-How verfügen und lassen dem bisherigen Management deshalb viel Gestaltungsfreiheit.“
Fakt ist: Die Anfangszeiten des M&A-Booms, in denen Chinesen in erster Linie weitgehend marode Unternehmen aus der Insolvenz heraus kauften, Wissen, Marken und Patente absogen und das Restgeschäft verkümmern ließen, sind lange vorbei.
Bei der Investorenansprache kommt es auf das Timing an
Trotz der Mühen rät Grille deutschen Unternehmen auf Investorensuche, chinesische Interessenten anzusprechen, denn im Erfolgsfall winkt ein deutlicher Kaufpreisaufschlag. Laut Grille ließen sich mit Käufern aus China im Vergleich zu westlichen Private-Equity-Investoren rund 20 Prozent höhere Kaufpreise erzielen.
Wichtig ist laut Grille, den chinesischen Zug früher auf das Gleis zu setzen als den regionalen Private-Equity-Waggon. „Die Investorengespräche müssen so abgestimmt sein, dass alle Züge gleichzeitig in den Zielbahnhof der finalen Verhandlungen einlaufen.“
Info
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Warum Chinesen bei M&A-Deals nicht mehr auf Schnäppchen aus sind und was CFOs über Geschäfte im Reich der Mitte und über den Renminbi wissen müssen, zeigt unsere FINANCE-Themenseite China.